Pressearchiv

02
Feb
Erscheinungsdatum: 02.02.234 Quelle: OZ Autor: Yuriy Kadnykov S. 12

29
Jan
Erscheinungsdatum: 29.01.24 Quelle: NNN Autor: Georg Scharnweber S. 07

20
Jan
Erscheinungsdatum: 20.-21.01.24 Quelle: NNN Autor: Dagmar Leischow S. 03

30
Nov
Erscheinungsdatum: 30.11.23 Quelle: NNN Autor: dpa S. 036

11
Nov
Erscheinungsdatum: 11./12.11.23 Quelle: NNN Autor: Georg-Scharnweber S. 03

In Monat März treffen sich Adar I mit Adar II und zum Ende des Monats feiern wir Purim. Wenn ich unsere Jugendlichen frage, was das Wort Purim bedeutet, sagen sie sofort, dass dies die Name des Festes ist, das wir im Frühling feiern. An ihm darf man sich verkleiden und Maskerade bzw. Karneval feiern. Für die Jüngeren, die die Welt und die Realität oberflächlich betrachten, kommt der Spaß als das Leitmotiv des Festes zum Vorschein. Alle freuen sich und verkleiden sich bunt. Die Menschen ziehen Masken an, um ihre Gesichter zu verstecken. Unsere Weisen nennen diese Vorgehensweise unter andererem Peschat, Einfache.

Wenn wir den Text der Megilat Ester(9:24) anschauen, sehen wir, dass schon Mordechaj die Bedeutung des Wortes Pur, Singular von Purim, erklärt: „… Pur hu haGoral…“ , „Pur, Er ist das Los“. Die Lose warf Haman, der Bösewicht, um ein Datum zu finden, wann es am Günstigsten wäre, die Juden zu vernichten. Das hebräische Wort Goral hat auch eine zweite Bedeutung, nämlich das Schicksal. Diese Verbindung zwischen Los und Schicksal ist auch im modernen Deutsch präsent. So könnten wir den Namen des Festes als „Schicksale“ interpretieren. Das sind nicht irgendwelche Schicksale, sondern diejenigen, die als eine Reihe möglicher zufälliger Ereignisse, Lose, wahrgenommen werden. Die Esterrolle gibt uns dazu einen Hinweis, Remes, in dem in ihr kein einziges Mal irgendein Bezug auf den Allmächtigen genommen wird. Es ist das einzige Buch im TaNaCh, wo Gott nicht erwähnt wird.

Wenn wir weiter auf Suche, Derasch, in die Tiefe des Festes und des Maskentragens gehen, stellen wir uns die Frage, warum haben unsere Weisen einen heimischen Brauch akzeptiert und zum Teil integriert? Ihnen ging es dabei nicht um das Masken tragen, sondern darum diese abzulegen. Bei einer Maskerade durch das Verstecken des Äußeren eines Menschen, kommt sein Inneres zum Vorschein. Davon sind nicht nur einzelne Individuen betroffen, sondern die Gesellschaft allgemein. Gesellschaftliche Schwachstellen und Missbildungen werden erörtert. Urchaos und Unordnung bestimmen das Tagesprogramm. Geheimnisse, Ssod, werden preisgegeben. Das größte Geheimnis, das das Buch Ester beinhaltet, ist die Existenz des Schöpfers, den großen Dramaturgen, der hinter der Kulisse bleibt, Regie leistet und sich selber bei dem Theaterstück des Lebens nicht in den Vordergrund stellt. Er lässt die Menschheit ihre Maske der Unwissenheit tragen und sich der Zufälle erfreuen - beim Pläne schmieden. Aber das Ende wird banal, die Bösewichte entpuppen sich, zeigen ihre wahren Gesichter und werden vernichtet. Deswegen freuen wir uns von Jahr zu Jahr, je mehr sich die Judenhasser zeigen, desto schneller wird ihr Untergang sein.

In diesem Jahr fängt Rosch Hodesch des Monats Adar am Abend des 8. Februar an, und sein zweiter Tag, der 1. Adar I auf den darauffolgende Schabbat.

In der jüdischen Tradition ist der Monat Adar, der letzte Monat des Jahres, der von Nissan aus gezählt wird, von besonderer Bedeutung. Er wird im TaNaCh (Abkürzung für Tora, Newijim, Propheten und Ketuwim, Schriften) erwähnt und gilt als der zwölfte Monat. In einem Schaltjahr, Schana Meuberet, wenn ein zweiter Adar, Adar Bet, zu den regulären zwölf Monaten hinzugefügt wird, wird dieser neuer ebenfalls als zwölfter Monat bezeichnet.

In einem gewöhnlichen Jahr gibt es nur einen Adar, bekannt als Adar I, Aleph. In einem Schaltjahr jedoch gibt es zwei Adar Monate: Adar I und Adar II. Adar I hat dabei immer 30 Tage, während der Adar II, der näher an Nissan liegt, immer 29 Tage hat. Nicht der zweite, sondern der erste Monat Adar ist eine Erweiterung, wie eine Schwangerschaft des Jahres (Schana, Jahr ist Femininum auf Hebräisch) dargestellt. Deswegen stehen diese Monate unter dem Sternzeichen der Fische, welches als Symbol zwei im Kreis schwimmende Fische hat.

Adar gilt als der glücklichste und freudigste Monat unseres jüdischen Kalenders. Sein Motto lautet: „Wenn Adar kommt, wird die Freude größer“. Diese Freude in Adar ist hauptsächlich auf das Fest Purim zurückzuführen, das die Rettung des jüdischen Volkes vor einem genozidalen Komplott des bösen Hamans feiert, der unser Volk komplett vernichten wollte. Dank Fasten und Reue konnte das himmlische Dekret, wenn auch nicht das irdische, aufgehoben werden.

Als Haman durch Astrologie herausfinden wollte, welcher Monat für Israel am verwundbarsten wäre, wählte er durch das Los den Monat Adar, in dem keine Feiertage vorhanden waren und dementsprechend „ärmer“ in Bezug auf Gebote, Mitzwot. Als Hamans Plan scheiterte, verwandelte sich Adar für uns seitdem von einem Monat der Trauer und des Leids in einen der Freude und des Festes. Der Monat Adar wurde so zum Symbol der Freude für alle unsere Generationen.

In einem Schaltjahr findet das kleinere Purim-Fest, Purim Katan, im Monat Adar I statt. Es wird mit Freude und Festlichkeit gefeiert, obwohl es nicht die gleiche religiöse Bedeutung wie das reguläre Purim in Adar II hat. Purim Katan erinnert an die kontinuierliche Freude, die der Monat Adar symbolisiert, und unterstreicht die Wichtigkeit von Glück und Positivität in der unserer, jüdischen, Weltanschauung.

Diese Traditionen, die sowohl in Adar Aleph als auch in Purim Katan zum Ausdruck kommen, betonen die fortwährende Bedeutung von Freude und Feier im jüdischen Kalender, insbesondere in Schaltjahren, und erinnern daran, dass selbst in Zeiten des Wandels und der Unsicherheit die Freude und das Festhalten an der Tradition zentral bleiben.

Tu bi-Schewat, auch bekannt als "Neujahr der Bäume", ist ein jüdisches Fest, das das Frühlingserwachen der Natur feiert. Es wird traditionell in Israel und der jüdischen Diaspora in der zweiten Winterhälfte gefeiert, dieses Jahr fällt es auf den 25. Januar.

Die historischen Wurzeln von Tu bi-Schewat reichen zurück in die biblische Zeit, als das Fest als Zeitpunkt zur Bestimmung des Alters der Bäume im Hinblick auf religiöse Gesetze über Zehnten und Opfergaben diente. Heute hat es eine neue Bedeutung erlangt und ist ein Symbol für ökologisches Bewusstsein und Liebe zur Natur.

In Israel wird Tu bi-Schewat oft mit Baumpflanzungen und ökologischen Veranstaltungen begangen, die die Bedeutung des Naturschutzes betonen. In der Diaspora kann das Fest Bildungsprogramme umfassen, die sich auf Ökologie und nachhaltige Entwicklung konzentrieren.

Zu den Traditionen von Tu bi-Schewat gehört auch der "Sseder Tu bi-Schewat", der den Genuss von vier Gläsern Wein und verschiedenen Früchten umfasst, von denen jeder eine symbolische Bedeutung hat:

  • - Vier Gläser Wein: Üblicherweise beginnt man mit Weißwein und wechselt dann zu Rotwein. Dies symbolisiert den Übergang vom Winter zum Frühling und vom Tod zum Leben.
  • - Früchte mit harter Schale und weichem Inhalt: Zu solchen Früchten gehören Nüsse und Granatäpfel. Sie symbolisieren den Schutz, den die Tora bietet, und die Kraft der inneren Spiritualität.
  • - Früchte mit weicher Schale und hartem Kern: Beispiele hierfür sind Oliven und Datteln. Diese Früchte erinnern an die Bedeutung der äußeren Hülle im Leben eines Menschen und an die Bedeutung der inneren Stärke und Beständigkeit.
  • - Vollständig essbare Früchte: Zum Beispiel Feigen oder Trauben. Sie symbolisieren die vollständige Einheit mit der Natur und die enge Verbindung zum Land Israel.

Diese Rituale und Symbole im Sseder Tu bi-Schewat erinnern an die Naturzyklen, die Bedeutung des ökologischen Gleichgewichts und des spirituellen Wachstums sowie an die tiefe Verbindung des Menschen mit der Erde und der Natur.
Die Perspektiven von Tu bi-Schewat für die Zukunft sind mit Bemühungen verbunden, das ökologische Bewusstsein zu erhöhen und nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Dieses Fest wird im Kontext globaler ökologischer Herausforderungen immer relevanter und erinnert an die Notwendigkeit, sorgsam mit natürlichen Ressourcen umzugehen und die Bedeutung des Handelns jedes Einzelnen zum Schutz der Umwelt zu betonen.

Chanukka, das jüdische Lichterfest, symbolisiert ein Wunder und Hoffnung. Es erinnert an das wundersame Ereignis, als ein kleiner Krug Öl, nur für einen Tag berechnet, das Licht der Menora des Heiligen Tempels in Jerusalem acht Tage lang aufrechterhielt. Dieses Wunder gilt als Metapher für die Ausdauer und Widerstandsfähigkeit unseres Volkes.

Im Hinblick auf den Nahen Osten, einer oft von Konflikten und Instabilität geplagten Region, wird das Chanukka-Wunder als Erinnerung und Symbol der Hoffnung auf Frieden angesehen. Die acht Tage des Festes symbolisieren die Möglichkeit, Licht in dunkle Zeiten zu bringen und die Bedeutung von Wundern in scheinbar ausweglosen Situationen.

Die Geschichte von Chanukka lehrt uns, dass selbst in dunkelsten Zeiten ein kleiner Funken Hoffnung einen langen Weg zur Erleuchtung und Veränderung gehen kann. Es ist eine Erinnerung daran, dass Frieden im Nahen Osten möglich ist, selbst wenn die Lage hoffnungslos erscheint. Die Botschaft von Chanukka inspiriert Menschen, an das Unerwartete zu glauben und nach friedlichem Zusammenleben zu streben.

So kann Chanukka als Inspiration dienen, über bestehende Differenzen und Konflikte hinauszublicken und nach einem harmonischen Zusammenleben im Nahen Osten zu streben. Es verkörpert den Glauben an Wunder und die Kraft des Lichts, Dunkelheit und Negativität zu überwinden. In diesem Sinne bezieht sich Chanukka nicht nur auf die Vergangenheit, sondern trägt auch die Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft in einer Region, die seit Langem nach dauerhaftem Frieden strebt.

Möglicherweise wird auch in diesen Tagen der Allmächtige für uns ein Wunder vollbringen und die Geschichte in „Seine Hände“ nehmen. Wie es in unserem Siddur geschrieben steht: „…In Deinem großen Erbarmen standest Du für sie in ihrer Not. Du führtest ihren Kampf, sprachst ihr Urteil, rächtest ihre Rache. Du übergabst die Starken in die Hände der Schwachen und die Vielen in die Hände der Wenigen, die Unreinen in die Hände der Reinen, die Gottlosen in die Hände der Gerechten und die Übeltäter in die Hände derer, die Deine Tora pflegen. Und für Dich, Du schufst einen großen und heiligen Namen in Deiner Welt, und für Dein Volk Israel hast Du große Erlösung und Rettung bis zu diesem Tag vollbracht…“. Und wir werden neue Hymnen schreiben, die den Namen des Allmächtigen und Seine Taten preisen.

Der jüdische Monat, der gestern, am 15. Oktober, begann, heißt Mar Cheschwan, der "bittere Cheschwan". Unsere Weisen sagen, dass er diesen Namen erhalten hat, weil er der einzige Monat ist, in dem es weder Feiertage noch Gedenktage gibt. Aber wenn wir uns die aktuellen Ereignisse im Gelobten Land ansehen, könnte dieser Name vielleicht auch eine prophetische Bedeutung haben. Er ist bitter, Mar, weil wir in ihm viel Bitterkeit erleben werden. Deshalb schauen wir ängstlich auf die Nachrichtenkanäle und erwarten den Beginn einer Bodenoperation der IDF, eine Vergeltungsaktion zur Zerstörung der terroristischen Organisation Hamas, welche die Zivilbevölkerung des Gazastreifens als Geiseln hält. Diese Vergeltungsaktion wird viele Leben, sowohl von Israelis als auch von der arabischen Bevölkerung der Enklaven fordern. Aber es könnte auch die gesamte übrige Welt explodieren lassen, wenn blutrünstige Terroristen aller Couleur nicht nur jüdische Organisationen und Gemeinden überall auf der Welt angreifen, sondern auch alle Menschen, die sie für Juden halten. Gleichzeitig werden zahlreiche terroristische Stellvertreterstaaten alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Grundlagen westlicher Zivilisationen zu untergraben. Dies ist ein mögliches Szenario. Nicht umsonst wird der achte Monat im 1. Buch der Könige, Kapitel 6, Vers 38, Bul genannt, nach dem Midrasch zu Ehren der Sintflut, Mabul, die in diesem Monat begann. Der Allmächtige zerstörte die gesamte Zivilisation, genau das lesen wir in dieser Woche, während ich diese Zeilen schreibe.

Aber es gibt auch einen anderen Weg. Die erste Zivilisation wurde zerstört, weil "die Erde mit Gewalt gefüllt war", „Wa-timale ha-Aretz Hamas“. Der erste Tempel wurde wegen Götzendienst, Awoda Sara, zerstört, der zweite Tempel wegen grundloser Feindseligkeit, Ssinat Chinam. Und alle nachfolgenden Tragödien bis heute geschehen unserem Volk, wenn wir die Einheit verlieren und mit Hass in den Augen, manchmal sogar mit Schaum vor dem Mund, einander betrachten. Wenn wir die Ursache für unsere Unzufriedenheit im Nachbarn und nicht in uns selbst suchen, erlaubt der Allmächtige unseren äußeren Feinden, uns abzugreifen. Sogar heute knirschen viele in Israel, und auch in jüdischen Gemeinden, mit den Zähnen aufeinander, um ihre persönlichen Ambitionen zu befriedigen. Aber wenn wir zu grundloser Liebe zueinander, zur Ahawat Chinam, übergehen, wenn wir uns wirklich und nicht nur auf dem Papier vereinen, wenn wir wieder anfangen, die Dinge beim Namen zu nennen und keine Maske der politischen Korrektheit tragen, wenn wir zu den Werten zurückkehren, die die heiligen Schriften aller Religionen verkünden, dann werden wir diesen Monat aramäisch Mar Cheschwan, Herr Cheschwan, nennen. Denn er wird der Beginn der nächsten Stufe unserer Erlösung sein. Dann werden alle Völker zu Demonstrationen kommen und rufen: "Befreit Gaza von der Hamas". Oder wie unser Prophet sagte: "Und der Ewige wird der König über die ganze Erde sein. An jenem Tag wird der Ewiger als Einziger anerkannt, und nur sein Name wird in aller Munde sein."

Ssukkot ist einer unserer Feiertage, der in diesem Jahr Anfang Oktober stattfindet. Eines der zentralen Themen dieses achttägigen Festes ist Uschpisin, das hebräische Wort für Gäste. Laut einer der Mitzwot, Gebote, des Ssukkot bauen wir eine Ssukka, eine temporäre Laubhütte, und laden Gäste ein, um darin Mahlzeiten einzunehmen und Gemeinschaft zu erleben.

Die Praxis der Uschpisin ist tief mit der Idee der Gastfreundschaft und des Willkommens verbunden. Nach der jüdischen Überlieferung sind es nicht nur irdische Gäste, die in der Ssukka willkommen sind, sondern auch sieben himmlische Gäste. Diese himmlischen Gäste werden jeweils einem der sieben Tage des Ssukkot-Festes zugeordnet und repräsentieren die sieben biblischen Patriarchen: Awraham, Jitzhak, Jaakov, Jossef, Mosche, Aharon und David.

Diese Tradition dient dazu, die Bedeutung der Ssukka als einen Ort der Einheit und Offenheit hervorzuheben. Durch die Einladung der Uschpisin öffnen wir, symbolisch, die Türen für alle, unabhängig von ihrem sozialen Status oder ihrer Herkunft. Die Ssukka wird so zu einem Ort, der Gleichheit und gemeinschaftliche Verantwortung fördert.

Die Einbeziehung der Uschpisin erinnert auch an die menschliche Verwundbarkeit und die Bedeutung der Gemeinschaft. Genau wie unsere Vorfahren während ihrer Wüstenwanderung auf göttlichen Schutz angewiesen waren, erinnert die fragile Ssukka daran, dass wir alle Gäste auf dieser Erde sind und aufeinander angewiesen sind.

In einer Zeit, in der gesellschaftliche Spaltungen und Isolation zunehmen, bietet Ssukkot durch das Konzept der Uschpisin eine wertvolle Lektion in den Punkten Gastfreundschaft und Gemeinschaft. Es ist eine Zeit, die dazu einlädt, Barrieren abzubauen und unsere Herzen und Türen für andere zu öffnen. So könnte man einen ersten Schritt in Richtung Frieden gehen.

Die jüdischen Herbstfeste sind Schlüsselmomente in unserem Kalender, in denen Gläubige über ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nachdenken. Diese Feste sind eine Grundlage für spirituelle Erneuerung und Introspektion.

Rosch ha-Schana, der jüdische Neujahrstag, fällt auf den ersten und zweiten Tag des Monats Tischri. Oft wird er als "Tag des Gerichts" bezeichnet, da laut unserer Tradition der Ewige an diesem Tag über das Schicksal jedes Menschen für das kommende Jahr entscheidet. Es ist eine Zeit des Gebets, der Reue und der Hoffnung auf ein günstiges Urteil.

Jom Kippur, der Versöhnungstag, ist der heiligste Tag im jüdischen Kalender. An diesem Tag fasten Juden weltweit, beten und bitten Gott um Vergebung für ihre Sünden. Es wird geglaubt, dass Gott an Jom Kippur sein endgültiges Urteil über das Schicksal jedes Einzelnen für das kommende Jahr fällt. Es ist eine Zeit intensiver spiritueller Selbstbetrachtung und Reue.

Zusammen bilden Rosch ha-Schana und Jom Kippur den Rahmen für die "Zehn Tage der Reue", die Zeit zwischen diesen beiden Festen. In dieser Zeit versuchen die Menschen, ihre Beziehung zum Ewigen und zueinander zu verbessern, Vergebung und Versöhnung zu suchen.

Diese Feste erinnern uns nicht nur an die Notwendigkeit, unsere spirituellen Verpflichtungen gegenüber dem Schöpfer zu überdenken und zu erneuern, sondern symbolisieren auch einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen Menschen und Völkern. Es ist eine Zeit, in der Konflikte und Groll hinter sich gelassen und in der Brücken des Verständnisses und der Einheit gebaut werden können.

Abschließend bieten die jüdischen Herbstfeste die Gelegenheit, nicht nur alte Traditionen zu feiern, sondern sie auch als Aufruf zu Erneuerung, Liebe und Vergebung in der heutigen Welt zu sehen.

Die heutige Welt ist leider von Hass, Missverständnissen und Bosheit durchzogen. Diese destruktiven Kräfte zerstören Gesellschaften, Familien und Individuen. Vergiftet von Voreingenommenheit, Angst und Misstrauen vergessen viele Menschen die grundlegenden menschlichen Werte und Solidarität.

Die Herbstfeste laden uns ein, innezuhalten und nachzudenken: Was ist wirklich wichtig im Leben? Sie erinnern uns daran, dass jeder für seine Taten und Worte verantwortlich ist und dass Vergebung und Verständnis der Schlüssel zur Heilung sind.

Wenn wir eine sichere Zukunft für uns und unsere Kinder wollen, müssen wir diese dunklen Kräfte überwinden. Wir sollten nach Frieden, Liebe und Verständnis streben.

Unsere Kinder verdienen es, in einer Welt zu leben, in der Respekt und Mitgefühl die Norm und nicht die Ausnahme sind.

Mögen die jüdischen Herbstfeste uns daran erinnern, dass Reue, Vergebung und Erneuerung der Weg zu einer besseren Zukunft für alle sind.

In Jerusalem, im Herzen des heiligen Landes, gab es zwei Tempel, die in der Geschichte des Judentums eine wichtige Rolle spielten. Ihre Zerstörung war ein tragischer Moment, der jeden Aspekt des jüdischen Lebens beeinflusste.

Der erste Tempel, bekannt als der Tempel Schlomos, wurde im 10. Jahrhundert v. n. Zr. erbaut. Er diente mehr als vier Jahrhunderte lang als Zentrum der jüdischen Religions- und Nationalbiographie. Allerdings wurde der Tempel im Jahr 586 v. n. Zr. während der Eroberung Judäas durch den babylonischen König Nebukadnezar II. zerstört.

Der zweite Tempel wurde nach der Rückkehr unserer Vorfahren aus dem babylonischen Exil, Galut Bavel, im Jahr 516 v. n. Zr. erbaut und stand bis 70 n. n. Zr. Er wurde von den Römern während des Großen Jüdischen Aufstands zerstört.

Der 9. Aw ist im jüdischen Kalender ein Trauertag, der mit dem Jahrestag der Zerstörung beider Tempel zusammenfällt. An diesem Tag fasten Juden auf der ganzen Welt, verzichten auf Vergnügungen und beachten weitere Trauerbräuche. In diesem Jahr fällt der 9. Aw auf den 27. Juli, und bereits am Abend des 26. werden in den Synagogen Kinot, Stöhnen, Trauergesänge, gelesen.

Der 9. Aw ist jedoch nicht nur mit der Zerstörung der Tempel verbunden. Dieser Tag gilt auch als Jahrestag anderer tragischer Ereignisse in der Geschichte unseres Volkes, darunter der Vertreibung aus Spanien im Jahr 1492 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914.

Trotz der Tragödie, die den 9. Aw umgibt, ist dieser Tag auch eine Erinnerung an die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Im Judentum gibt es den Glauben an die Wiederherstellung des dritten Tempels und das Kommen des Messias. Es repräsentiert die Hoffnung auf Frieden, Gerechtigkeit und Einheit.

Somit ist der 9. Aw nicht nur ein Tag der Trauer und der Erinnerung an vergangenes Leid, sondern auch ein Tag der Hoffnung und des Glaubens an die Zukunft. Dieser Tag erinnert uns daran, dass unser Volk und unser Glaube trotz aller Prüfungen und Schwierigkeiten weiterhin leben und sich entwickeln wird. Die Propheten Jermijahu und Jeshajahu, die die Zerstörung des Tempels prophezeiten, prophezeiten auch seine Wiederherstellung und die kommenden messianischen Zeiten. Der Tag Ihrer Trauer wird der Tag Ihrer Freude sein, oder wie der Prophet Jeshajahu, Jesaja, in Kapitel 61, Vers 3, sagte, dass Gott ihnen „das Öl der Freude statt des Kummers gab“, lass es in unserer Zeit geschehen.

Unser Erbe, unsere Lehren und unser Glaube erhielten am Berg Sinai neue Perspektiven und Anfänge. Das große Ereignis des Abschlusses der Union zwischen Gott und dem jüdischen Volk hat die Geschichte und die Seele unseres Volkes für immer geprägt. Die göttliche Offenbarung, die auf dem Berg Sinai stattfand, eröffnete uns die Tiefen der Weisheit und des Verständnisses von Gottes Plan für die Weltordnung.

Moshe Rabbeinu, unser großer Führer, erkannte die Bedeutung dieses Augenblicks und bestieg den Berg Sinai, um die Lehren Gottes direkt zu empfangen. Dort empfing er die Tora, das heilige Wort Gottes, das zur Grundlage unseres Glaubens und zum Leitfaden für unser Leben wurde.

Vor diesem Ereignis verließen sich unsere Vorfahren mehrheitlich auf die mündliche Gabe der Familie und die den Vorfahren gemachten Versprechen. Aber wie jede Familientradition waren sie von Zeit zu Zeit skeptisch. Mehr als vierhundert Jahre des Wartens haben sicherlich bei vielen Mitgliedern, der Generation der Wüste, Dor haMidbar, Zweifel und Fragen hervorgerufen. Haben unsere Vorfahren alles richtig verstanden? Oder vielleicht haben sie es nur verschönert? Bleibt der Allmächtige seinen Versprechen treu, egal was passiert? … und vieles andere. Kein Wunder, dass die Ältesten Mosche auf die Probe stellten, als er mit der Nachricht vom Beginn der Befreiung zu ihnen kam. An den Reaktionen des Pharaos können wir die Reaktion der umliegenden Völker ablesen.

Aber nach diesen Ereignissen gelang es den Menschen, die Anwesenheit des Schöpfers in dieser Welt wahrzunehmen. Und viele Völker haben die sorgfältig verborgene Wahrheit erfahren. Und sie begannen, diese Ereignisse die Sinai-Offenbarung zu nennen. Seitdem ist die Thora ein integraler Bestandteil unseres Erbes geworden, das wir von Generation zu Generation weitergeben.

Auch heute, in der modernen Welt, verliert die Thora nicht an Bedeutung.

Aber leider entfernen sich die Menschen immer mehr von Gott und der Spiritualität. Wir müssen die Lektionen berücksichtigen, die Moses am Berg Sinai gelernt hat. Wir müssen die Lehren Gottes suchen und sie in unserem Leben anwenden

Die Thora hilft uns nicht nur, unsere religiöse und kulturelle Identität zu verstehen, sondern liefert uns auch ein Beispiel dafür, wie wir eine harmonische und wohlhabende Gesellschaft schaffen können. Es lehrt uns Toleranz, Respekt gegenüber unterschiedlichen Meinungen und Zusammenarbeit.
Deshalb müssen wir ständig zu den Lehren Gottes und seiner Tora zurückkehren, um unsere Verbindung zu unserer Geschichte und Kultur aufrechtzuerhalten und in ihnen die Antworten auf unsere aktuellen Fragen und Herausforderungen zu finden.

An diesen Tagen feiert der Ein oder Andere seinen oder ihren Geburtstag, wie übrigens an jedem Tag im Jahr. Eine Frau, ein Mann oder ein Kind malt ein bestimmtes Datum im Kalender ein, der die Überschrift hat, mein Geburtstag. Innerhalb der Menschheitsgeschichte besteht dieser Brauch seit relativ kurzer Dauer. Angefangen vom Königshaus ging es über den Adel ins Großbürgertum, um später in der breiten Massen Anklang zu finden. In den drei letzten Jahrhunderten verbreitete sich dieses private Feiern in der europäischen Kultur.

Wie ist es aber mit den Religionen, könnten wir über ihre Geburtstag auch reden? Um ein Geburtstag zu feiern, braut man Zeugen oder Zeugnisse, die auf ein bestimmtes Datum hinweisen, die als Geburtsstunden gedeutet werden könnten. Morgen werden viele Christen im Westen Ostern feiern. Den Tag, welcher mit der Passionszeit verbunden ist, die Kreuzigung des Jesus durchquert und in seinem Wiederauferstehen als Höhepunkt für seine Anhänger gipfelt. Diese Zeugnisse legen die Evangelisten ab, und die Kirche fordert dies von ihren Mitarbeitern als Glaubensbekenntnis. Würde ich auf die Schwangerschaft, Wehen und Geburtsstunde hindeuten, so käme ich auf den Geburtstag der neuen Religion, die laut ihrer Anhänger eine neue Ära unter den Sternzeichen der Fische anfinge. Auch die zweitausend Jahre ältere Monotheistische Religion, das Judentum, hat ihre Geburtsstunde, die im 2. Buch Mose, Schemot, geschildert ist. Der Widder, bzw. das Lahm sollte ihre Sternbild sein. Hier fungieren die Zehn Plagen als Wehen, das gespaltete Schilfmeer als geplatzte Fruchtblase und das herausziehende Volk als Neugeburt. All diese Ereignisse feiern wir während des Pessach. Der Fest dauert sieben Tage, in der Diaspora sogar acht. In der Nacht vom 14. auf den 15. Nissan feiern wir die „Heilige“ Nacht des Auszug aus Mizrajim, Ägypten. Die vollständige Befreiung aus der Sklaverei kam nachdem die Kinder Israel auf der anderen Seite des Meeresufers standen und ihre Verfolger, Pharaos Streitkräfte, in der Tiefe versunken waren. Sieben Tage lagen zwischen beiden Ereignissen, Tod der Erstgeborenen und Durchqueren des Meeres. Seit jenen Tage feiern wir die Befreiung und die Geburtsstunde unseres Volkes, Benej Israel, Kinder Israel. Es waren nicht nur direkte Nachkommen von Abraham, Jitzchak und Jaakov, sondern auch andere Menschen sind mitgekommen, Erew Rav. Sie wurden auch ein Teil des Volkes Israel, Am Israel. Vielen fiel es schwer die neue Realität zu akzeptieren, in die sie hineingeworfen worden waren. So klammerten sie sich an das Goldene Kalb, ein Überbleibsel der vollendeten Ära.

Die beiden „Geburten“ waren mit starken messianischen Erwartungen verknüpft. Man sehnte sich nach der Befreiung von der ägyptischen bzw. römischen Unterdrückung. Die beiden waren in den vernachlässigten Schichten der jeweiligen Gesellschaft verbreitet.

Wohl möglich stehen wir auch am Anfang einer neuen Ära. Irgendwo wird eine neue Religion geboren, die ihre Apologeten unter dem Sternzeichen Wassermann wahrnehmen werden. Ich hoffe, dass dies der Messias sein wird, dessen Ankommen wir Juden zum ersten Mal erwarten, und unsre Nachbarn - die Christen
zum zweiten Mal.

Am letzten Pessachtag wird in unseren Synagogen das Jiskor-Gebet gelesen. Übersetzt bedeutet es „Möge Er sich erinnern“, was an unseren Schöpfer andeutet. Natürlich folgt in der modernen aufgeklärten Welt nicht jeder dieser Weltanschauung, einige glauben fest daran, dass sie von den Affen abstammen, und deshalb schmücken Fotografien aller Arten von Primaten ihre Stammbäume.

Diejenigen, die an der jüdischen Weltanschauung festhalten, führen ihre Abstammung auf Abraham zurück und glauben, dass der Schöpfer dem ersten Menschen, Adam, Leben einhauchte, dessen entfernter Nachkomme Abraham ist, und ihn dadurch mit einem Verstand ausstattete, der in der Lage war, die Welt zu erkennen und in ihr in Kategorien zu denken. Außerdem können sie das gesammelte Wissen und die Fähigkeiten an ihre Nachkommen weitergeben, die als eigene Fortsetzung des Lebens gelten. Sie begründen Familientraditionen, die sich später vereinen und komplexer werden und zu Traditionen von Clans und des Volks werden. Aber in dieser riesigen Menge von durchdringenden Zeitrahmen gibt es einige Menschen, die uns persönlich geboren, aufgezogen und geformt haben.

Unvergessliche Momente unseres Lebens sind mit diesen Menschen verbunden, die einst bei uns waren. Aber was passiert, wenn sie unser Leben verlassen? Wie kann man sie in Erinnerung behalten und nicht vergessen?

Für die jüdischen Gemeinden unserer Städte ist die Erinnerung an die Verstorbenen ein fester Bestandteil von Kultur und Tradition. Wir gedenken unserer Eltern, Angehörigen, Freunde und Lehrer an besonderen Tagen im Jahr, wenn wir gemeinsam um den Verlust trauern, ein Gebet sprechen und in ihrem Andenken für gute Taten spenden. Wenn sie uns nicht beigebracht hätten, Menschen zu sein, gute Taten zu tun, dann wären wir trotz unserer Titel und Positionen auf der Ebene von Tieren geblieben, die nur ihre Nahrung kauen.

Leider kommen nicht alle Mitglieder unserer Gemeinden, um ihrer Lieben zu gedenken. Viele, die mit ihrem täglichen Leben beschäftigt sind, verpassen diese Gelegenheit. Aber vergessen Sie nicht, dass die Erinnerung etwas ist, das uns unser ganzes Leben lang begleitet. Wenn wir unserer Verstorbenen gedenken, bewahren wir sie nicht nur in Erinnerung, sondern geben diese Tradition auch an die nächste Generation weiter.

Wir müssen uns an diejenigen erinnern, die unser Leben verlassen haben, um nicht zu vergessen, was sie uns als Vermächtnis hinterlassen haben. Ihr Leben, ihre Erfahrung und ihr Wissen können uns zum Beispiel und zur Anleitung werden. Gemeinsam können wir unsere Kultur und Traditionen bewahren und an die nächsten Generationen weitergeben. Unserer Verstorbenen zu gedenken, ist nicht nur Tradition, sondern auch ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber denen, die einst bei uns waren. Wir denken an sie nicht nur in unseren Gebeten, sondern auch in unserem Leben. Ihre Erinnerungen und ihr Vermächtnis leben in unseren Erinnerungen, in unseren Herzen und in unseren Seelen weiter.

Vergessen wir also unsere Verstorbenen nicht, um sie in unserem Gedächtnis zu bewahren und ihr Vermächtnis an die nächsten Generationen weiterzugeben. Diejenigen, die ohne guten Grund zu Hause bleiben, ohne zu versuchen, andere zu bitten, diese Pflicht der Lebenden zu erfüllen, unterscheiden sich nicht von unseren Unterdrückern, nur ihre Tat ist viel schlimmer, sie lassen ihre Angehörigen vergessen. Dies ist der wahre Tod.

Viele von uns freuen sich, denn am Abend des 5. April 2023 können wir wieder das Pessachfest feiern, den Abend ausklingen lassen mit dem Kosten von Matzot und bitteren Kräutern im Kontext mit dem Klang der Geschichtserzählungen. Wieder eine Chance zu bekommen, der Auszug aus Mizrajim, noch einmal life zu erleben. Einige von uns befinden sich aber im Vorbereitungsstress. Hier nämlich fängt die Woche an, bei der uns, in der Diaspora sogar acht Tage, der Verzicht auf Ungesäuertes ansteht. Dies alles fällt unter den Titel Bitul we-Biur Chamez, Verzicht und Vernichtung, Verbrennung des Chamez, Ungesäuertes. Die Tora, bei der Erwähnung des Festes, schreibt uns nicht nur vor Matza am Vorabend und die ganze Woche zu essen, sondern auch das Vernichten von Chametz. Man darf es nicht essen und es soll nicht gesehen werden. So verpflichten uns unsere Weisen, alles vor dem Pessach zu reinigen, auf Chamez zu verzichten und es zu vernichten. Dabei beschreiben unsere Halachischen Werke, wie und wo man nach Chamez suchen soll. Sehr wahrscheinlich ist dieser Brauch zum allgemeinen Frühjahrsputz „mutiert“. Pessach findet in der Mitte des Monats Nissan, biblischen Awiw, statt, was, mit dem Anfang des Frühlings verbunden ist. Die Verbrennung des Chamez, haben unserer Weisen etabliert. Laut Rabbi Jehuda, einem der Schüler Rabbi Akiwas, sollte man Chamez zuerst im Feuer vernichten, und nur dann darauf im Herzen verzichten, d.h. den Entschluss fassen: dieses Chamez nicht mehr zu benutzen.

Das Gebot des Vernichtens, Biur, haben unsere Weisen nach der Zerstörung des zweiten Tempels auch auf die Früchte des siebten Jahres und die Zehnerschaft ausgedehnt. Da man sie nicht in den Tempel bringen konnte, sollte man sie besser vernichten. Sonst hätte die Akkumulation zu Neid bei den Nachbarvölkern geführt und die Lust auf Plünderung geweckt. In der Tora, im 5. Buch Moses, Dewarim, wird dieses Handeln - Biur, Vertilgen, öfter erwähnt, besonders in den Wochenabschnitten: Schoftim und Ki Tize. Dort wird der Akzent, auf die Gräueltaten, aus der Perspektive des Ewigen gerichtet. Solche Missetaten, sowie die Menschen, die diese ausüben, haben keinen Platz in der Gemeinschaft. So hat dieser Brauch, das Vernichten von Chamez, auch eine wichtige symbolische Bedeutung. Es erinnert uns daran, uns von Dingen zu trennen, die uns schaden könnten, sei es physisch oder geistig. Es ist auch eine Möglichkeit, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren und uns darauf zu besinnen, was wirklich wichtig ist. Insgesamt ist das Pessachfest eine wunderbare Gelegenheit, um sich mit Familie und Freunden zu versammeln, die Geschichten unserer Vorfahren zu hören und uns auf die wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren. Alles, was uns daran hindert, sollten wir gründlich vertilgen, U-Biarta Hejtew!

Der März gilt als Frühlingsmonat, so ist der gregorianische Kalender aufgebaut, und jede der vier Jahreszeiten innerhalb des Kalenderjahres muss drei Monate umfassen, um schließlich 12 Monate mit 366 / 365 Tagen, in Übereinstimmung mit dem Sonnenjahr, zu erreichen.

Als der Allmächtige mit Noah ein Bündnis schließt, enthält ein Jahr laut Tora sechs Jahreszeiten: "... Saat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter ..." (Ber. 8, 22). Und wenn wir im Rahmen des Sonnenjahres bleiben, dann sollte jede Jahreszeit ungefähr sechzig Tage plus etwas sein, d.h. etwas mehr als zwei Monate haben. Aber wenn wir über den Monat sprechen, denken wir auch an den Mond. Diese Zeitspanne ist auch der Tora entnommen, wo sie Chodesch heißt, aus dem hebräischen Chadasch, neu. Der Trabant der Erde ändert sich von Zeit zu Zeit, aktualisiert sein Aussehen am Himmel. Die Häufigkeit dieser Änderungen ist konstant und entspricht etwa 29,5 ... Sonnentagen (29 Tage, 12 Stunden und 783/1080 Buchstücke der Stunde). Beobachtungen des Mond- und Monatswechsels sowie des Sonnenstandes bildeten die Grundlage des jüdischen Kalenders. Von anderen Kalendern ging der eine oder andere Teil verloren. Die Christen haben ihre Verbindung zum Mond verloren und die Muslime ihre zur Sonne. Und trotz des bestehenden und berechneten jüdischen Kalenders, seit mehr als fünfzehn Jahrhunderten, weist uns unsere Tradition an, die Position des Mondes am Himmel zu beobachten. Und nachdem der neue Mond am Himmel gesichtet wurde, sagen wir Kiddusch Levana, die Heiligung des Mondes. Aber alle achtundzwanzig Jahre haben wir die Gelegenheit, die Sonne zu heiligen, dann sagen wir Kiddusch ha-Chama, im Monat Nissan, wenn die Sonne am Dienstagabend ihren neuen Tag- und Nachtzyklus beginnt. In diesem 21. Jahrhundert fällt er immer auf den 8. April. Das nächste Mal wird dies 14 Jahre später - im Jahr 2037 passieren.

Neben den sechs Jahreszeiten werden auch „Tag und Nacht“ erwähnt, sie beziehen sich auch auf
sich wiederholende, nicht vergehende Zyklen. Alle diese acht Stadien werden so lange bestehen, wie die Erde existiert, Aretz, auch ein Name, welcher der Tora entlehnt ist. Aber es geschah einfach so im Massenbewusstsein der Völker, die unsere Welt durch das Prisma der Dichotomie oder des Dualismus betrachten, dass sich eine Komponente auf die positiven und die andere auf die negativen Pole bezieht. Alles, was mit dem Mond oder der Nacht zu tun hat, ist negativ, schlecht für diese Menschen und sogar mit den sogenannten "Mächten des Bösen" verbunden. Und die Sonne und der Tag mit den „Kräften des Guten“.

Unsere Tradition betrachtet diese Welt in vielerlei Hinsicht. An Purim, beginnend am 6. März dieses Jahres, dem Tag, an dem wir den Sieg über das Böse und den Bösewicht Haman feiern, müssen wir einen Zustand erreichen, in dem wir nicht unterscheiden können zwischen: Baruch Mordechai - Arur Haman, Gesegnet sei Mordechai und Verflucht sei Haman. Dieser Zustand, die Wahrnehmung der Welt in ihrer Integrität und Verbundenheit, ohne Unterteilung in „Pro und Kontra“, heißt „Ad de-lö jada“, „Bis man wissen/unterscheiden kann“ - und wurde uns am Purim- Feiertag geschenkt, der Feiertag, an dem wir die Erfüllung der Gebote der Tora angenommen haben und der auch nach dem Anbruch der messianischen Zeiten bestehen bleiben wird. Mögen wir würdig sein, es mit den eigenen Augen zu sehen.

Wir haben vier neue Jahre in unserem Kalender. Im Tischrei, das neue Jahr zur Jahreszählung, wird durch Rosch haSchana, jedes Jahr feierlich begangen. Der ihm gegenüber im Kalender liegende 1. Nissan ist das neue Jahr für Könige und Monatszählung, es hat heute etwas weniger Glanz, ist aber trotzdem bekannt. Das spätsommerliche neue Jahr, am 1. Elul, welches für den Viehzehnt gedacht war, wird heute von der bereitne Masse kaum wahrgenommen. Der winterliche 15. Schewat, das neue Jahr für die Bäume, hat seine zweite Wiederbelebung mit der Verbreitung der Kabbala im 16. Jahrhundert erlebt.

Einige Bedeutungen und Gründe verlieren an Gewicht, da wir keinen Ackerbau und Viehzucht im gelobten Land betreiben. Zudem existiert kein Tempel, wo wir die mit den oben genannten Aufgaben verbundenen Abgaben leisten könnten. So gingen diese Aspekte im alltäglichen Leben unserer Vorfahren unter und blieben nur in den Gesetzkodexen erhalten und wurden wie alle anderen Lehrtexte behandelt. In der Mischna, Traktat Rosch haSchana,Kapitel 1,1 wird Rosch haSchana für die Bäume nur mit zwei Sätzen erwähnt. Für die Anhänger der Schule von Schammaj, galt der 1. des Monats Schewat als Datum, die Schüler von Hillel fundierten den 15. desselben. Im Talmud sind es schon ein paar Seiten, die mit diesem Datum verbunden sind. Das Hauptgewicht liegt aber bei den Abgaben von Maasser, Zehner.

Die Kabbalisten von Zefat, Safed, haben diesem in Vergessenheit geratenen Datum neue Bedeutung zugewiesen und mit neuen mystischen Ritualen ausgestattet. Angelehnt an den Pessach Sseder, haben sie einen Sseder für Tu Bi Schewat, 15. Schewat, entwickelt. Gleich der vier Kelche am Abend des Auszuges, füllen sie vier Kelche mit Wein. Angefangen von Weißwein fügen sie mehr und mehr Rotwein hinzu, um die vier Jahreszeiten zu symbolisieren. Zwischen den Bechern ißt man unterschiedliche Früchte, welche unterschiedliche Stufen der Welten repräsentieren und liest Texte, die tiefliegende Gedanken unseres Dasein erläutern.

In diesem Jahr fällt der 15. Schewat auf den 06. Februar, was laut Baba Mezia 106 b, dem Anfang Session Kor, Anfang des kalten Frühlings entspricht. Am dem Tag ließt man in der Synagoge kein Tachanu, denn an Feiertagen findet der Ewige Gefallen an seinem Volk. So mögen wir an diesem Tag über die Bedeutung der Bäume in unserem Leben nachdenken.

Am 27. Januar gedenken wir in Europa und Deutschland der Opfer des Holocausts, genauer gesagt der NS Verbrechen. In unserem Sprachgebrauch nennen wir diese Zeitspalte Schoah oder Katastrophe des Europäischen Judentums. Nicht selten erwähnt wird dann in privaten Gesprächen bei den Gedenkveranstaltungen, dass Adolf Hitler das absolute Böse verkörpert hat und dann fügt man hinzu, dass auch der sowjetische Kommunist Stalin nicht weniger böse war.

Diesen beiden Aussagen kann ich so nicht ganz zustimmen, sogar mehr noch, ich sehe in ihnen den falschen Weg sich mit der verbrecherischsten Vergangenheit auseinanderzusetzen. Bei diesem personifizierten Bösen wird versucht die Schuld und Verantwortung nur auf eine Person zu schieben und nicht das ganze System in Frage zu stellen. Auf diese Weise begrenzen die Menschen die Zahl der aktiv Beteiligten und passiv Unterstützenden beider Systeme, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa herrschten. Das führt dazu, dass ein großer Teil der Zeitgenossen und ihrer Nachkommen sich nicht mit den jeweiligen Verbrechen ihrer Systeme auseinandersetzen. In den Notizen meines Vorgängers Landesrabbiner Willy Wollf s. A. habe ich folgende Meinung dazu gefunden: „die Nazis haben die Juden ihrer Leben, die Kommunisten dagegen ihrer Seelen beraubt…“. Die Ersten ermordeten Menschen, die Zweiten stahlen bei ihnen die Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart, nur eine „leblose“ existierende Hülle ist geblieben. Definitiv haben die, in den höchsten Kabinetten sitzenden Menschen, das jeweilige Verbrechen geplant, umgesetzt haben es aber tausende Andere. Die Nazis haben die jüdischen Gemeinden ausgerottet, die Kommunisten haben sie für mehrere Generationen vergiftet.

In diesem Januar werden wir schon etwas weniger als 1200 Personen, die in Mecklenburg
- Vorpommern zu unseren Gemeinden als Mitglieder zählen, sein. Aber immer wieder treffe ich Menschen, die seit mehr als 20 Jahren in unserem Bundesland leben und bis heute nicht, nur keine Mitglieder der jüdischen Gemeinden wurden, sondern auch keinen Fuß in die Synagogen oder Gemeindezentren setzten, obwohl sie als jüdische Migranten nach Deutschland kamen. Ihre Beweggründe liegen nicht darin, dass sie diese oder jene Synagoge nicht betreten, da der dortige Ritus ihnen nicht passe, nein ihre Beweggründe sind die innerliche Leere, die sie, ihre Eltern oder sogar Großeltern entwickelten, nachdem sie die vergiftete Atmosphäre eingeatmet haben. Es sind die letzten sowjetischen Bürger, die schon seit mehr als 30 Jahren nicht bereit sind, ihr eigenes Erbe anzutreten. Sie leben noch bis heute in der Wüste, die das östlich - sozialistische System in ihren Seelen hinterlassen hat. An diese Verbrechen sollten wir uns ebenfalls erinnern.

Eine Spaltung geht durch die Gesellschaft - immer weiter, die Risse werden stetig tiefer und tiefer. Was vor einem Jahr für die Mehrheit der Menschen nicht denkbar war, strömt heute von jedem Fernsehsender. Die ungefilterte Flut von schlimmen Nachrichten lassen die Köpfe der Menschen „explodieren“ und sprengen die sozialen Gruppen. Jeder Zweite fühlt und nimmt sich wahr als ein Experte, jeder Dritte ist bereit seine (kürzlich) erworbene Meinung bis zum letzten Atemzug zu verteidigen. Einer meiner Kollegen merkte an, dass die Menschen in die „Sozialen Medien“ und Netzwerke als normale Menschen eintauchen, und als leitende Experten und erfahrene Richter zurückkehren. Falls dann Meinungen der Anderen nicht mit den Eigenen übereinstimmt, versucht man diese dann zu übertönen. Das passiert heute fast überall, auf den Straßen, bei Demos und Gegendemos, bei Talkshows und offenen Debatten, zwischen Fremden und Bekannten und sogar in einigen Familien. Bei der überwiegenden Menge erworbener Meinungen mangelt es nicht selten an den sogenannten Beweisen - in der Realität und nicht imaginäre existierende Tatsachen. In ihrem geblendeten Verlangen nach der eigenen wahrgenommenen Gerechtigkeit ist unsre Gesellschaft bereit Andere zu zertrampeln, die welche ihrer Musterung nicht entsprechen. Dabei werden die lautesten Stimmen, die nicht selten eine psychopathische Note enthalten, als maßgebend dominiert. Gelangen diese Individuen zu den ersehnten Mitteln, wie Macht oder Waffen, zerstören sie mit voller Gewalt das Leben oder die Existenz der Anderen.

Auch vor tausenden Jahren war es nicht anders, eine Gruppe der Juden sehnte sich nach dem hellenistischen Weltbild und den dazugehörigen Lebensweisen. Sie suchten nach Verbündeten, um ihr Verlangen in der breiten Masse der Bevölkerung durchzusetzen. Die Seluekiden unter ihrem König Antiohus IV. Epiphanes wollten die südlichen Nachbarn stärker unter ihre Kontrolle bringen und unterstützten die passende Minderheit bei ihren Machtansprüchen. Es folgte ein Bürgerkrieg, während dessen unsere Vorfahren auch gegen die seluekidischen Truppen kämpften.

Zum Glück der Menschheit haben die Kräfte den Sieg errungen, deren Lebensstil auf der jüdischen Tradition, auf der Gotteslehre, Tora, basierten. Sonst hätte die Welt nur nach den Lehren der Philosophen wie beispielsweise Platon oder Aristoteles gelernt, welche z. B. dazu tendierten behinderte Kinder auszusetzen und nicht groß zu ziehen. Kodexe wie die des Hammurabi hätten unseren Alltag geregelt, wo die Gerichtsbarkeit nach dem sozialen Status galt.

Wie können wir die Tora bei der heutigen Zerrissenheit anwenden? Wenn wir im 1. Buch Moses, Berejschit, über Sedom und Amora lesen, wo der Ewige herunter steigt um die Tatsachen zu prüfen. Im Kapitel 18, Vers 17 fragt sich der Ewige, ob Er vor Abraham verheimlichen soll, was Er mit dem Tal vorhat, denn die Nachkommen Abrahams sollten den Weg des Ewigen durch die Erhaltung des Rechts und der Gerechtigkeit bewahren. Der Schrei beider Städte hatte ihn erreicht, er wurde groß und ihre Sünde schwer. So macht Er sich auf den Weg, um selbst zu prüfen ob es stimmte oder nicht. Dies war die Lehre für unsere Weisen, dass jede Behauptung durch den Richter grundsätzlich persönlich untersucht werden sollte. Nur dann kann er zum Entscheiden kommen. So sollten wir unsere Richterroben und Kappen ablegen und bevor wir eine Entscheidung „einlernen“ mit den Anderen in Dialog treten. Dies könnte uns helfen die Spaltung zu überwinden.

Von 22. bis 24. November dieses Jahres treffen sich Vertreter der drei Abrahamitischen Religion beim Zoom um das Thema Theodizee in der eigenen jeweiligen Religion zu besprechen.  Theodizee  kommt  ursprünglich  vom  Altgriechischen  und  bedeutet „Gottesgerechtigkeit“, meint man damit allerdings oft die „Rechtfertigung Gottes“. Diese Fragestellung ist im Christentum sehr verbreitet und mehrere Generationen christlicher Gelehrter meinten Gott und sein Handeln rechtfertigen zu müssen. Um mehr und genaueres darüber zu erfahren, schlage ich vor, dass Sie sich zum Zoom Meeting unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! anmelden. Ich bin selbst sehr gespannt, wie unsere Nachbarn, Christen und Muslime, diese Frage in ihrem Weltbild schildern. Natürlich werde ich die jüdische Antwort auch nicht sofort preisgeben, sondern am 23.11.22 dort erörtern. Sammeln Sie Ihre Geduld und beobachten Sie an drei Abenden, wo Gemeinsamkeiten und wo Differenzen liegen.

Fast zwei Wochen davor, am 10. November 2022, wird die christliche Friedensgemeinde in der Paulsstadt - Schwerin eine Friedensdekade starten und nach ihrem Gottesdienst lädt sie zu einem Gespräch ein, wo es um den Frieden in den Religionen geht. Hier werden nicht nur Vertreter der evangelischen Gemeinden, sondern auch Katholiken, ukrainischer Orthodoxer Kirche, Muslime und der jüdischen Gemeinde eingeladen, um in einer Runde über den Frieden zu diskutieren. Natürlich sind die Schweriner eingeladen dieser Diskussion beizuwohnen und auch zum Mitdiskutieren.

Die jüdische Gemeinde Rostock erwartet am gleichen Wochenende sogar zwei Besuchergruppen. Eine kommt aus Stralsund vor Kabbalat Schabbat und die andere Gruppe, die der Studenten, am Schabbat zu Mincha Zeit. Hier wollen die Menschen mit uns ins Kontakt kommen, um mehr über uns, unsere Sorgen und Freude zu erfahren und natürlich um sich auszutauschen, wie wir unsere Beziehung mit Gott innerhalb der viertausend Jahre pflegen.

Am 17.11 kommt DIA nach Schwerin, damit unsere Gemeindemitglieder dort, erfahren können mit wem sie, Gott behüte, im Falle eines antisemitischen Vorfalls sprechen könnten.

All diese und weitere, andere Treffen zeigen, dass jüdische Gemeinden nicht nur in der Mitte unsere Gesellschaft verankert sind, sondern auch mit den anderen Akteuren auf aktuelle Fragen Antworten suchen.

Dass in den letzten Jahrzehnten maßlos gefütterte menschliche Ego hat keinen Platz für den Ewigen in der wahrnehmenden Wirklichkeit gelassen. Sogar Jahrtausende gepflegte Mechanismen mit dem Schöpfer in Kontakt zu treten, um Sein Wirken im diesseits zu beobachten, wurden von der breiten Mehrheit der Menschenkinder vergessen. So treten im 21. Jahrhundert Gier, Zank und Streitlust auf den Platz, wo Liebe, Zuversicht und Freude herrschen soll(t)en.

Gerade am letzten Sonntag haben wir das neue 5783 Jahr angefangen. Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde und unsere Gäste kamen in der Synagoge zusammen, um Rosch ha-Schana, das Neujahrsfest, zu begehen. Das Leitmotiv dieses Festes wird durch seinen zweiten Namen, Jom ha-Din, Tag des Gerichts, ausgedrückt. Die ganze Welt mit all ihren Bewohner zieht vor das göttlichen Gericht und jeder Person wird ihr Urteil für das kommende Jahr verkündet. So befinden wir uns heute innerhalb der zehn Tagen der Buße zwischen dem Anfang des Jahres und dem Tag der Versöhnung, Jom Kippur. In dieser Zeit können wir unsere Rechnungen mit dem Ewigen begleichen bzw. um seine Barmherzigkeit flehen. So lautet die jahrtausende jüdische Tradition und Überlieferung. Laut ihr haben diese Tagen ein universalen Charakter.

Die meist gestellte Frage, die ich seitens unserer Jugendlichen bekomme, lautet, unsere Stadt ist sehr groß und die Welt sogar riesig, wie könnte der Ewige alle Bewohner richten, obwohl die Meisten keine Ahnung davon haben? Der Grund liegt in einem grundsätzlichen Unterschied zwischen Halacha, jüdischem Recht und der allgemeinen Gerichtsbarkeit. Wir können Keinem oder Keiner Schuld auferlegen, wenn sie oder er nicht darüber informiert waren. Als erstes sollten die Zeugen auftreten und beweisen, dass die Personen über das jeweilige Gebot bzw. Verbot gut informiert wurde und über die Konsequenzen der Handlungen sich auch bewusst war. Wenn dies für menschliche Gerichte als Grundsatz gilt - gilt es umso mehr für das himmlische Gerichte.

Natürlich werden die Menschen, die unwissend gehandelt haben, von Gott nicht mit ganzer Härte bestraft, aber der für sie vorgesehene Segen/Belohnung können sie auch nicht vom Himmeln in vollem Maße abrufen. Alle monotheistischen Religionen lernen die Menschheit diese Werte. Ob es Imam, Pastor, Priester oder Rabbiner an das Herz der Gemeindemitglieder näher bringt, spielt dabei eine geringe Rolle. Wichtiger ist die Frage, ob die Gemeindemitglieder diese Werte im eigenen Leben verwirklichen. So wird jeder zu gegebener Zeit Cheschbon Nefesch, der Reflexion der eigenen Seele, des eigenen Lebens durchführen. Nur in dieser Woche ist alles prädestinierter, himmlische Tore sind offen und breiter, und unsere Gebete werden wohlwollend empfangen.

In „Sprüche der Väter“ zitiert Akawja, Sohn Mahalales: „Betrachte drei Dinge, so kommst Du nicht in die Hand der Sünde: wisse, woher Du kamst, wohin Du gehst und vor wem du einst Rechenschaft und Rechnung zu geben wirst. Woher Du kamst? Von einem stinkenden Tropfen. Wohin Du gehst? Zu einem Ort des Staubes, des Moders und Gewürmes. Vor wem Du einst Rechenschaft und Rechnung zu geben haben wirst? Vor dem König der Könige, dem Heiligen, gelob sei Er.“

Der Monat Oktober dieses Jahres wird voll mit Feiertagen und Veranstaltungen sein. Am 4. des Monats fängt Jom Kippur an und am 12., während der Ssukotwoche, werden die „Jüdischen Kulturtage in Rostock“ eröffnet, bzw. das Festival „Verfemte Musik“ in Schwerin. Unser Leben wird reicher an Feiertagen und kulturellen Programmen, welche sie vielseitig bereichern werden. Heutzutage, im 21. Jahrhundert, trennen viele Menschen diese zwei Bereiche unseres Lebens voneinander, als ob keine innere Verbundenheit zwischen ihnen bestünde. Durch die von den Massenmedien gewollte getragene Einstellung bietet sie der in der kulturellen Welt verankerten Spiritualität eine eigene, unabhängige Existenz an. Die jüngeren Generationen, wenn sie sich nicht mit der Entstehung und Entwicklung der Kultur tiefgründig auseinandersetzen, glauben an die scheinbare Unabhängigkeit beider Domänen. Einige Menschen predigen die These über die Befreiung der Kultur bzw. in Teilen von religiösen Zwang, ihrer Selbstentfaltung und eigener Mündigkeit. Eine solche Betrachtungsweise bringt diese Stimme ins Stottern bei dem Versuche der Erklärung solcher Begriffe wie jüdische Musik, Poesie, Prosa bzw. allgemein jüdische oder sogar christliche Kultur. Deswegen greifen sie gern auf lokale Angaben, wie östliche, orientalische bzw. mediterrane Kultur zurück. Sogar der Begriff „säkulare Kultur“ sagt etwas über den Wunsch aus, sich vom religiösen Denken und Handeln zu befreien. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass das lateinische Wort Cultus in beiden Begriffen Kultur und Kult erhalten blieb. So seine Bedeutung nach dem Wörterbuch lautet „Verehrung“ und „Pflege“. Die Semantik steht für mich eindeutig, wenn ich etwas verehre, muss ich es pflegen, und wenn ich etwas pflege, verehre ich das. Ohne Pflege gibt es keine Verehrung und Verehrung ohne draus folgenden Pflege ist keine echte Verehrung. So mindestens war die Denkweise der Römer. Im Hebräisch haben beide Begriffe keine so enge Verbindung. Religion heißt „Dat“, kommt aus der persischen Sprache und bedeutet „Gegebene“, „Daten“, in Stein gemeißelt. Kultur heißt „Tarbut“, kommt aus der arkadischen Sprache und bedeutet so etwas ähnliches wie “Schüler“, vielleicht sogar „Anhänger“. Hier könnte man nur reininterpretieren, dass die Schüler einem Meister - einer Lehre folgen sollten, die auch als Gegeben gelten solle.

Edward Burnett Tylor, der Vorreiter der Anthropologie, fasste die Religion als ein Teil der Kultur auf. Dies veränderte den Blick der Anhänger der Wissenschaftstheorien auf den Zusammenhang der Kultur und Religion allgemein. Werden wir aber die Religion und die Kultur in einem älteren Zusammenhang sehen und die Letzte als Ausdrucksweise der Ersten betrachten, stehen wir vor vielen offenen Frage, deren Beantwortung unseren Lebensstil verändern wird.

Schon seit einer Weile höre ich, dass sich beklagt wird, dass unsere Welt aus den Fugen gerät. Oder man beschwert sich, dass alles den Bach runtergeht. Nur die Menschen, die in ihrer virtuellen Welt eingeschlossen sind, machen sich keine solche Gedanken in der letzten Zeit. Da wir uns dem Jom ha-Din, Tag des Gerichts, nähern, wo die ganze Menschheit dem himmlischen Urteil für das kommende Jahr unterworfen wird, sollten wir uns die möglichen Ursachen dieses Zustandes bewusst machen. Hier sollten wir nicht nach eine schuldige Person in der Nähe oder Entfernung suchen, sondern, wie es uns unsere Weise in der Liturgie des Rosch ha-Schana Tages belehrten, sollte jeder auf seine bzw. ihre eigene Innenwelt einen tief forschenden Blick werfen. Denn an diesem Tag wird der Allmächtige jede einzelne Seele richten und als die daraus bestehende Summe das Urteil über die Welt fällen.

Seit dem neunzehnten Jahrhundert lachten die Wissenschaftler über die bildhafte Darstellungen der früheren Generationen. Dabei hat ein großer Teil von ihnen auf den „Zeigefinger“ geschaut und nicht dorthin, wohin dieser zeigte. So wurden die späteren Generationen mehr und mehr von geistiger Blindheit betroffen.

In den Psalmen wird erwähnt, dass der Ewige unsere Welt festgegründet hat, deswegen wackelt sie nicht. Die Baumeister wissen, dass man stabile Pfeiler für ein gutes Fundament braucht. Wenn man die Pfeiler über der Oberfläche stehen lässt, werden sie als Säule, Amud, betrachtet. Wenn wir am Schabbat die Torarolle kleiden, singen wir oft die Wörter von Schimon ha-Zaddik aus Pirkej Awot, Sprüche der Väter: „Al Schloscha Dewarim ha-Olam omed al ha-Tora, we-al ha-Awoda, we-al Gemilut Hasadim“, „Auf drei Gegenständen / Tatsachen / Säulen steht die Welt fest: auf der Tora; auf dem Gottesdienst und auf den guten Taten“. Die sind die Säulen, die laut, Schimon der Gerechte, unsere Welt im Gleichgewicht halten, lassen sie nicht wanken und in dem Abgrund stürzen. Die Gotteslehre, Tora, ihr Studium; das Handeln mit ihr im Einklang, der Gottesdienst; und die gute Taten, welche das alles umrahmen, lassen diese Welt existieren. Zu guten Taten zählten unsere Weisen unter anderen: Bräutigame zu erfreuen, d. h. den ärmeren Menschen beim heiraten und Gründung der Familie zu helfen; Hinterbliebenen zu trösten, d. h. helfen Trauer zu überwältigen; Kranke zu besuchen, d. h. Menschen in ihrer Not nicht allein zu lassen und bei ihrer Genesung zu unterstützen; Gestorbenen zu beerdigen, d. h. tatkräftig und finanziell.

So kann jeder von uns sich fragen, habe ich dazu beigetragen, dass diese Welt besteht oder habe ich sie aus dem Gleichgewicht gebracht?

In diesem Jahr stimmen die Monate des gregorianischen Kalenders, die sich nach dem Sonnenlauf richten, bisher fast genau mit den Monaten unseres jüdischen Kalenders überein, der sowohl die Sonne als auch die Mondphasen berücksichtigt. Es findet eine langsame Verschiebung statt. Aber der Monat Juli 2022 entspricht fast Tamuz 5782. Im Tamuz haben wir aber ein denkwürdiges Datum für uns, das von unseren Weisen vergangener Generationen festgelegt wurde, Zichronam le-Weracha, der 17. Tamuz. Dieses Datum ist, wie die anderen drei denkwürdigen Trauerdaten, der Zerstörung des Tempels, Beit ha-Mikdasch, und Jerusalem gewidmet, was wiederum mit dem Verlust des jüdischen Staates in Verbindung gebracht wird und die Entfernung der göttlichen Gegenwart, Schechenah, symbolisiert. Die Trauer über die Zerstörung Jerusalems, basierend auf der Sehnsucht nach der Stadt, trug zu dem Wunsch bei, das Verlorene wiederherzustellen und die heilige Stadt wieder aufzubauen. Dies wurde ein Teil der jüdischen Seele – „Im Eschkachech Jerushalajim, Tischkach Jemeni; Tidbak Leschoni Le- Chiki, Im Le Ezkerechi, Im Lö Aale Et Jerushalajim Al Rosch Simchati“, „Wenn ich dich vergesse, Jerusalem, so soll meine rechte Hand verdorren! Meine Zunge klebe an meinem Gaumen, wenn ich deiner nicht mehr gedenke, wenn ich Jerusalem nicht über meine höchste Freude setze“ (Ps 137,8).

Fünf Katastrophen trafen unser Volk an diesem Tag:
Moshe Rabbeinu brach die ersten Tafeln des Bundes, die vom Allmächtigen selbst hergestellt wurden, als die Israeliten um das goldene Kalb tanzten;
König Menasche ben Hizkijahu errichtete im Tempel eine Statue eines Idols und brachte ihm Opfer dar;
Die täglichen Opfer im ersten Tempel hörten auf;

Die Stadtmauer von Jerusalem wurde von den Babyloniern durchbrochen; Apostumus, der griechisch-syrische Herrscher, verbrannte die Thora-Rolle vor allen;
Jeder dieser oben aufgeführten Gründe erzählt uns davon, wie das jüdische Volk seine Verbindung zum Schöpfer verlor, nebenbei Segen suchte, seine Pflichten nicht erfüllen konnte, die Werte der göttlichen Lehre, der Tora, herabsetzte.

In diesem Jahr fällt dieses Datum auf den Schabbat, sodass das Fasten auf den nächsten Tag, den 17. Juli, verschoben wird. An diesem Tag ist es üblich, von morgens bis abends zu fasten. Aber der Prophet Sacharja (8, 19), der den Allmächtigen zitiert, sagt, dass unser Fasten Tage der Freude, des Feierns und des Spaßes sein werden, wir nur die Wahrheit und den Frieden lieben sollen.

Am ersten Wochenende des Monats Juni geht unsere Omerzählung zu Ende und wir feiern das Fest Schawout. Sieben volle Wochen sind vergangen, seit wir Matze gekostet haben. Sieben mal Sieben sollten die Kinder Israel in der Wüste Sinai zählen, damit sie an dem fünfzigsten Tag den Bund schließen und die Gotteslehre, Tora, wahrnehmen konnten. Maamad har Sinai, die Ereignisse am Berg Sinai, sind nicht nur in die jüdische Wahrnehmung eingeprägt, sondern in der Menschheitsgeschichte als die Offenbarung am Berg Sinai bekannt. In jedem Fall, gilt dieses Datum als klarer Schnitt für religiös denkende Menschen. Es gibt davor und danach. Die orthodoxe Sichtweise sieht darin das einmalige Geschehen in der Weltgeschichte, welches jeden Tag von uns weiter und weiter entfernt wird. Die liberale Betrachtung nimmt es als den Anfang des Gespräches zwischen dem Ewigen und der Menschheit, was zu einem laufenden Prozess wird. Deswegen benutz man das Wort Progress oft dazu, auf die alltägliche Entfaltung eines Sachverhalts hinzudeuten. So oder so, wird bei jeder Betrachtung der Ewige nicht nur als Gesetzgeber, sondern auch als Lehrer gefeiert, weil Er seine Lehre an Mosche weitergereicht hat. Der Letztere bekommt sogar den Beinamen, Rabbejnu, unser Lehrer - denn er hat den Auftrag bekommen, die Lehre unter den Kindern Israels zu verbreiten. Hier wäre es passend, den Lehrer oder die Lehrerin zu ehren die den Beruf ausüben, den der Ewige sich zu eigen machte. Jeder Staat hat seinen eigenen Tag, an dem sie die Lehrer ehren. Für uns, Juden wäre Schawuot ein passendes Datum. Im Gegensatz hat das Volk sich verpflichtet die Gotteslehre zu studieren. „…We-Talmud Tora ke-neged kulljam“, „…doch das Toralernen wiegt alles auf“, rezitieren wir am Morgen beim Gottesdienst aus dem Traktat Schabbat 127a im Babylonischen Talmud. Hier wird Toralernen anderen Geboten gegenüber gestellt, die den Menschen einen Anteil in der zukünftigen Welt versprechen. Wir studieren die Gebote nicht nur um uns die Zeit zu vertreiben, dies ist das Anliegen der Akademiker an Universitäten. Wir studieren sie, um die Gebote besser in Einklang mit unserem Leben bringen zu können. Unsere Vorfahren haben am Berg Sinaj Naasse we-nischma“ gesagt, „wir werden machen und hören“. Die Gotteslehre ist kein rein theoretischer Stoff, sie ist die Gebrauchsanweisung für unsere Welt. Das Schließen des Bundes beinhaltet die Praxis der Lehre und nicht ihr Bekenntnis.

Am 8. bzw. 9. Mai wird in einigen europäischen Ländern der Tag der Befreiung vom des S Faschismus gefeiert bzw. der Sieg über den Selben. In diesem Jahr findet diese Veranstaltung zum 77. Mal statt. Wenn wir 40 Lebensjahre einer Generation als ihre Aktivität rechnen, dann gibt es jetzt einen Übergang zur 3. Nachkriegsgeneration. Jede dieser Generationen hat ihre eigene, unterschiedliche Einstellung zu den Ereignissen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dies geschah nicht nur aufgrund der Tatsache, dass die Geschichte ständig neu umgeschrieben wurde, was den Blickwinkel auf die Rolle bestimmter politischer  Persönlichkeiten  veränderte,  sondern  auch  aufgrund  der  sich s t ä n d i g ä n d e r n d e n w i r t s c h a f t l i c h e n u n d p o l i t i s c h e n R e a l i t ä t e n d e r Nachkriegsgesellschaft.

Infolgedessen ist die Welt heute bereit, wieder auf denselben Rechen zu treten wie im letzten Jahrhundert. Faschismus blüht in einigen Ländern, Verherrlichung des Faschismus in anderen. Und die Politiker vieler Länder streben mit aller Macht danach, die gesamte Menschheit mit dem möglichen Einsatz von Massenvernichtungswaffen in einen blutigen totalen Weltkrieg zu stürzen. Gleichzeitig dient jeder von ihnen dem höchsten edlen Ziel und denkt naiv, dass diese Katastrophe an ihm selbst vorbeigehen wird.
Wenn ich mir alles ansehe, was gerade passiert, erinnere ich mich natürlich an den sogenannten Krieg von „Gog und Magog“, der laut unserer Propheten und Weisen am Zeitenende stattfinden solle. Richtiger wäre es den Krieg von "Gogaus dem Land Magog" zu nennen, wir wissen dies bereits seit der Zeit des Propheten Yechezkiel. Diese Charaktere sind im Laufe der Jahrtausende zu bekannten Namen geworden und finden sich nicht nur in der christlichen Bibel in der Offenbarung von Johannes dem Theologen, sondern auch unter Muslimen in ihrem heiligen Koran. Viele Völker wurden im Laufe der Geschichte mit diesen Charakteren identifiziert. Nach unseren Quellen sind dies sehr grausame und blutrünstige Völker, und daher soll die Mehrheit der Menschheit als Folge dieses Krieges sterben. Nur das Eingreifen des Allmächtigen wird das Blutvergießen stoppen und die Überreste der Juden und anderer Völker retten.

Nicht die blutigen Details des letzten Krieges beschäftigten die Köpfe unserer Vorfahren, sondern die Möglichkeiten, einem bösen Schicksal zu entgehen und die persönliche Rettung. „Was ist zu tun und wie soll man handeln?“, fragten sie unsere Weisen. Rabbi Eliezer beantwortete diese Frage: „Lassen Sie eine Person die Tora studieren, Limmud ha- Tora, und gute Taten tun, Gemilut Chassadim.“ Aus diesem Spruch wird deutlich, dass nur eines von beidem nicht ausreicht. Es ist notwendig, die Tora zu studieren und sie durch gute Taten zum Leben zu erwecken, indem man anderen Menschen hilft. Und es scheint, dass die gute Taten, die aber von der Tora isoliert sind, sich am Ende nicht als solche herausstellen werden. Wenn wir einen großen Krieg vermeiden wollen, müssen wir auf Anraten von Rabbi Eliezer handeln.

Heute sind die ersten zehn Märztage gerade zu Ende gegangen und in einer Woche feiern wir Purim, aber unsere Gemeinden beginnen bereits mit den Vorbereitungen für Pessach. Damals,  als  Matza  in  den  Synagogen  gebacken  wurde,  sogar  noch  vor  einem Jahrhundert, am Schabbat vor Beginn des Monats Nissan, kündigte man das Sammeln von Mehl zum Backen der Matzot, Kimcha de-Pisscha, mit Pessach-Mehl, an. Heute backen wir natürlich nicht mehr selbst, sondern bestellen Matzot bei Bäckereien in Israel. Dazu müssen Sie eine Vorbestellung aufgeben und warten, bis diese zu uns gebracht wird, damit wir später, kurz vor den Feiertagen, Matza in den Gemeinden kaufen können. In  unseren  Siddurim,  Gebetsbüchern,  wird  der  Pessach-Feiertag  Seman  Cherutejnu genannt, die Zeit unserer Freiheit. Zu Beginn der Haggada singen wir, dass wir jetzt Sklaven sind, Awedej, aber nächstes Jahr werden wir frei sein, Bnej Chorin. Dieser Satz bezieht sich auf das Hebräisch aus der Zeit der Mischna, die ersten Jahrhunderte der neuen Ära. Einer meiner Lehrer, Rabbi Tovia Ben-Chorin, erzählte, dass sie in ihrer Kindheit  in  der  Schule  über  diese  Sätze  gelacht  haben,  da  Chor  im  modernen Hebräischen  zunächst  einmal  ein  Loch,  eine  Grube,  bedeutet.  Sozusagen  in  der wörtlichen Bedeutung von  Bnej Chorin wird es wie -Kinder der Löcher- klingen. In diesem wörtlichen, kindgerechten Verständnis stecken Funken tieferer Bedeutung. Denn ein Loch beschreibt einerseits das Aufbrechen von etwas Ganzem, andererseits bedeutet es die daraus resultierende Leere, als Abwesenheit von etwas.

In Pirkej Awot, den Sprüchen der Väter, der Mischna, die wir zwischen Pessach und Schawuot studieren, heißt es aus den Worten von Rabban Gamliel, dem Sohn von Rabbi Jehuda ha-Nassi: „… Viele Güter, viel Sorgen…“(P.A. 2, 7). Die Güter, die wir Jahr für Jahr erwerben, erfordern Sorgfalt von unserer Seite, und dementsprechend widmen wir ihnen mehr Zeit und Mühe. Je mehr Zeit und Mühe darauf verwendet wird, desto abhängiger werden wir. Unsere Vorfahren, die in Mizrajim, Ägypten, lebten, waren die ganze Zeit über mit Besitz überwuchert, der es ihnen trotz der täglich zunehmenden Unterdrückung durch die Ägypter und Aufseher nicht erlaubte, das Land ihres Wohnsitzes zu verlassen. Selbst als Mosche zu ihnen kam, um sie aus der ägyptischen Unterdrückung herauszuholen, war das jüdische Volk so in jener Kultur verstrickt, dass es nicht einmal glaubte, dass sein Befreier gekommen war. Der Pharao wollte niemanden irgendwohin gehen lassen und auf seine Auserwähltheit und seinem Geburtsrecht beharren. Erst nach zehn Plagen mit der völligen Zerstörung seines Landes erkannte er das Recht der Juden an, dem Ewigen in der Wüste zu dienen.

Die Söhne Israels selbst brauchten vierzig Jahre, um die „ägyptische Unreinheit“ loszuwerden. Wie unsere Weisen lehrten: man kann Ägypten in einer Nacht verlassen, aber es dauert vierzig Jahre, Ägypten aus sich herauszupressen. Nur wenn der Stoff des Seins durch die Bildung von Leerstellen zerrissen wird, kann ein Mensch einen Vorgeschmack auf Freiheit erlangen. Und um Freiheit zu erlangen, braucht er mehr Zeit. Pessach ist nur der erste Schritt in Richtung Freiheit.

Wenn ich meinen Terminkalender für den Monat März anschaue, sieht dieser ziemlich voll aus. Denn zu den regulären Terminen und Freuden kommen noch ein paar mehr dazu. In diesem Jahr feiern wir Purim am 17. März. Es ist noch nicht klar, aber wahrscheinlich werden die großen Feierlichkeiten in den Gemeinderäumlichkeiten ausfallen. Obwohl es für den einen oder anderen selbstverständlich ist , macht es Dritten schon zu schaffen, dass die großen gemeinsamen Feierlichkeiten ausfallen. Hier kann ich nur betonen, dass die jüdischen Feiertage in erste Linie so ausgelegt sind, in der Familie und der näheren Umgebung zu feiern. Wenn es die Situation zulässt, kann man es dann auch in größeren Zügen gestalten - mit Konzerten und Gelage. Aber dies ist nur Luxus und kein Muss. Denn Muss ist es, zuhause in der Familie und im eigenem Herz zu feiern, auch wenn draußen Pest ist oder Krieg herrschen würde. Selbstverständlich wird es während der Ssakana, unmittelbare Lebensgefahr, vorübergehend ausgesetzt. Der Grund dafür  ist, dass unsere Feiertage, Tage der Besinnung sind. Sie haben ihren Schwerpunkt, äußere Gestaltung und die mit den Feiertagen verbundenen Mitzwot, Ge- und Verbote. Die Letzten haben den Zweck, nicht nur den Inhalt zu vermitteln, sondern unsere Verbundenheit mit dem Feiertag zu vertiefen.

An Purim haben wir als Erstes das Lesen der Megilat Ester, Esterrolle. Wir wären keine Juden, wenn wir mit dieser Mitzwa, Gebot nicht locker umgehen könnten. Schon im Talmud lesen wir die Auslegungen, wann genau man diese Geschichte lesen soll, um das Gebot rechtsgemäss zu erfüllen. Dort werden verschiedene Varianten vorgestellt, die aus unterschiedlichen Ausgangspunkten hervorgehen. Handelt es sich dabei um ein Dorf, kleine Kreisstadt oder Metropole, werden unterschiedliche Antworten und Bräuche geliefert, die mit dem Alltagsleben der Menschen verbunden sind. Aber es wird Niemand davon befreit, sogar mehr noch, wenn Frauen sonst in der traditionellen Weise von der Toralesung oder sogar vom Beten befreit sind, hier sind sie verpflichtet nicht nur zu hören, sondern auch selbst zu lesen.

Das nächste Gebot lautet Mischloach Manot, Senden von Speisen, viele von uns kennen dies aus der Kindheit auf Jiddisch als Schlachmones. Hier wiederum geht es um den Plural, d. h. mehrere Speisen sollen einander zugeschickt werden. Die Weisen des Talmuds erzählen, wie der eine oder andere dies erfüllt hat. Dabei wurden über die Mengen, die Qualität und Art der Speisen oder Getränke diskutiert. Wir dürfen auch nicht die Matanot la-evjonim, Geschenke für Bedürftige, vergessen. Auch die Schwächeren  in der sollten die Möglichkeit bekommen, die Freude an dem Tag zu spüren und die oben genannten Gebote zu erfüllen. Wieder wird in der Pluralform gesprochen, um zu betonen, dass es mindestens  zwei Menschen sein müssen, an welche die Bescherung gehen soll. So verpflichtet uns das jüdisches Leben als Erstes für Feiern in den Familien und im Freundeskreis. Wir feiern zusammen mit denen die uns nah stehen und vergessen nicht an die jüdischen Nachbarn und Bedürftige zu denken, auch sie sollten  ein Anlass haben, sich an den Feiertagen  zu freuen.

Ich hörte, dass viele unserer Gemeindemitglieder immer noch das „sogenannte“ Neujahr mit dem Klang des Glockenspiels des Moskauer Kremls feiern oder auf die Rede des Präsidenten des Landes warten, dessen Staatsbürger sie waren oder sind, damit sie später die Sektgläser erheben und anstoßen können. Oft sind die Tische noch voll mit sorgfältig gekochten Gerichten, die dann später mit Appetit verzehrt werden. Einerseits kann ich die ältere Generation verstehen. Das Leben in der Sowjetunion, wo Religion per se außerhalb des Gesetzes stand und alle anderen Feiertage ideologisch motiviert waren, hatte das Feiern des einzigen, unbelasteten landesweiten Feiertags, dem tagelanges Herumlaufen in den Läden und Lagerhäusern und das stundenlange Stehen der Hausfrau am Herd vorausgingen, ja dieses Feiern hatte einen ganz eigenen Wert. Obwohl zweifellos in einigen Clicken nicht nur betrunkene Freunde Lieder sangen, sondern auch auf die regierende Partei und auf Lenin und auf Stalin angestoßen hatten...

Aber ich sehe in diesen Aktionen immer noch Parallelen zu unseren jüdischen Feiertagen. Nehmen wir zum Beispiel Pessach, "Ma nishtana ha-Layla ha-ze, mi kol ha-Leilot?". Wir singen in der Pessachnacht: "Wie unterscheidet sich diese Nacht von den anderen Nächten?" Und diejenigen, die mit der Tradition vertrauter sind, singen auch noch "Vayehiba-hatzi ha-laila ...", "es geschah um Mitternacht". Man meinte natürlich nicht das Schlagen der Uhr an der Wand, sondern den Tod des Erstgeborenen und die Befreiung des jüdischen Volkes aus der jahrhundertlangen Sklaverei. An Feiertagen reinigen wir auch unsere Häuser von Hamez und bereiten Mazot und koscheres Essen für die festliche Tafel zu, damit der Seder möglichst weit nach Mitternacht ausgedehnt wird. Im Gegensatz zu „...russischem Salat, Vinaigrette, Sülze, und erst dann Fisch...", lautet es in unserer Ordnung "...Kiddusch, Händewaschen… Matza brechen, Geschichte über den Auszug aus Ägyptens erzählen…“. Man muss mindestens vier Gläser Wein trinken, und auf den anstoßen, der das alles für uns getan hat. Und am Ende des Seders, weit nach Mitternacht, öffnen wir unsere Haustür und brüllen in die ganze Nachbarschaft, wie ein besoffene Bauer „Schefoch Hamatcha…“. Natürlich sind keine Tänze vorgesehen, aber ein echter Chassid ist immer bereit, dem Schöpfer in einem Tanz zu verherrlichen.

Und statt „in das Buch des Lebens für das nächste Jahr eingeschrieben zu sein“ zu wünschen, wünschen sie laut sowjetischer Tradition ein neues Glück. Aber wenn ein Mensch glücklich ist, dann reicht es das „alte“ Glück. Das ist schließlich keine Frage des Habens, sondern des Seins. Und aus der Sicht der anderern Wünsche ist alles umsonst, denn unser Jahr hat bereits mehrere Monate gedauert und alles, was in dieser Zeit passieren soll, war zu Rosh ha-Schana bereits festgelegt.

Im Kern ist es wie eine leere Hülle ohne Inhalt, ein Schatten der großen Feiertage. Aber wenn wir den Schatten sorgfältig betrachten, können wir anhand seiner Umrisse dem Verständnis über das Objekt, das ihn wirft, näher kommen.

Seit dem 15. November dieses Jahres haben wir eine neue Landesregierung, und zu Mitte Dezember sollte auch eine neue Bundesregierung an der Macht sein. Jede Regierungspartei strebt danach ihre Versprechungen an die Wähler und die Ziele umzusetzen, die sie in den Koalitionsvereinbarungen festhält. Nicht alles was dort festgeschrieben wird, kann man in einer Legislatur verwirklichen. Einiges bleibt auf der Strecke liegen. Nicht Wenige unserer Gemeindemitglieder haben die Veränderungen in den Regierungskreisen mit Sorge verfolgt, wo jede Veränderung als Gefahrenpotenzial und Instabilität wahrgenommen wird.

Unsere Weisen warnten uns - jede Machtveränderung genau zu beobachten, denn noch vor 250 Jahren konnte es mit Vertreibung verbunden sein und vor weniger als 90 Jahren führte es zu totaler Vernichtung. Gottseidank sind diese Zeiten in der Vergangenheit geblieben und wir hoffen, dass sie nicht wiederkehren. Immerhin ist es die Anordnung unserer früheren Generation für die bestehende Regierung zu beten, obwohl nicht jeder dort den Ewigen als seine bzw. ihre leitende Kraft anerkennt. Denn in unseren Gebeten bitten wir den Allmächtigen diese Menschen mit Verstand und gutem Herz zu beschenken, damit sie mit Weisheit und Ansicht für das Wohlergehen aller handeln. Das Judentum erkennt die Taten der Menschen an und nur nach denen wird eine Person beurteilt. Woran diese Person zu glauben scheint, spielt dabei eine Nebenrolle. Deswegen liegen im Grunde des Judentums 613 Mitzwot, Ge - und Verbote.

Diese Auslegung, um das Wohlergehen der Regierenden, liegt scheinbar im Widerspruch zu den Geschehnissen im zweiten Jahrhundert vor der neuen Zeitrechnung, zur Zeit der Makkabäer Kriege. Damals als Antiochus Epiphanes, der Glänzende (auch Epimanes, der Rasende genannt) an die Macht kam, wollte er sein Reich stark und einheitlich machen. Dadurch wurde es unseren Vorfahren verboten, unseren Lehren, Gesetzten und Bräuchen nachzugehen. Vielmehr sollten sie den hellenistischen Traditionen und Weltanschauungen folgen. So spaltete sich das jüdische Volk, indem Einige des Königs Gunst anstrebten und Andere der Tradition der Väter treu blieben. Es entfaltete sich ein Bürgerkrieg. Die Flamme dieses Krieges loderte über Judäa. Es war ein Kampf zwischen radikalen aufgeklärten „Globalisten“, die die Zukunft des Volkes im skeptischen Hellenismus sahen, und denen, die ihre lebendige Glaubensreligion mit der hellenistischen Philosophie zu verbinden versuchten. Im Jahre 164 vor der neuen Zeitrechnung war das erneuerte Judentum in den Flammen des Einweihungsfestes, Chanukka geboren. Jahrhunderte später wird es zum rabbinischen Judentum wachsen, das bis heute unser Leben prägt.

Das Wort Chanukka kann man direkt in der Bedeutung - Einweihen verstehen und als ein Akronym Chanu, d. h. sie ruhen, und ka - am 25. Die beiden Lesarten beziehen sich auf das gleiche historische Ereignis: die Wiedereinweihung des 2. Tempels im Jahre 164 v. n. Ztr. in Jerusalem, welches wiederum mit den Feierlichkeiten und mit der Beendigung des Unabhängigkeitskriegs verbunden ist. Selbstverständlich etablierte sich der Feiertag als der Unabhängigkeitstag des Königshauses Hasmonean etwas später - im Laufe der Jahre. Mehr als 200 Jahre waren die Nachkommen dieses Hauses an der Macht und ihre familiären Kämpfe um die Krone und Macht, haben den Jüdischen Staat vernichtet. Nach dem letzten Aufstand und seiner Niederlage im Jahre 135 n. n. Ztr. haben unsere Weisen die Erinnerungen an diese Dynastie und ihre Errungenschaften aus dem Volksgedächtnis entfernt. Denn drauf zu bauen könnte das vollständige Vernichten des jüdischen Volkes herbeiführen. So akzentuierten unsere Weisen die Tatsache, dass die Kohanim, Priesterschaft, keinen Anspruch auf das Königreich haben. Diese Gewaltentrennung pflegen wir und pflegen unsere Gemeinden weltweit noch heute.

Die Hasmonean haben der Gunst der Stunde genutzt, lokale Kriege gewonnen, den Tempel gereinigt und dem jüdischen Volk die Selbstbestimmung erhalten. Durch Jahrhunderte haben sie die neuen Bräuche etabliert und die Liebe des Volkes gewonnen. Trotzdem scheiterten sie und kamen für fast zweitausend Jahre in Vergessenheit, was ihre Taten betraf. Das Land war verwüstet und öde.

Heute in der Politik, kommen die Parteien nicht selten an die Macht, wenn die Wähler ihre Stimmen als Vertauensquote nutzen. Man schmiedet Allianzen und Koalitionen, um die Interessen der Mehrheit zu verwirklichen. Die Oppositionsparteien entwickeln eigene Lösungen - parallel dazu. Die große Kunst und die Herausforderung, die wir von den Hasmonean heute lernen können, besteht darin, nicht an die Macht zu gelangen, sondern das Land so zu regieren, dass es bei einem großen Teil der Bevölkerung Anerkennung und Zuspruch findet. Das Neue - das durch die eigenen Handlungen etabliert wird, soll nicht nur akzeptiert sein, sondern mit Freude verwirklicht (werden). Und falls man nicht länger an der Macht ist, bleibt es auf Dauer bestehen.

Immer häufiger fragen Menschen sich und untereinander, wo die Grenze der Toleranz verlaufen soll. Auf solche Frage ist es schwierig pauschal zu antworten, denn bei jedem einzelnen liegt diese Grenze irgendwo anders, auch die Kulturen, Gesellschaften und Religionen zeigen ihre eigenen roten Linien. Oft braucht man ein Erlebnis oder gewisse Begegnungen, um sich wieder an die eigene rote Linie erinnern zu können.

Im Tischreidieses Jahres, das unter dem Motto: „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ stand, nahm die Schweriner Gemeinde an dem Projekt Sukkot XXL teil. Mit den Gemeindemitgliedern und verschiedenen Akteuren aus der Gesellschaft bauten wir gemeinsam die Ssukka, Laubhütte im Burggarten und boten viele tolle Veranstaltungen und Gesprächsrunden an, wo wir gegenseitigen Respekt, gelebte Toleranz und einen würdigeren Umgang mit den Andersdenkenden zum Ausdruck brachten. An dieser Stelle bedanke ich mich bei allen Schwerinern, die daran teilgenommen haben. Innerhalb dieser Woche gab es zahlreiche Begegnungen mit den unterschiedlichen Bewohnern und Gästen unserer Landeshauptstadt. Dadurch wurden verschiede Ansichten ausgetauscht, wie und wo im Leben jeder seinen eigenen Zugang zum Ewigen findet: für einen nicht Juden spielt Jesus dabei eine Rolle, für andere nicht Juden Mohammed. Wobei auch innerhalb einer Glaubensgemeinschaft, seien es Juden, Christen oder Muslime, existieren unterschiedliche Pfade zum Schöpfer. Insgesamt konnte durften wir erleben, dass unsere Gesellschaft bunt gemischt ist und eine große Mehrheit mit den Unterschiede, die Andere mitbringen, umgehen kann.

Eine der Begegnungen hat mich daran erinnert, wo die Grenze meiner eigenen Toleranz verläuft. Dies ist der alt bekannte Judenhass, der sich unter der Maske des „christlichen“ Antijudaimus versteckt. Die alte Pest, die seit 325 nach der neuen Zeitrechnung entbrannte, ist zum Teil noch sehr lebendig unter den Vertretern einiger Kirchen. Zwei ältere Damen, meiner Schätzung nach zwischen 60 und 70, traten in die Laubhütte herein mit der vorwurfsmässigen Anfrage: „Wie ich mit meiner Schuld lebe?“. In der ersten Sekunde dachte ich, sie sind von der DB, die den Betrag für meine Bahnkarte nicht abbuchen konnte? Nein, das Anliegen der Damen war simpel, denn jeder Versuch zu klären, dass es unterschiedliche Auffassungen über Schuld, Sünde und Vergehen im Christentum und im Jüdischen Denken existiert, traf auf taube Ohren der beiden. Die jüngere Dame rat mir, „die ganze Bibel bis zum Ende zu lesen“, die arme Seele hatte keine Ahnung, dass ich einerseits gelernter Religionswissenschafter bin, der mit den heiligen Schriften anderer monotheistischen Religionen vertraut ist, andererseits, dass unsere, Hebräische Bibel, TaNaCh, mit den 2. Buch der Chronik zu Ende ist. Ihr vager Hinweis auf die Bergpredigt, welche uns Juden etwas neues offenbaren soll, wie etwa „… Ich aber sage euch: „Liebt eure Feinde und betet für die…“ “(Mat. 5, 43-44) offenbart mir nur eins, dass der Verfasser bzw. Prediger, zwar etwas aus der Tora gelernt hat, aber mit gewissen Lücken und falschen Deutungen. Denn im 3. Buch Moses 19, 18 steht: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der Herr“(laut Luther). Woher kommt die Verdrehung in  (Mat. 5, 43)  „… und deinen Feind hassen“, anstatt wie im Originaltext„…ich bin der Ewige“, diesen Fakt haben die beiden Frauen bestimmt nicht gewusst. Vielmehr lernt die Tora„Wenn Du den Rind oder Esel deines Feindes begegnest, die sich verirrt haben, so sollst du sie ihm wieder zuführen. Wenn du den Esel deines Widersachers unter seiner Last liegen siehst, so lass ihm ja nicht im Stich, sondern hilf mit ihm zusammen dem Tiere auf“(2. Mose 23, 4-5). Eines haben sich diese Damen nicht getraut über ihre Lippe zu bringen, dass unsere Schuld nicht nur darin bestünde, dass Jesus für uns keine Rolle im Leben spielt, sondern auch daran, dass wir ihm angeblich verraten und gekreuzigt haben. So, entsprechend ihrer Lehre, wünschten sie mir und den anderen Anwesenden Frieden, denn Ihr Messias lehrte sie ihre Feinde zu segnen: laut Lukas 6. 28. Um im Narrativ ihrer Schriften zu bleiben…und ich Ihnen sage: „solche Frauen und Männer wollten die Juden vor 1700 Jahren aus den öffentlichen Ämtern verdrängen. Die mecklenburgischen Juden wurden von solchen Judenhassern in Sternberg, um 1492, auf dem Berg verbrannt. Diese Art von Gläubigen hat 1819 die Juden in ganz Deutschland geschlagen und geplündert. Solche „Menschenlieber“ haben unsere Eltern und Großeltern in Gaskammern geschickt… heute trauen sie sich nicht mit roher Gewalt aufzutreten und vielleicht hoffen sie insgeheim, dass andere diese dreckige Arbeit für sie tun.“

Für uns gibt es keinen Unterschied, welche Fratze der Judenhass hat : Linke, Rechte, Religiöse, sei es islamistisch oder christlich, bzw. die so genanten „Israel Kritiker“. Jedem von denen werden wir entgegen treten, wie unsere Vorfahren es seit Jahrtausenden taten und tun.

Auf den gregorianischen Monat September fallen in diesem Jahr alle unsere Herbstfeiertage zusammen. Denn der Monat Tischri, des Jahres 5782, beginnt am Abend des 6. Septembers 2021 und am 29. desselben Monats, wird mit der Hawdala Ssimchat Tora beendet. Wir treten mit gesenkten Köpfen und voller Hoffnung vor den Ewigen an Rosch ha-Schana und verabschieden uns mit der Freude und Fähnchen beim neuen Zyklus der Toralesung. In der Mitte des Monats, am 15., beim Vollmond, befindet sich, der Herbstpilgertag, genauer gesagt die Pilgerwoche, der Feiertag Ssukkot. Wenn die anderen Feiertage einen partikularen jüdischen Charakter haben, sind die Herbstfeiertage und besonders Ssukkot, universal. Sogar heute lesen wir während des Festes aus der Tora die Passagen, die sich an die Dankbringung, im Namen der siebzig Völker der Welt, erinnern.

In Deutschland will man dieses Jahr Ssukkot als XXL feiern. D. h. man will die Gesellschaft auf den Ursprung des Festes aufmerksam machen und gemeinsam feiern. Selbstverständlich ist es ein jüdischer Feiertag mit vielen Bräuchen und Mitzwot verbunden, aber zum Unterschied zu Pessach, durfte jede Person am ihm, zu der Tempelzeit, teilnehmen. So möchten wir, dass unsere Laubhütten in diesem Jahr nicht nur von unseren Gemeindemitgliedern und unseren Freundeskreisen besucht werden, sondern von der breiten Bevölkerung. Deswegen wird unsere Schweriner Gemeinde mit der Unterstützung des Vereins „2021 jüdisches Leben in Deutschland“ und mit der Schirmherrschaft unserer Landtagspräsidentin Frau Brigit Hesse eine Ssukka, eine Laubhütte, in dem Geraten des Schweriner Schlosses aufstellen. Sie alle sind herzlich eingeladen, der Mitzwa für die Einrichtung und Gestaltung der Ssukka am 20. September / 14. Tischri um 12.00 Uhr beizuwohnen und zu erfüllen. Innerhalb dieser Woche, kann man nicht nur in der Ssukka sitzen, sondern auch den schönen Garten des Landtags besuchen und dort seine oder ihre Pflicht, in der Ssukka zu wohnen, nachgehen, sondern auch mehr über das jüdisches Leben, seine kulturelle Vielfalt und Verankerung in der deutsche Gesellschaft erfahren. Zusammen mit vielen Beteiligten, Organisationen, Institutionen und Vereine haben wir ein Programm entworfen, welches unseren Gästen ermöglicht ihr Wissen im Bezug auf das jüdische Leben, Kultur und den interreligiösen Dialog zu erweitern. Nur ein Konzert konnten wir nicht in der Laubhütte anbieten, da keiner sich bereit erklärt den Flügel am Schabbat in die Ssukka rein und raustragen. Am 24. findet das Konzert der Preisträger und Preisträgerinnen „Verfemte Musik“ im Goldenen Saal des Neustädtischen Palais (Justizministerium) um 19:30 Uhr statt.

Eines der Hauptprinzipien unserer Tradition ist die Wahlfreiheit. Wahlfreiheit impliziert, dass es entweder mindestens zwei verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl gibt, oder es gibt die Wahl zwischen einer Aktion, Ossé und einer Nicht-Aktion, Lö Taasse. Während der Perestroika-Ära mussten wir in den Geschäften oft auf die letztere Wahl treffe, wenn wir entweder Konserven mit Seetang kauften oder mit leeren Händen nach Hause gingen. Aber konzentrieren wir uns auf das erste Beispiel. Wenn Sie sich für eine Sache entscheiden, steht Ihnen die zweite Option, in der Regel, nicht mehr zur Verfügung. Es ist nicht immer so dramatisch, wie es in der Torageschrieben steht, wo Sie zwischen Leben und Tod, Gut und Böse wählen sollten. Es ist auch nicht unbedingt immer eine Wahl - zwischen „Pest und Cholera". Wir treffen unsere Wahl für etwas, was uns in diesem Moment als angemessener erscheint. Gleichzeitig ist das, was von uns nicht ausgewählt wurde, die sogenannte andere Möglichkeit oder Option, im Bezug auf ihre Eigenschaften nur eine andere, die einfach nicht allen Kriterien dieser bestimmten getroffenen Wahl entspricht.

Die Wahl wird von uns etwas anders wahrgenommen, wenn wir Menschen wählen. Jede Person, die wir wählen, ist ein autonomes Subjekt, das wiederum auch seine Wahl immer wieder trifft. Darüber hinaus hat jeder Kandidat oder Kandidatin seine / ihre eigenen Erwartungen, sodass er bzw. sie, im Falle eines Wahlversagens, dieses als persönliche Niederlage und nicht als Wahl einer anderen Person wahrnimmt.

Dieses Jahr ist aber das Jahr der Wahlen: in der Repräsentantenversammlung der Gemeinde Rostock, im Landtag und im Bundestag. Jede dieser Entscheidungen ist wichtig für das Leben der jüdischen Gemeinden in unserem Land. Wenn Sie diese Zeilen lesen, haben die Wahlen zum Parlament der Gemeinde bereits stattgefunden, und vielleicht wurde der Vorstand bereits gewählt, oder er wird nur noch konstituiert. Wie jedes andere Parlament ist die Repräsentantenversammlung wichtig, weil es dort möglich und notwendig ist, verschiedene kontroverse Meinungen, Machloket, zu äußern, die verschiedene Ecken unseres Lebens beleuchten, aber gleichzeitig darf man nicht vergessen, warum er sich versammelt hat - um das Leben der jüdischen Gemeinde zu organisieren. Machloket le-Schem Schamajim, die Kontroverse im Namen des Himmels, wurde von unseren Weisen immer ermutigt, wie im Beispiel der Streitereien zwischen Schülern der Schule von Hillel, Beit Hillel, und Schülern der Schule von Schamai, Beit Schamai. Elu we-elu diwrej Elohim Hajjim, diese und diese (Worte) sind die Worte des lebendigen Gottes. Gleichzeitig warnten unsere Weisen vor Streitigkeiten im persönlichen Interesse,  wie  es  bei  der  Korach-Gemeinde  der  Fall  war.  Sie  rebellierten  gegen  die Führung von Mosche und forderten persönliche Privilegien. Wir werden darüber in der Tora am 2. Tammuz, am 12. Juni lesen. Aus dieser Geschichte dieses Aufstands wissen wir, dass die Forderungen von Korach und seiner Mitstreiter, obwohl sie gerechtfertigt waren, verfrüht waren und nur auf ihren persönlichen Interessen beruhten. Daher erlitten er und seine Gemeinde, Eda, die Niederlage. Diejenigen Kandidaten, die dieses Jahr nicht erfolgreich sein werden, sollten nicht verärgert sein, ihre Zeit ist noch nicht gekommen. Ich wünsche unserem neu gewählten Vertretern fruchtbare Jahre im Namen des Himmels und zum Nutzen unserer Gemeinden.

„…we-ejin kol chadasch tachat ha-Schemesch“, „…und nichts Neues gibt es unter der Sonne“, sagte Kohelet, Prediger(1, 9). Nach unserer Tradition, ist dieser König, der in Jeruschalaijim, Jerusalem, über Israel thronte, König Schlomo, Salomon. Er war derjenige, der den ersten Jerusalemer Tempel, tausend Jahre vor der neuen Zeitrechnung, erbauen ließ und dadurch den Wunsch seines Vaters, König David, der die Stadt eroberte, und erweiterte sowie den Berg für den Tempelbau kaufte, erfüllt hat. König David, der Gesalbte des Ewigen, war ein Krieger, der mehrere Hunderte von den Philistern selbständig tötete und deswegen nicht würdig war, das Gotteshaus zu bauen, wo Seine Präsenz, Schechina, weilen sollte. Mit dem Namen des Königs Davids ist der Feiertag Schawuot laut unserer Tradition innerlich verbunden. Er wurde an Schawuot geboren und soll auch zu dem Zeitpunkt gestorben sein. Siebzig Jahre hat er gelebt und gewirkt, schon über Dreitausendjahre ist sein Name gepriesen, und viele großen königlichen Familien Europas versuchen ihre Stammbäume mit seinem Namen, durch die jeweiligen Fälschungen, in Verbindung zu bringen. Laut einer der Midraschim, den ich von einem meiner Lehrer gehört habe, war Davids Existenz ein Ausnahmefall. Adam, der erste Mensch, hat seine siebzig Lebensjahre für David gespendet, damit der Letzte den Lauf der Geschichte, Gottesplan entsprechend, korrigiert.

Um diese große Persönlichkeit, Staatsmann und Poet ins Dasein zu berufen, braucht es einen Körper, der hier agieren und die Vorherbestimmung verwirklichen kann. Und dies wäre nicht unsere Tradition, wenn sie sich mit dieser Frage nicht beschäftigt hätte. Deswegen lesen wir zu Schawuot die Megilat Ruth, das Buch (die Rolle) Ruth, welche(s) zu Ehren König Davids vom Prophet Schmuel, Samuel, geschrieben worden war. Hier wird über die Geschichte von Davids Großmutter Ruth berichtet. Einst als Moabiterin geboren und laut unserer Überlieferung im Königspalast aufgewachsen, verließ sie ihren Vater, den moabitischen König Eglon, und das eigene Volk, um mit ihrer Schwiegermutter das Schicksal zu teilen. Ihre berühmten Worte: „… denn wohin du gehest, gehe ich, und wo du weilest, weile ich; dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, sterbe ich, und dort will ich begraben werden…“ wurden schon im Altertum als eine Art Schwur angesehen, welchen Proselyten, Gerim, ablegen.

Am Tag, an dem die Kinder Israels die Torafeierlich bekommen haben, beschäftigen wir uns mit dem Buch, das über eine fremde Frau berichtet, die durch ihre Handlungen zu Stifterin des Königshauses wurde, dessen Ruhm Jahrtausende überlebt. Auf dieses Datum fällt nicht nur Johrzeit des König Davids, sondern auch die Krönung seines Sohne Schlomo und aus diesem Hause sollte, entsprechend der Erwartungen von Millionen Menschen, der Maschiach, Messias eines Tages hervorsprießen.

Bis zum Ende der Menschheitsgeschichte werden die Menschen die gleichen Kreise durchlaufen. Einige wollen unser Schicksal teilen und Ol Malchut Schamajim, das Joch des Himmels auf sich aufnehmen. Andere sind auf uns neidisch, da wir angeblich etwas hätten, was ihnen verwehrt bliebe. Ihre innerliche Unzufriedenheit fließt in die Welt und vergiftet sie. Es gibt auch Hasser, die mit der Macht, die sie haben oder zu haben scheinen, versuchen uns zu vernichten. Immer wieder mussten leider andere Menschen mit ihrem eigenen Leben für deren Motive und Handlungen bezahlen.

Schaulu Schalom Jeruschalajim, Jischlaw Ohawajich“, „Erkundiget euch nach dem Wohle Jerusalems! Wohl geh’ es deinen Freunden!“

Als wir Anfang April Pessach gefeiert haben, haben sich bereits viele von uns auf den kommenden Frühling gefreut. Denn mit der jeden Tag stattfindenden Omerzählung, die uns näher zu Schawuot bringt, sollten die Tage in unseren geografischen Breiten wärmer werden. Und mit der steigenden Sonnenaktivität hofften wir auf das Reduzieren der Coronafälle und die Rückkehr zur Normalität. Leider ist diese Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen und die Menschen blicken in die graue Zukunft, wie in den Himmel an Regentagen. Viele beklagen sich, dass ihre Geduld schon am Ende ist und mit jedem kühlen Apriltag die Gewissheit über die wirtschaftliche Lage schlimmer wird und die existenzielle Angst wächst.

Ähnliche Gedanken sollten in den Köpfen der Kinder Israels gewesen sein, als sie noch in Mizrajim, Ägypten, gewesen sind. Ihre Befreiung an den Pessachtagen hat sie zwar beflügelt, aber der bittere Geschmack der Sklaverei und der Unterdrückung sollte noch lange in ihrer Wahrnehmung bleiben. Damit sie breit sein werden, den Bund mit dem Ewigen zu schließen und auf sich das Joch des Himmels, Ol Malchut Schamajim, zu nehmen, ließ der Allmächtige sie zuerst in der Wüste Sinai weilen. Nachdem sieben Wochen, Schawuot, verstrichen waren, durfte es soweit sein.

Während des kritischen Lesens dieser Stelle aus dem Buch Schemot, Exodus, stellten unsere Weisen, Chazal, fest, dass Mosche eigenständig einen extra Tag zugefügt habe, und der Ewige billigte Mosche‘s Entscheidung. Selbstverständlich sollten diese Zahlen (Sieben mal Sieben) ein Beispiel zur Vollendung der Vollkommenheit darstellen. Dazu lehren unsere Weisen, dass das Erreichen eines Ziels nur stufenweise erfolgen sollte und wir manchmal auch mit einer gewissen Verzögerung rechnen können, ungeachtet unseres Sehnens.

Die Rückkehr der Kinder Israels zur geistigen Freiheit, dauerte bis zu einem gewissen Punkt an, erst dann waren sie bereit, freiwillig in den Bund mit dem Ewigen einzutreten. Ab diesen Tag und weiter sollten sie ihre neu gewonnene Freiheit, im Alltagsleben, wahrnehmen. Diese neu errungene Freiheit war nicht mit Freizügigkeit verbunden, sondern mit  dem  selbstbestimmten Verzicht auf Alles, was aus der Perspektive des Schöpfers für ein gut gelungenes soziales Lebens nicht notwendig ist, oder diesem sogar schadet.

In den letzten Jahrhunderten hat die westliche Zivilisation unter der Prämisse der Aufklärung und Liberalisierung den Menschenkindern viele Freiheiten zugesprochen. Diese gesellschaftlichen Prozesse liefen oft parallel und ohne Rücksicht an Rezipienten, manche fühlten sich davon überrollt, andere wollten dies missbrauchen und manch einer wurde beiseite gelassen. Die Visionen der Gründungsväter, die damals von der Realität weit entfernt waren, sind im Laufe der Umsetzung im Sande verlaufen. Das komplexe moderne Gebilde gleicht einem Patienten auf einer Intensivstation, nicht autonom lebensfähig, auf verschiedene lebenserhaltene Mechanismen angewiesen und schwebt in Gefahr.

Geblendet wie Pharao, klammern wir uns an die eigene Existenz und verpassen die Chance auf die bittere notwendige Restrukturierung der modernen Gesellschaften. Die, die Mizrajim zu verlassen wagten, den stehen schwierige Zeiten bevor, die nur stufenweise zur künftigen Genesung der Menschheitsstrukturen führen können.

Vor einem Jahr befanden wir uns in der ersten Isolation, und diesen April droht uns die dritte Isolation - in unserem jüdischen Jahr 5781. Da die Begrenzung des sozialen Lebens unter anderem die aktive Teilnahme am Gemeinschaftsleben einschränkt, stellt sich dementsprechend die Frage: Wenn der Minjan nicht zusammenkommt, was passiert dann mit der Göttlichen Gegenwart, Schechina in dieser oder jener Stadt? Unsere Weisen stellten in Pirkei Avot, Sprüche der Väter, eine gleichartige Frage. Rabbi Chalafta sagte I’m Kapitel 3:7 folgendes:
„Wo zehn sitzen und sich mit der Tora beschäftigen, da waltet Schechina unter ihnen, wie es heißt: „Der Allmächtige steht in der Gemeinschaft Gottes gegenwärtig“(Psalm 88:1). Was aber ist über die Fünf bekannt?  Denn es heißt: "... Sein Verein hat Er auf Erden gegründet" (Amos 9: 6). Aber über drei [Personen] heißt es: "... in der Mitte von Richtern richtet Er" (Psalm 82: 1). Gleiches gilt für Zwei: „Da besprechen sich Gottesfürchtige einer mit dem andern, und Gott merkte auf und hörte zu ...“ (Meleachi 3:16). Dies gilt auch für Einen, wo gesagt wird: "... an jedem Ort, wo ich Meinen Namen gedacht sein lasse, da komme Ich zu dir und segne dich" (Schemot 20:21).

Im Laufe von zweitausend Jahren haben unsere Weisen diese Mischna selbstverständlich auch mehrere Male kommentiert, aber wenn wir diese Kommentare für das Studium in den Tagen des Omer-Zählens belassen, können wir zusammenfassen, dass die Grundlage für die Anwesenheit des Höchsten inmitten des Volkes Kavana ist, Absichten, sei es von einer Gruppe von Menschen oder sogar von einer einzigen Person, und deren entsprechende Handlung(en). Dies sind zweifellos unsere jüdische Gedanken, die auf Zitaten aus unseren jüdischen heiligen Texten beruhen, die einerseits durch ihre Quelle, die Göttliche Offenbarung, und andererseits durch unsere jahrtausendealte Geschichte geheiligt worden waren. Geschichte ist kein Text oder die Farben auf Seiten eines Buches, sondern das Leben und Schicksale vieler Generationen unseres Volkes, unserer Vorfahren. Da das jüdische Volk nicht nur ein Medium, sondern auch ein Rezipient dieser Botschaft ist, werden die Menschen dementsprechend im jüdischen Kontext betrachtet.

Daher könnten wir die im Titel gestellte Frage mit einem ironischen Ton stellen, um es mit jüdischem Humor zu beantworten... Einsamkeit existiert in der Natur nicht, und selbst wenn man innerhalb der vier Wände des eigenen Heims alleine ist, ist jene Person nicht allein. Die Göttliche Gegenwart, Schechina, ist bereit, eine Person zu besuchen, wenn sie ihr einen Platz im eigenen Leben gestattet. Es gibt nur Menschen, die soziale Kommunikation oder Hilfe bzw. Unterstützung benötigen, da sie selbst nicht mehr alleinezurechtkommen. Und  um  diese  Probleme  anzugehen,  existieren  wir  als  eine Gemeinschaft, in der sich die Schechina in voller Herrlichkeit manifestieren kann.

Die Medien berichten uns immer wieder über die Zahl der Menschen, deren Tod in Verbindung mit Corona steht. Mit dem Coronavirus wurde der Tod und das Ableben in unserer Medienlandschaften präsenter. Deswegen fragen sich viele Gemeindemitglieder, was nach ihrem Tod bleiben wird. Diese Fragestellungen tragen sie auch an mich heran und auch an die Vorstände. Natürlich in den Familien, wo es Kinder und Enkelkinder gibt, werden die Erinnerungen an die früheren Generationen bleiben, und sie werden sich auch um einem würdigen Abschied kümmern.

Was aber passiert mit den Menschen, die als Letzte in ihrer Familie lebendig sind? Solche Menschen sind heute nicht selten. Ein Teil von Ihnen meint, nach mir kann eine Sintflut kommen. Solche Personen werden nach gültigem Recht eingeäschert und anonym auf einem bestimmten Platz auf dem Friedhof begraben. Alles was für diese Menschen wichtig, heilig oder bedeutend war, wird mit  der  Entrümpelung  vernichtet. Auch die Namen dieser Menschen verschwinden und keiner aus der weiteren Verwandtschaft oder dem breiteren Bekanntenkreis kann an einen Ort kommen, um der oder dem Verstorbenen zu beweinen.

Dies ist aber nicht unser Weg! Jede Person hat das Recht auf eine würdige Bestattung und die Erinnerung an seinen/ihren Namen. Deswegen ist es sehr wichtig, dass die Polizei oder der entsprechende Bestatter wahrnehmen kann, dass es sich um eine Person handelt, welche ein Gemeindemitglied der jüdischen Gemeinde ist. Dann kann die Gemeinde eine würdige , unserem Brauch entsprechende Bestattung durchführen. Dies machen wir, wie bekannt ist, immer wieder. Dies ist aber nur ein Teil, den die betroffene Person, noch zu den eigenen Lebzeiten, über das Ableben hinaus, wahrnehmen kann. Es gibt jedoch noch weitere Schritte, die vorab geklärt werden können. Nur Sie können entscheiden, welches Denkmal später auf ihrem Grab stehen sollte. Einige unserer Gemeindemitglieder haben bereits diese Schritte unternommen. Sie suchten sich einen Steinmetz, entwickelten einen Entwurf, der unserem Vorgaben auf dem Friedhof entsprechend ist, und nach Abschluss des Vertrages und der Begleichung der Rechnung, gaben sie der Gemeinde eine Vollmacht, um die Vertragserfüllung zu kontrollieren.

Es ist ein Wunsch von unseren Hassern, dass keine Erinnerung an uns bleibt. Wir lassen ihren Wünschen keinen Platz! Und Sie kümmern sich darum, dass Ihr Name weiter bestehen bleibt.

Als ich diese Zeilen schreibe, war schon bekannt, dass es neue Begrenzungen der Freiheiten gibt, die der Rückläufigkeit der Verbreitung der Coronaviren dienen sollen. Diese waren aber noch nicht in Kraft getreten. Ich schätze, dass das Wort Coronavirus im vergangenen Jahr 2020 das meist genutzte Wort war. Alle Generationen haben dieses Wort in den Mund genommen, angefangen von den Kindern in den KiTas bis hin zu den Bewohner der Altenheime. Jeder nutzte es in seinem Kontext und wählte die entsprechende Beschreibung für die Darstellung des wahrgenommenen Geschehens. Einige benutzten das Word Pandemie, Andere das weniger dramatische Wort Epidemie, und die Dritten haben seine Existenz verneint. Viele wurden zu „Experten der Virologie“, oder konnten endlich ihre Empörung, sogar, gegenüber der Regierung, die mit einigem Hass und Verschwörungstheorien fein gewürzt war, zum Ausdruck bringen. Irgendjemand rannte bei jedem Niesen zum Arzt, um teuere Test durchzuführen, und irgendwer, ging, ungeachtet aller vorhandenen Symptome, zum Tanz und einfach raus, um Spaß zu haben.

Hier möchte ich eine Randnotiz  machen, welche ungeachtet der  vielseitigen wissenschaftlichen Diskussionen, bezüglich der Natur der Viren, mehrere Wissenschaftler die Meinung teilen, dass das Virenreich irgendwo zwischen lebender und nichtlebendiger Natur liegt. Nur wenige tendieren dazu den Viren die Existenz eines eigenen Willen zu zuschreiben. Im Grunde genommen, sind es entweder Parasiten oder Symbiosen, da sie die Zellen eines fremden Organismus für eigene Vermehrung brauchen.

Aber zum Unterschied zu anderen Viren hat das Coronavirus, natürlich unbewusst, unsere eigene und gesellschaftliche Psyche befallen, d.h. die Seelen der Menschen und der Gesellschaft. Dabei wurden die Problemen unserer modernen Gesellschaft, entsprechend seiner Lebensweise, entblößt und offen gelegt. Am meisten „betroffen“ dabei wird unsere, so genannte, Westliche Zivilisation. Ihre Weltanschauung hat die größten Verluste zu verzeichnen. Dort, wo ein Diktator jeden Tag um das eigene Wohlergehen besorgt ist oder verschiedene Krankheiten und Hungersnot Tausende von Leben tilgen, ist das Coronavirus und die mit ihm verbundenen Beschränkungen und Probleme, obwohl es zynisch klingen mag, nur noch eine extra bitterer Wermutstropfen im alltäglichen Kampf ums  Überleben.

Deswegen können wir diesen Virus als gewisse bittere Medizin gegen uns selbst betrachten. Wir, unser asoziales Verhalten, hat zur Verbreitung dieses Virus beigetragen. Egoismus ist bereit alles in seiner Umgebung zu zerstören, falls wir nicht anfangen diesen zum Wohlergehen und zum Wohlstand der Gesellschaft zu benutzen. Begrenzen wir uns, so  retten wir heute ein Leben,  uns morgen retten wird.

"Maji Chanukka?", "was ist Chanukka", fragen unsere Gelehrten im Talmud, nachdem sie fast alle Gesetze bezüglich dieses Feiertages ausdiskutiert haben. Für mich ist es aber interessant, was diesen Feiertag besonders macht. Wenn ich über ihn nachdenke, fällt mir einiges auf. Das ist ein postbiblischer Feiertag, der bis heute in allen jüdischen Häusern gefeiert wird und ähnlich zu den Pilgertagen acht Tage lang dauert. Nicht die historische Tatsache, dass es sich um die erste Ssukkot - Nachfeier, nach der Einweihung des Tempels handelte, ist hier spannend, sondern das Verlangen unserer Weisen nach einer Art Ausgleich für die biblischen Pilgertage, um die vorhandene Lücke im Jahreskreis zu schließen. Und obwohl der Feiertag seinen Status nur als Cholha-Moed,Halbfeiertag, an dem die Arbeitstätigkeit erlaubt ist, innehielt, und dementsprechend einen „geringeren“ Status als biblische Feiertage hat, ist er innerhalb und außerhalb des Judentums einer der bekanntesten jüdischen Feiertage, der Jahrtausende überlebte. Laut unserer Gelehrten waren uns biblische Feiertage als Geschenk gegeben, dagegen haben wir uns die postbiblischen Feiertage selbst verdient. Deswegen bleiben solche Feste wie Chanukka und Purim auch im messianischen Zeitalter erhalten und beliebt. Ich beobachte diese Tendenz in unseren Gemeinden, obwohl wir vom Jammej ha-Maschiach, messianischem Zeitalter, weit entfernt sind.

Die unpassenden historisch politischen Hintergründe des Festes wurden von unseren Gelehrten verbannt. Außerdem haben unsere Weisen kein zusammenhängendes Traktat oder Kapitel über Chanukka in den traditionellen Kodexen hinterlassen. Das Fehlen der normativen Texte hat die Möglichkeit geschaffen verschiedene Bräuche zu etablieren und als Bestandteil hinzuzufügen.

Vor der Haskala, jüdische Aufklärung, und Zionismus hat man sich auf Pirssuma de-Nissa, Verkündigung der Wunder, konzentriert. Die Imperien, Königtümer und Reiche kommen und gehen, menschliches Leben und Sehnen nach Wundern bleibt. Diese Bekanntmachung und die Verbreitung der Botschaft über die Wunder grenzt sich von den traditionell begründeten anderen Feiertagen ab. Diese, laut Massoret, unsere Überlieferung, basieren auf historischen Ereignissen, die nicht selten auf wundersame Art und Weise geschehen sind. Letztere waren immer ein Streitpunkt zwischen den Gelehrten. Sie haben ständig darüber debattiert, dass zum Beispiel die Spaltung des „Roten Meeres“, kein Wunder war, sondern vom Ewigen ein vorprogrammiertes Naturereignis. Die Abneigung gegenüber Wundern als Beweismittel finden wir in der Geschichte über Tanur schel Achnaj(bT. Baba Mazia 59b), dort bei der Diskussion über den Ofen von Achnaj lehnen unsere Gelernten die Wunder als Beweismittel vehement ab.

Die Erzählung im Talmud über das Chanukkawunder mit dem Öl aus dem kleinen Krug, das acht Tage lang brannte, steht im Widerspruch zur rational praktisch angelegten Denkweise. Diese Sicht war hier bewusst platziert, denn bei den rational begründeten Denkweisen der Hellenisten gibt es keinen Platz für Wunder. Alles, was jetzt noch nicht erklärbar ist, wartet auf die eigenen Deutungen, die irgendwann entdeckt und gefunden werden. Dass die so banal alltägliche Substanz wie Olivenöl ein Wunder hervorbringt, sollte unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, dass ein Platz für ein Wunder in unserem Leben immer vorkommen kann. Dies zu erkennen, ist und bleibt heutzutage die Herausforderung.

Es ist schon ein Jahr her, als die ersten Gespräche über die nötigen Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt wurden. Es wurde nach Lösungen und Wegen der Umsetzung gesucht. Viele Akteure waren beteiligt, Papierkram zum Teil erledigt, aber die konkreten, sichtbare Taten, fehlten unseren Gemeindemitgliedern. Es ist oft schwer dem einem oder anderen Mensch zu erklären, da wir in einem Rechtsstaat leben, dass alles nach bestimmten Abläufe durchgeführt werden muss/ sollte. Wir sind nicht in Russland, wo der President seine Macht nutzt um Unrecht zu beugen, und nicht in der Ukraine, wo die Korruption genutzt wird, um ans Ziel zu kommen. Und leider sind wir nicht in den USA, wo ein erfolgreicher Unternehmer aus den Reihen der Gemeindemitglieder eine großzügige Spende überreicht, um die Taten umzusetzen. Ich muss aber auch den Menschen Recht geben, die sagen, dass die Kugeln nicht durch guten Willen und Erklärungen gestoppt werden können. Im Judentum schauen wir auf konkrete Taten, und nicht auf Bekenntnisse. Deswegen sind unsere jüdischen Bücher voll mit Texten, wie wir handeln sollen. Wie sollen die Handlungen durchgeführt werden, damit sie ethischen und moralischen Normen entsprechen?

In den Plätzen, wo man auf die Rechtmäßigkeit beharrt, sollte stets ein Plan B, bzw. Notplan im Auge behalten werden. Dies macht aber unser deutsches System nicht gern, es mangelt ihm an Flexibilität und Spontanität. Deswegen wird man oft von unerwarteten Situationen kalt erwischt. Das Getriebe funktioniert, soweit kein Sand rein kommt. Aber man lernt mit jeder neuen Herausforderung. Jeder Mensch, Organisation, Institution, Land und Staat lernt aus der Situation heraus, wichtig ist dabei, dass auf dem bereits Erlerntem aufgebaut wird und die Erfahrung als Staffel weiter übergeben wird. Dies ist die Bedeutung des hebräischen Wortes Massoret,oder des lateinischen Wortes Traditio- Weitergeben.

Genau darum geht es, was geben wir weiter für kommende Generationen die hier im Land, in einigen Jahrzehnten leben werden. Der - oder diejenige, die nur auf das eigene Leben und Wohlbefinden konzentriert ist, ist schon bereits gestorben und als ob er oder sie nicht existierten.

Unser großer Gelehrter Hillel pflegte zu sagen: „Im ejn ani li, mi li. U-chsche-ani le-azmi ma ani, we-im lö achschaw ejmataj. Wenn ich nicht für mich bin, wer ist für mich? Und wenn ich nur für mich bin, was bin ich! Und wenn nicht jetzt, wann dann!“ (Awot 1,14).

Jeder von uns soll seinen eigenen Anteil an der Arbeit leisten zum Wohle der Gesellschaft und handeln können wir nur jetzt, morgen wird es schon zu spät sein.

In diesem Jahr sind alle unsere Feiertage, die im Rahmen der Gemeinden stattfinden, in „gekürzter“ Form: Die Zahl der zu Verfügung stehenden Plätze in den Synagogen sind begrenzt; Die Gottesdienste sollen für Lüftungen unterbrochen werden; in den Machzorim, Gebetsbüchern, haben wir uns auf die „wichtigeren“ Texte konzentriert und viele geliebte Pijutim, Gedichte aus dem Mittelalter, blieben stumm. Nicht jeder konnte bzw. durfte zu den Feierlichkeiten kommen: einige hatten Angst bezüglich der „zweiten“ Welle; andere können nicht lange Zeit mit der Maske sitzen und es gab auch die Variante, dass jemand keinen freien Platz mehr bekommen hat. Wenn jede Person die Gebete zu Rosch ha-Schana oder zu Jom Kippur auch zu Hause lesen kann und dadurch ihre Pflicht erfüllt wird, ist dies an den Ssukkot - Tagen, während des Laubhüttenfestes, wenn wir die ganze Woche in der Laubhütte wohnen sollten, hier in Deutschland unmöglich. Wenige von uns haben ein eigenes Grundstück, wo eine Hütte errichtet werden kann. Auf den Straßen würden uns die Ordnungshüter zu Kasse bitten und Warnungs- bzw. Strafzettel aushängen. Es bleibt uns dann nur die Möglichkeit auf die vertraute Ssukka in den Gemeinden zurückzugreife. Das Problem wird aber ihre Größe sein. Wenn wir früher dort wie die Fische in einer Sardinendose zusammen gequetscht waren, und dabei die Schultern des Nachbarn spürten, müssen wir in diesem Jahr auf Distanz gehen. Nur in der Reihenfolge und familienmäßig dürfen wir die Sukka betreten... Nun aber können wir uns freuen, dass die Festtage sieben Tage dauern. Alle diese Tage sollen wir in der Ssukka, Laubhütte, Essen verzehren. Deswegen kann  jedes  Gemeindemitglied  oder sogar ein Gast an einem dieser Tage in die Gemeinde kommen, um in der Ssukka, in dieser symbolischen Wohnung eine Stunde zu verbringen. Genau während des Laubhüttenbesuchs sollen wir die Existenz des Einzigen spüren, der ungeachtet der Tatsache, dass unsere Leben schwach und vergänglich ist, immer über uns wacht, Tag für Tag, jede Stunde...

Es ist wahr, dass wir uns nicht immer bemüht haben, seine Gebote zu befolgen. Und im Laufe der Jahrhunderte gab es Einige die sich von dem Erbteil der eigenen Vorfahren abgewendet haben, sei es bewusst oder unwissend. Aber unsere Tradition lebt noch, sie verändert sich, passt sich, wo es möglich ist, an die Veränderungen der Umwelt an, tragend, an die Menschheit, die Botschaft - „Wir sind nicht allein im Universum“. Es geht nicht um „ die grünen Männchen“ oder „andere Intelligenz“. Diese suchen die, die sich selbst verloren haben und die eigene wahre Existenz vergaßen. Es geht um den Schöpfer, BoreOlamim.

Interessanter Weise haben die Ideologen des „Kommunismus“, während sie die Idee des Schöpfers bei der Menschheit geklaut haben, versucht, die Menschenkinder als Schöpfer zu bilden. Dabei wollten sie die Persönlichkeit und Individualität ausrotten. Die Gesellschaft sollte eine Art Schwarm werden, dessen Lebensaufgabe das Überleben und die Weiterentwicklung der eigenen Kolonie, unter der Führung des Pseudokönigs, als leitendes Organ, ist.

Aber die Adepten des „Neoliberalismus“ haben auch den Schöpfer ersetzt. Hier wird die religiöse Weltanschauung zuerst als rein private Angelegenheit eingestuft. Proklamierend der individuellen Freiheiten wurde das Gemeinschaftswesen auf die hintere Bank verschoben. Für einige Individuums hat es an seine Bedeutung sogar verloren.

Aber unser Volk strebte immer zum Gleichgewicht, Weg der Mitte, bejnoni, wo jeder mit seiner Individualität ein Teil des Ganzen ist. Kol Jisrael Arewim ze ba-ze, das ganze Volk Jisrael trägt für einander Verantwortung. Während wir unsere Mitzwot als Privatpersonen ausüben, tragen wir die Verantwortung für die Existenz des ganzen jüdischen Volkes als einen einzigen Organismus. Deswegen sollen wir uns anstrenge, damit die Anderen ihren Teil verwirklichen können.

Ungeachtet der Tatsachen, dass die Welt noch am Abgrund der Pandemie hängt, welche der Coronavirus verursachte, und noch keine allgemein anerkannten wirkenden Gegenmittel parat sind, verbreiten sich allerlei Protestbewegungen, die mit der Unzufriedenheit bezüglich der aktuellen Politik der eigenen Machthabenden, sei es Regierungen bzw. Präsidenten, verbunden sind. Diese Tendenzen konnten wir in den letzten Monaten, wenn nicht schon Jahren, verstärkt beobachten. Führungskräfte dieser oder jener Länder reagieren unterschiedlich auf neue Herausforderungen, die in Proteste und Demonstrationen der eigenen Bevölkerung münden. Manchmal wird mit der vollen Macht des Staates angegriffen, manchmal werden die Ereignisse beobachtet und manchmal schlagen die Protestierenden zu und stiften  Unruhe.

Selbstverständlich begründet und rechtfertigt jede Seite die eigenen Handlungen.  Meiner Beobachtung nach unterscheiden sich, allerdings, die Einstellungen zu solchen Ereignissen entsprechend ihrer Entfernung, d.h. passieren sie im eigenen Land, im Nachbarland oder auf der anderen Seite der Welt. Und obwohl bei solchen Ereignissen in jedem Land viele tausend Menschen involviert sind, sind sie im Bezug auf die allgemeine Bevölkerung, dieses bestimmten Landes, marginal. Wenn wir die Ereignisse die weit von uns entfernt stattfinden, mit Hilfe der Massenmedien beobachten, neigen wir in der Regel dazu, die Demonstranten zu verteidigen, die andere Seite zu verurteilen und in ihr die Ursache aller Probleme zu sehen. Was aber in unserer unmittelbaren Umgebung passiert, wird von uns anders und differenzierter wahrgenommen. Und obwohl wir uns einig sind, dass die Proteste auf die eine oder andere Weise gerechtfertigt seien / sind und einige der Demonstranten ihre echte Besorgnis damit zum Ausdruck bringen, sind die Kräfte, die hinter den Protestbewegungen stecken, meist destruktiv und zielen darauf ab, ihre eigenen Ziele zu erreichen, und dies meist nicht zum Nutzen der gesamten Gesellschaft. Die Protestbewegungen verstärken jeden Tag ihren Einfluss, erschüttern immer mehr die Grundlagen des Zusammenlebens und drohen eines Tages, die ganze Welt um uns herum ins Tohuva-Vohu, ursprüngliches Chaos, zu verwandeln. Was ist die Grundlage dieser sozialen "Feuer", welche  die ganze, durch das Internet verstrickte, Welt umfasst.

Mir fallen zwei Punkte ein: Der Erste ist eine negative Sicht auf die Dinge und alles, was auf der Welt passiert. Vereinfacht können wir es so nennen - „ich wurde benachteiligt und betrogen“. Dies sind die Produkte unseres Neides. Angetrieben von Gier und Eifersucht unseres Ego. All dies macht einen Menschen blind für das Gute, das neben ihm existiert, und was in seinem Leben auch geschieht.

Der Zweite ist die weit und breit proklamierte Idee der Freien Wahl und Selbstbestimmung einer Person. Diskussionen dazu haben im Laufe der Jahrhunderte mehrere Seiten im Talmud und im jüdischen Denken eingenommen. Auch hellenistische Philosophen und ihre Nachfolger widmeten diesem Phänomen viel Zeit. Leider sind alle diesbezüglichen Forschungen für die Mehrheit der Menschen abhandenkommen. Nachdem unsere moderne Gesellschaft auf gesetzgebender Ebene das Recht auf Selbstbestimmung und Freie Wahl proklamiert hat, hat sie andererseits bei dem Einzelnen die Möglichkeit der Selbsterkenntnis und des spirituellen Wachstums mitunter gemindert und den Horizont der breiten Massen auf der Ebene der Grundbedürfnisse hervorgehoben, deren Befriedigung die Weiterentwicklung der Wirtschaft stimuliert. Dieser Teufelskreis kann nur von der Persönlichkeit selbst durchbrochen werden. Wenn sie die Veränderung der Welt von sich selbst beginnt. Dies nennen wir Teshuva, die Rückkehr zum Schöpfer und heute sogar vielmehr die Rückkehr des Schöpfers zu unserer Weltanschauung. Das Vorhandensein dieses äußeren Punktes im Leben eines jeden Menschen wird dazu beitragen, Veränderungen in unserer Welt herbeizuführen. Lassen Sie sich dabei von den bevorstehenden Feiertagen helfen.

Nach der gewaltsamen Verhaftung des Afroamerikaners, Georg Floyds, der zu seinem Tode führte, brachen in den USA Unruhen aus. Über die Tatsache, dass Rassismus in Übersee noch stark verankert ist, wundert man sich nicht, da dort erst in den 70 er Jahren des letzten Jahrhunderts die ersten Diskriminierungsgesetze abgeschafft wurden. Damals gingen mehrere bedeutende Vertreter der amerikanischen jüdischen Gemeinschaft auf die Straße, zusammen mit den Betroffenen. Natürlich bringen die formellen Veränderungen noch keine tiefe Veränderung in der Gesellschaft, dazu braucht es den eigenen Willen, Investitionen und Zeit. Die Veränderung der Weltanschauungen ist ein mühsamer Prozess. Bei der Ausrottung des Rassismus mündet es in gegenseitigen Respekt - ungeachtet vorhandener oder gemeinter äußeren und inneren Unterschiede.

Es ist auch selbstverständlich, dass viele Menschen ihre Solidarität mit  den „Unterdrückten“ zum Ausdruck bringen wollen. Ich habe dies auch, zu meiner Schulzeit, in der Sowjetunion gemacht. Die aber dort gerufenen Parolen machen mir heute aber Sorgen. Menschen, die rassisches Gedankengut weiter pflegen, basieren ihre Weltanschauung auf der Annahme, dass die Unterschiede zwischen den Menschen zur Überlegenheit   der Einen   oder   Anderen   führt.   Natürlich   gehören   sie   dann   zu   den „Besseren“. Dieses Gesellschaftsphänomen gehört zu jeder Gruppe in unserer Gemeinschaftsstruktur und das ist die Ursache von Ausgrenzung und Misstrauen. Kein einziger Mensch bleibt davon verschont, sobald sein eigenes Ego einen großen Platz in seiner Wahrnehmung einnimmt. Deswegen sehe ich persönlich das Motto „Black Lives Matter“, sehr problematisch. Die Vertreter dieser Aussage stellen sich als Gegenpol dar, und es lautet der nicht ausgesprochene Teil - im schlimmsten Fall: „White Lives Don‘t Matter“. „Schwarzes“ Rassismus ist kein bisschen besser als der der „Weißen“

Als zwei Menschen an Jom Kippur 5780, im Oktober 2019, in Halle auf Grund antisemitischen Gedankenguts erschossen wurden, habe ich keine abertausenden Menschen in Berlin gesehen. Auch einige Jahre davor, als in Berlin ein junger Mensch, aus den gleichen Gründen, geschlagen wurde, reichte die Demo nur, um die Fasanenstraße vor dem Gemeindezentrum zu füllen. Auch in der jüngeren Vergangenheit, als der Zentralrat der Juden in Deutschland eine Demo vor dem Brandenburger Tor in Berlin veranlasste, war es nur eine überschaubare Menge. Wenn man davon die Gemeindemitglieder und unsere ständigen Unterstützer abzieht, bleibt es nur noch eine kleine Scharr. Dies ist meiner Ansicht nach, ein aussagekräftiges Barometer des latenten Antisemitismus in unserem Lande. Seine Wurzeln sind tief und greifen in alle Schichten der Gesellschaft, ungeachtet ihrer Hautfarbe, Abstammung, Herkunft oder Religion. Wenn wir uns für jedes Menschenleben und gegen jegliche Diskriminierung einsetzten, dann muss das Motto lauten: „Each Lives Matter!“.

Die Rückkehr zum „normalen“ Alltagsleben geht langsamer voran, als die Intervention zu Beginn der so genannten Corona - Krise und deren eingeführten Maßnahmen. Dies enttäuscht mehrere Menschen, die nun viel Ärger und Unruhen verbreiten und den Regierenden viel unnötige Kraft rauben. In der Tat ist der Coronavirus und die mit ihm verbundene Epidemiegefahr eine der größten Herausforderungen des zweiten Jahrzehnts des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Der Ablauf der Krankheitsverbreitung ist Gott sei Dank, Baruch ha-Schem, nicht einem Hollywood Szenario, wo ein großer Teil der Weltbevölkerung ausstirbt, ähnlich geworden. Trotzdem kostet sie uns weltweit viele Menschenleben und die kommende Wirtschaftskrise wird die meisten von uns treffen. Eines ist klar, für die heutige Generation  gibt es die Zeit davor und danach.

Deutschland betreffend,  sehen wir die Stärkung des Föderalismus  und die In- bzw. Effizienz der kommunalen Verwaltungen. Diese Herausforderung verlangt von uns ein Paradigmawechsel, wie übrigens alle Prüfungen die zu uns von „Himmel“, Schamajim, gesendet werden. Im TaNaCh spricht der Ewige, dass Er nicht die Zerstörung bzw. den Tod der Frevler sucht, sondern ihre Rückkehr von bösen Wegen, wie z. B. bei Ezekiel 3, 18 f. Die Regierungen, Länder und andere Staatengemeinschaften, die nicht neue Paradigmen, d.h. nicht verbesserte sondern wirkliche Veränderungen, anstreben wollen, würden ihre Positionen in der Volksgemeinschaften verlieren oder sogar gar verschwinden. Ähnliche zivilisatorische Prozesse haben unsere Vorfahren immer wieder beobachtet. Eine Reform wie Perestroika, wird den „Sterbenden“, Goses, einen Schub der frischen Luft spenden, aber ihn nicht retten. Seine Sterbenanzeige wird eine Weile später erscheinen. Auch die lauten Massen auf den Straßen und Plätzen unserer Städte, die um ihre Freiheit und ihre Rechte „kämpfen“, werden keine Lösung bringen. Ihr Anliegen ist in erster Linie, die Machthabenden zu diskriminieren, damit sie selbst später näher bei den Machthebeln ständen. Wahrscheinlich waren einige von ihnen, diejenigen, die vor der Quarantäne die Ladenregale leer gefegt hatten. Auf diese Weise konnte man bequem auf dem eigenen Sofa die Gesundheitsgefahr absitzen und ungestört auf einigen Verschwörungswebseiten surfen. Hätte die Krankheit jemanden aus ihrem Bekanntenkreis schwer erwischt, wären sie sicher nicht auf die Straßen demonstrieren gegangen.

Die Frühlingsmonate haben uns, als Gesellschaft, unsere Stärken und Schwächen gezeigt. Viele Menschen sind nur noch auf ihr eigenes Wohl bedacht und wie es der Menschennatur entspricht, handeln sie in alten sich bewährten Gewohnheiten. Sich in neuen, unbekannten Terrain zu bewegen benötigt viel Mut. Aber es ist kein Ungewisses, denn Terufa, Medizin, wird es immer vor Machala, Krankheit gegeben. Die einzelnen kleinen Lösungen waren uns schon bekannt gewesen, wir müssen nur den Mut besitzen, sie komplett und konsequent umzusetzen.

Als ich diese Gedanken verfasst habe, war es schon bekannt geworden, dass unser Land erste positive Ergebnisse bei der Bekämpfung der Epidemie verzeichnet konnte. Jeder von uns hat zu diesem kleinen Erfolg, durch das Verzichten auf unsere sozialen Kontakte und auf unsere Freiheiten sowie Rechte, beigetragen. Nicht wenige Menschen, weltweit, werden auch finanzielle Einbußen einstecken müssen. Was jetzt bereits bekannt ist, ist, dass die Rückkehr zu einem „normalen“ Leben nur stufenweise und langsamer stattfinden wird, als viele von uns es sich wünschen. Bis zum 4. Mai bestehen noch viele Einschränkungen, unter denen auch das Verbot des Durchführens von Gottesdiensten ist . Dies ist der Punkt an dem wir arbeiten sollen und mit unserer Landesregierung ein Gespräch führen müss(t)en.

Für einige Menschen, die die Existenz des Schöpfers nicht in ihrem eigenem Weltbild zulassen, gibt diese ganze Situation mit dem Coronavirus einen Anlass Verschwörungstheorien zu verbreiten, bei denen hinter allem „dunkle Mächte“ wie unterschiedliche Regierungen, milliardenschwere Konzerne bzw. andere Interessengruppen stecken. Einige sind sogar überzeugt, dass es die Juden oder zumindest Israel gewesen sei. Das alles ist nicht neu. Unsere Vorfahren haben ähnliche Verleumdungen, bereits tausendmal in der Menschheitsgeschichte, gehört. Oft mussten sie dafür mit ihrem Leben bezahlen. Wie man uns im Mittelalter beschuldigt hat Brunnen zu vergiften, agieren wir jetzt, in den Phantasien solcher realitätsfremden Köpfe, mit der modernen Technik.

Für die einzige Religionsgemeinschaft, die durch Dualismus geprägt ist, ist alles Werk des Widersachers und seiner Gehilfen. In die letzte Kategorie fallen auch alle oben genannten Gruppen.

Da wir im Schema Jisrael zweimal täglich die Einzigkeit des Schöpfers, HaSchem Echad, bezeugen, sehen wir uns mit der Tatsache konfrontiert, dass alles nach Seinem Willen und Plan passiert ist. Und wieder werden die Menschen, die niemals das Buch Hiob in den Händen gehalten haben, über die Gerechtigkeit Gottes diskutieren wollen. In unserer Sprache ausgedrückt ist es das Thema „Zadikwe-Ra lo“, „Warum ein Gerechter leiden muss“, aktuell. Uns sollte aber die Frage nicht „Warum“ beschäftigen, sondern „Wieso“. Wir sollten nicht über den Grund, sondern das Ziel nachdenken. Warum hat uns der Schöpfer dorthin gebracht, wo sich die ganze Welt gerade befindet? Was will er uns auf diese Art und Weise mitteilen? Welche Lehren soll die Menschheit daraus ziehen?

Ich habe zwei Nachrichten für Sie. Eine ist zu meinem Bedauern schlecht, die Andere ist besser. Die schlechte Nachricht besteht darin, dass wir alle sterben werden... daran werden aber keine Coronaviren bzw. Ärzte schuldig sein, sondern unsere geliebten oder nicht geliebten Eltern. Sie haben uns geboren und in diese materielle Welt gesetzt, die in ihrer Struktur endlich ist. Erinnern Sie sich an den Physikunterricht in der Schule, wo wir gelernt haben, dass Materie begrenzt und vergänglich ist, die Energie dagegen ewig. Nur die Zustände der Energie verändern sich. Übrigens solche oder ehrliche Nachrichten sollten Ihnen Ihre eigenen Eltern mitteilen, in dem Moment, als Sie diese Welt mit dem Schall, bezüglich Ihres Ankommens, ertönt haben. Aber wenn man die Reaktionen wahrnimmt, haben sie es in der entsprechenden Weise nicht gemacht.

Die gute Nachricht besteht darin, dass jeder von uns in seiner bzw. zu ihrer eigenen Zeit sterben wird. Aber keiner weiß die eigene Sterbestunde. Obwohl unsere jüdische Tradition darüber spricht, dass zehn Personen lebendig in den Himmel genommen wurden. Unter ihnen waren Henoch / Enoch, Prophet Elijahu und andere. Dies ist der himmlische Minjan, Quorum, welches in dem Traktat ErechDerechZuta erwähnt wird. Sogar Mosche Rabbejnu war diesem Privileg nicht würdig, zusammen mit anderen Zadikim we-Zadikot, gerechten Frauen und Männern in dieser Zehnerschaft aufgenommen zu werden. Er musste diese Welt durch den Kuss des Ewigen verlassen. Deswegen haben wir alle keine Chance im eigenem Körper zu bleiben und zu sehen, wie unsere Sonne verglüht und erlöscht, falls wir uns nicht zu der letzten Generation der Erdbewohner zählen.

Aber diejenigen, die zwischen den Feiertagen Pessach und Schawout den Traktat Sprüche der Väter, Pirkej Awot lernen, wissen um diese Nachricht bereits. Als Vorwort zum Traktat gilt den Satz: „Kol Jisrael jesch lahem chelek le-Olam ha-ba... Ganze Israel hat ein Anteil an der künftigen Welt...“, dieser Satz kommt aus dem Traktat Sanhedrin Kapitel 10 in der Mischna. Aber wenn jemand die eigene Neugier nutzt und dort den zweiten und weitere Sätze liest, entdeckt er oder sie: „we-Elu, sche-Ejn lahem chelek le- Olam ha-ba... und die sind es, die keinen Anteil an der künftigen Welt haben...“ Wenn wir die ganze Liste lesen, wird man traurig. Es gibt also eine Gruppe von Menschen, die ihre „Eintrittskarten“ verlieren. Für solche Menschen galt der Satz: „hier hat man denen nicht reichlich gegeben und dorthin lässt man sie nicht rein“. Viele die versuchen von dieser Welt mehr zu kriegen, verlieren das, was für sie vorbereitet war. Viele Menschen rannten und rennen in Deutschland hinter Nudeln und Toilettenpapier her, um ihr eigenes Leben zu verlängern. Es kommt aber bald Pessach und für uns bedeutet es: „Sieben Tage sollt ihr nur ungesäuertes Brot essen; jedoch an jenem ersten Tag sollt ihr aus euren Häusern Sauerteig fortschaffen; denn wer Gesäuertes isst, die Seele wird aus Jisrael vernichtet, vom ersten Tag bis zum siebenten Tag„ (Schemot 12:15). Zum Glück haben wir noch Zeit bis zum 14. Nissan 5780 / 8. April 2020 und wir können uns auf das Pessachfest vorbereiten, damit wir uns nicht über sie Existenz, sondern das  Leben sorgen.

Vielleicht werden wir Ende März zum letzten Mal auf die Sommerzeit umstellen, obwohl ich das mit hundertprozentiger Sicherheit nicht behaupten kann. Denn die Bevölkerung nahm an der Umfrage teil, Politiker entschieden, aber die Umsetzung lässt auf sich warten. Dies erinnert mich, an einige Geschichten des berühmten Hodscha Nasreddin über Padischa und den Esel... Auf der einen Seite ist es das Warten auf einen günstigen Moment für die Umsetzung, andererseits ist es die Abneigung gegenüber dem aktiven Handeln und/oder den Veränderungen.
Gewiss war es eines der bewährten Mittel, noch vor etwa zweihundert Jahren, um, wie eine russische Redewendung sagt:„Brennholz nicht zu zerbrechen“, am ehesten im Deutschen gleichzusetzen mit: „nicht mit der Tür ins Haus zu fallen“. Man könnte die Entscheidung bzw. ihre Umsetzung verzögern, weil das Morgen wie das Heute wird, das Heute wie das Gestern und Vorgestern war, und so weiter auf zig Jahre...

Aber die Menschheit hat schon einen Sprung, vom Abakus bis hin zum PC im 20. Jahrhundert, gemacht. Das 21 Jahrhundert haben wir mit dem Smartphone angefangen und beenden es, als Minimum, mit dem Quantencomputer und der Künstlichen Intelligenz. Wissenschaftlicher und technischer Fortschritt sind der Regierungskontrolle und ihrer Politik entronnen und wurden zu einem Teil des Wettbewerbs privater Korporationen und deren Überlegenheit. Das Problem liegt nicht im wissenschaftlich technischen Progress, sondern in seiner Anwendung. Es ist unbestritten, dass die Lebensqualität und der Wohlstand eines Teils der Erdbewohner sich in den letzten Jahrzehnten mehrfach verbessert hat. In anderen Teilen der Erde bleibt sie jedoch auf einem niedrigen Niveau. Da die modernden Massenmedien solche traumhaften Wohlstandbilder in jede Ecke der Welt intensiv verbreiten, diese aber für die breiten Massen nicht erreichbar sind, wächst die Zahl der unzufriedenen Menschen, mit der eigenen Lebensqualität, jeden Tag rasant. Satte, „imaginäre“ Ökokämpfer der führenden Wirtschaftsländer nehmen sich das Recht, anderen Menschen die Technologien des 20. Jh. zu verwehren, und solche des 21. Jhs. werden ihnen auf Grund von „Copyright“ und „Patenten“ der Korporationen verwehrt. Die Benachteiligten werden bald die Entscheidungen über aktive Veränderungen ihrer Lebenssituationen treffen. Auf Grund, dass Niemand freiwillig ihre Existenz der vorindustriellen Epoche ändern will, werden sie dies selbst durch eigene Kraft versuchen. Was wiederum zu neuen Massenwanderungen der   Völker   führen   wird,   die   zum   Teil   mit   der   gewaltsamen   Enteignungen   des
„erfolgreichen“ Teils der Bevölkerung verbunden sein wird. Je höher die „Mauer“ zwischen den Welten sein wird, desto stärker wird die Aggression wachsen.

Für Einige gilt März als Anfang des Frühlings, für Andere ist es der Anfang des Herbstes. Die Veränderungen des Zustandes sind ein unveräußerlicher Teil dieser materialen Welt, welcher sich in immanenter Bewegung befindet. Unangemessene Reaktionen bzw. die Verzögerung der notwendigen Reaktionen auf stattfindende Veränderungen, führen zu globalen Erschütterungen. Rechtzeitige und angemessene Handlungen verändern den Vektor zukünftiger Veränderungen. Dies sehen wir an dem Beispiel der Ereignisse des Feiertages Purim. Damals leiteten Ester und Mordechaidie angesammelten Bedrohungen und Sorgen mit ihren negativen Energien in andere Kanäle um. Anstatt Verwüstungen und Tränen - kamen Freude und Spaß in unsere Häuser.

Der 10. Februar fällt in diesem Jahr mit dem 15. Schewat zusammen, genauer gesagt, fängt das neue Jahr der Bäume, Tubi-Schwat, am 9. abends an. Irgendwann in der Antike hatte dies, wie übrigens jedes neue Jahr, einen rein finanziellen Aspekt. Es war eigentlich eine Zäsur. Die Früchte, die zum diesem Zeitpunkt gereift bzw. formiert waren, galten für das vergangene Jahr, die anderen Früchte hat man als neue Ernte betrachtet. In der Zeit, als man die Steuer als Zehntel der Subsistenzlandwirtschaft abgeglichen hatte, und die ersten Früchte in den Tempel brachte, gab es die Notwendigkeit solcher Erfassung. Entsprechend trennte man ein Teil der Erne als Zeichen der Dankbarkeit dem Ewigen für den ganzen Ertrag. Einen anderen Teil gab man als Hilfsleistung den sozial Schwächeren der Gesellschaft: Witwen, Waisen, Armen und Fremden, die im Land weilten. Dabei musste jeder, der Ackerbau betrieb oder seinen eigenen Obst- oder Gemüsegarten hatte, die entsprechenden Gesetze kennen und befolgen. Missachtung und Verletzung dieses Kanons brachte, laut der religiösen Weltanschauung, die Abtrennung, Karet,von  der Quelle des Segens und Wohlergehens. Dies bedeutete langsames Welken, mit der Ähnlichkeit der welkenden abgeschnittenen Blume, die noch einige Zeit farbfreudig und wohlriechend ist, und trotz des lebensspendenden Wassers verwelkt.

Unsere Weisen vergleichen einen Menschen mit einer Pflanze, die wächst, blüht und Früchte trägt. König David hat es schon in seinem Psalm des Schabbats gesagt:

„Gerechte werden wie die Palme gedeihen und wachsen wie die Zedern des Libanon. Gepflanzt im Hause Gottes gedeihen sie in den Vorhöfen unseres Gottes. Sie tragen Frucht noch im Alter und bleiben voll Saft und Frische um zu verkünden: Gerecht ist der Ewige; Gott ist mein Fels, an dem kein Unrecht ist“.

Seiend nebst seiner geistigen Wurzeln trägt der Mensch die „Früchte“ alle Jahre seines Lebens immer weiter: Seine gute Taten, Mizwot, verbessern die Welt und sein guter Ruf verbreitet sich wie wohlriechendes Aroma. Er findet Ruhm und Ehre in seiner Familie und Umgebung. Getrennt von seinen geistigen Wurzeln welkt der Mensch, und trägt keine Frucht in dieser Welt. Der Segen verlässt ihn und alles, was er gehortet hat, wird mit der Zeit zu Staub. Der 15. Schewat ist laut der Schule von Hillel ein Tag, an dem sich der Saft in den Bäumen des Landes Israel anfängt zu bewegen. Die Bäume wachen vom Winterschlaf auf und kehren zurück zum Leben.

Wir können auch unsere Kräfte sammeln und den „Winterschlaf“ beenden. Rückkehrend zu den eigenen geistigen Wurzeln können wir erneuert blühen.

Anfang Januar fahre ich nach Breklum, wo ich bereits seit zehn Jahren als jüdischer Referent in einem interreligiösen Dialog fungiere. Ich habe schon mehrmals über dieses Projekt unter dem Namen „Zu Gast in Abrahams Zelt“ berichtet. Dort findet eine Begegnung zwischen Muslimen, Evangelischen Christen und Juden in überschaubarem Format statt. Es sind in der Regel von 30 bis 40 Personen, die üblicherweise im „echten Norden“ Deutschlands und Hamburg wohnen. Natürlich bilden sich mit der Zeit feste Beziehungen zwischen den Stammteilnehmern. Diejenigen, die in der Nähe von einander wohnen, treffen sich öfter, andere, wie wir mit Darja, warten auf diese Begegnung innerhalb des Jahres. Die Frage, die ich immer wieder bekomme, während ich darüber berichte, lautet: „Was könnte man denn in drei Tagen erreichen?“. In der Tat, man kommt am Donnerstagabend an, es folgen Freitag, Samstag - Schabbat, und ein halber Sonntag. Insgesamt haben wir nur 72 Stunden zum Austausch.

Natürlich ist es für die Lösung einer globalen Fragestellung nicht viel, aber wir sind keine Weltregierung bzw. kein Internationaler Kongress. Wir sind die Vertreter unserer Kultur, genauer gesagt, der Teil, der zu einem Dialog bereit ist. Hier bedeutet der Dialog, in der erste Linie, nicht die Fähigkeit zu sprechen, sondern zu zuhören, und vielmehr dem Vertreter der anderen Kultur zu lauschen. Jeder Teilnehmer sollte dort das finden, was dem eigenen Kulturkreis ähnelt und die Unterschiede der anderen Weltanschauungen wahrnehmen. Die Menschen, sind ein kulturelles Produkt des eigenen Umfeldes, sie brauchen einen kritischen Blickwinkel auf die letzte Zeit. Das betrifft nicht nur die eigene Weltanschauung sondern auch die der Anderen. Ansonsten läuft man Gefahr mit der Zeit einem Blinden ähnlich zu werden, wenn nur unsere eigenen Fantasien, Gedanken und Ängste uns umzingeln. Wir geben ihnen nur den Nährboden. Dies passiert, weil unser Wahrnehmen nur ihm etwas Bekanntes erkennen kann. Der Verlust der weltoffenen Neugier des Kindes, für Neues, veranlasst uns „sich in der eigenen Soße zu kochen“. Anders ausgedrückt, „konservieren“ wir unsere Weltanschauung. Ein jüdischer Spruch sagt: „Wenn man sich mit dem Rücken zum Spiegel stellt, sieht man nur den Rücken“.
Falls wir uns wünschen, dass die Welt uns entgegen tritt, und unsere Bestrebungen wahrnimmt, sollten wir sie dazu arrangieren. Oder wie es Jehoschua ben Perachja sagte:

„... Kane lecha Chawer...“, „... erwirb dir einen Genossen und beurteile jeden Menschen
nach der günstigen Seite“ (Awot1, 6). Um einen Freund zu erwerben, muss man mit ihm anfangen zu sprechen...

Uns besuchen mehrere unterschiedliche Gruppen. Viele sind zum ersten Mal in der Synagoge, einige wollen über das Judentum aus erster Hand erfahren. Es sind Schulklassen, religiöse Gemeinden und verschiedenste Vereine, in denen aktive Senioren sind. Meiner Meinung nach sind die herausforderndsten Gruppen die, zu denen Acht- bzw. Neunklässler gehören. In ihren Augen sieht man oft am wenigsten den Funken des Wissens. Ihre Lehrer sind diejenigen, die sie „zwingen“ hierher zu kommen, um den Bildungshorizont und die Sozialkompetenz ihrer „Mündel“ zu erweitern. Irgendwann, in den 80-er Jahren haben alle gedacht, dass die zukünftige Welt, wie ein globales großes Dorf aussehen wird, wo jeder jeden kennt und sich die Menschen helfen und gegenseitig unterstützen. Aber, wie wir es heute sehen können, ist die Geschichte einen anderen Weg gegangen und wir leben in keinem Dorf, sondern in riesigen globalen Metropolen. Befindend in der unmittelbaren Nähe zu einander, kennen wir des öfteren keine Vor- und Nachnamen unserer Nachbarn, schweigen über umfassende Sorgen und Probleme. Wir leben in künstlichen informativen Blasen, die uns nicht nur von unseren Nachbarn trennen, sondern, was zu bedauern ist, selbst von unseren eigenen Kindern. Natürlich möchte ich hier nicht pauschalisieren. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen. Aber eine große Zahl der jüngeren Generationen lebt in parallelen Welten. Dies kann ich gut an dem Beispiel der uns besuchenden Schüler sehen.

Neulich haben unsere Landtagsabgeordneten ein neues Gesetz im Bereich des Schulwesens verabschiedet. Laut diesem kann jeder automatisch die MSA bekommen, wenn er/sie bis zu 11. Klasse in der Schule gewesen ist. Dabei spielen die Noten nur eine untergeordnete Rolle, eine Drei Minus würde völlig ausreichen. Andere Abgeordnete gehen noch weiter, fordernd den Numerus Clausus beim Medizinstudium abzuschaffen. Dabei plädieren sie für Gleichberechtigung, es sei inakzeptabel, dass nur Menschen mit einer glatten Eins eine Zulassung bekommen. Wenn ich diese beide Forderungen addiere, ergibt sich für mich, dass jeder Müßiggänger in fünf bis zehn Jahren, der lange genug „die Schulbank drückt“, ein Arztdiplom bekommen könnte. Natürlich werden die Abgeordneten nicht von „solchen“ Ärzten behandelt, was aber passiert mit dem Rest der Bevölkerung?

Das Problem, mit dem uns die heutigen Parlamentarier konfrontieren, liegt im aktuellen Erziehungs- und Bildungssystem. Durch die institutionelle Bildung und Erziehung fühlen sich einige Eltern von ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag „befreit“. Hinzu kommt, dass Eltern ihre Kinder oft nur noch am Abend sehen und somit nur noch einen geringen Anteil und Einfluss an ihrer Erziehung haben. Viele Lehrer wollen aber nicht aktiv in die>Erziehung der Schüler eingreifen - Schulen verstehen sich oft nur noch als Bildungseinrichtung und nicht mehr als begleitender sowie ergänzender Erziehungsort. Die Kinder werden mit den unterschiedlichsten Bildungsplänen konfrontiert, im Freizeitbereich gibt es einen großen Pool an pädagogischen Ansätzen, welche von teilweise hilflosen Erziehern und Lehrern nicht immer geschickt umgesetzt werden. Diese Voraussetzungen schaffen nicht unbedingt einen fruchtbaren Boden für ein verantwortungsvolles Leben. Es fehlt an Werten und Idealen. Statt dessen werden ihre Leader „niedliche“ Mädchen und „pickelige“ Jungs aus dem Internet. Diese Idole aus YouTube sind die Lebenswahrheiten verkündenden Wegweiser der Jüngeren. Aber die einzige Errungenschaft dieser ist, dass sie ihr Gesicht gut vor der Kamera verziehen können, und  die  Mehrheit,  der  nicht  kritisch  hinterfragenden  Jugendlichen,  „solchen“ Idolen  nacheifern möchte.

Chinuch heißt auf Hebräisch Erziehung. Das Wunder der Chanukka steckt in Chinuch. Wenn nicht wir unsere Kindern erziehen, erzieht sie jemand anderer. Bleiben sie dann noch unsere Kinder?

Der Monat, der dem Tischri folgt, wird öfter als Mar Cheschwan bezeichnet. Den Zusatz Mar deuten einige unserer Kommentatoren als bitter - denn es gibt in diesem Monat keine Feiertage, deswegen wirkt er bitter. Damit man die Situation etwas verändern kann, führte man einen neuen zusätzlichen Halbfeiertag in Israel ein: „Tag der Verbindung zwischen der Diaspora und Israel. Dadurch wir die Bedeutung der Existenz des Letzteren für den jüdischen Staat und seine Sicherheit betont. Auch für uns, die außerhalb des Staates Israel leben, wird unsere Sicherheit von großer Bedeutung, da der Antisemitismus aller Arten sich in der letzten Zeit verstärkt.

In der Diaspora sind wir nicht nur von der akuten politischen Lage in einem jeweiligen Land abhängig, sondern zusätzlich von der Aktivität dieses oder jenen Politikers. Auch in unsrem Land, Mecklenburg - Vorpommern, stellen wir uns die gleichen Fragen nach der Sicherheit. Natürlich hat sich die Situation nach den dramatischen Ereignissen dieses Jom Kippurs in Halle zugespitzt. Diese Geschehnisse zeigten, dass man sich in Neonazi- Kreisen nicht nur mit Worten begnügt, sondern zu der aktiven Phase neigt und übergeht. Aber diesmal, ungeachtet verschiedener Sicherheitspannen allerseits, hat der Ewige das Blutbad nicht zugelassen. Die Tage der Ehrfurcht, Jomim Noraim, waren nicht nur auf intellektueller Ebene gefärbt, sie bekamen zudem einen Beigeschmack der Todesangst für die Schicksale der Familien und Verwandten. Für uns, die wir hier leben und das Gemeindeleben in Deutschland aufbauen, war es ein schwerer Schlag, der uns weit in die Vergangenheit zurück geworfen hat und die rosarote Brille zerbrach.

Wie es bei einer Redewendung heißt, „den Freund erkennt man in Notzeiten“. Wir bilden hier keine Ausnahme! Mehrere unserer Freunde, Politiker und  aktive,  geisteswache Bürger haben uns ihre Unterstützung und Mitgefühl zum Ausdruck gebracht. Die Sicherheitsfragen wurden wieder zum Vorrecht von Großpolitik. Leider blieben die Lokalpolitiker zuerst so zu sagen unbeteiligt. Auf den Bekundungen mit den Unterstützungs - und Solidaritätsbekenntnisden vermisse ich bis jetzt die Meldungen von unseren OBs und Bürgerschaften. Auch einige Beamte vor Ort zeigten nur mäßige Reaktionen, bevor unser Minister eingeschaltet wurde. Es spricht entweder über den mangelnden Weitblick der Ersten, oder über die innere Einstellung. Hier gibt es Platz für Sorgen. Aber es gibt kein Grund die Koffer zu packen bzw. Tickets zu kaufen. Die ernste Lage verlangt von uns adäquate Lösungen auf allen Ebenen zu treffen. Dies ist nicht nur eine Frage bezüglich der passiven Sicherheit, es ist auch die Frage nach der sozialen Gesundheit der Gesellschaft. Sie betrifft Bildung, Erziehung und Kultur - allesamt. Der Antisemitismus ist kein Problem der Juden, sondern eines der Gesellschaft in deren Mitte wir leben. Es ist zu so zusagen ein Lackmuspapier mit dessen Hilfe man den Zustand und das Kulturniveau einer jeweiligen Gesellschaft prüft. Als erste Schritte zur Lösung dieses schmerzhaften Problems werden und wurde Absprachen und Versprechen bekundet. Jetzt müssen wir auf die baldige Umsetzung warten. Aber wir müssen uns mit dem Handeln der Anderen nicht begnügen, viel mehr sollen und müssen wir über unsere Rolle in der Diaspora in unserem Bundesland nachdenken, und unsere Verbindung mit unsrer Umgebung stärken.

„... Am 15. Tage dieses 7. Monats ist das Fest Ssukkot (Hütten) sieben Tage dem Ewigen. Am ersten Tage eine heilige Zusammenberufung, keine Dienstarbeit dürft ihr tun... Am achten Tage (des Festes) sei euch eine heilige Zusammenberufung... Schlussfest ist es, keine Dienstarbeit dürft ihr tun... Und nehmet euch am ersten Tage Frucht des Baumes Hadar, Palmzweige und Äste von Baume Awotund Bachweiden und freuet euch vor dem Ewigen, eurem Gotte, sieben Tage... In Hütten sollt ihr wohnen sieben Tage, alle Einheimischen in Jisrael sollen wohnen in Hütten...“ (Bajikra 23: 34-42). So macht uns die Torazum ersten Mal bekannt mit den Gesetzen und Bräuchen des Festes Ssukkot. Etwas früher (Schemot 23: 16 und auch 34: 22) nennt sie es „Chag ha-Assaf“, „... das Fest der Einsammlung beim Ausgang des Jahres, wenn Du einsammelst deine Arbeiten vom Felde“. Dort wird es unter den anderen Pilgerfesten erwähnt. Diese Verse sind den Menschen bekannt, die zum Feiern in die Synagoge kommen, denn diese werden aus der Toravorgelesen und sind im Machsor,das Gebetbuch für die Feiertage abgedruckt.

Das fünfte Buch Moses ist die Wiederholung seiner Lehre, Tora, die diese beiden Eigenschaften des Festes vereint und erweitert:

„Ein Fest Ssukkot (Hütten) bereite dir sieben Tage, wenn Du einsammelst von deiner Tenne und von deiner Kelter. Und freue dich an deinem Feste - du und dein Sohn und deine Tochter und dein Knecht und deine Magd und der Levi und der Fremde und die Waise und die Witwe, die in deinen Toren. Sieben Tage feiere dem Ewigen, deinem Gotte an dem Orte, den der Ewige erwählen wird, denn der Ewige, dein Gott, wird dich segnen in all deinem Ertrage und in allem Werk deiner Hände: So sei nur freudvoll“ (Dewarim 16: 13-15). Hier befiehlt uns die Toranicht nur sich selbst vor dem Ewigen zu freuen, sondern zusammen mit unserer Umgebung. Dazu zählt sie unsere Familie, Dienstmenschen, und auch die schwachen Gesellschaftsschichten. Der Allmächtige deuten uns an, dass die festliche Freude ein Vereinigungsfaktor ist, und ihr Sinn darin besteht, sie mit den Mitmenschen zu teilen. Dazu zählt man auch die Fremden, die in deinen Toren weilen.

In dem Wochenabschnitt Pinchas (Bemidbar 29: 12-39) sind die kultischen Opfergaben des Festes Ssukkot aufgelistet. Die Zahl, der während der Festwoche dargebrachten Stiere betrug 70. Laut des Traktats Ssukka 55b des babylonischen Talmuds entspricht es den 70 Völkern der Welt. Um ihre Sühne hat das Volk Jisrael die Opfergaben gebracht. Laut unserer Weisen sollte ihnen das Sühnen und der  Regen den Segen  bringen.
In der Zeit als das jüdische Volk sich in den Hütten dem Schöpfer völlig anvertraut hat und sich über die Ereignisse des Jahres gefreut hat, mussten die Kohanim eine schwere Arbeit leisten, nämlich den himmlischen Segen auf die ganze Menschheit zu verbreiten. Denn die Freude und der Segen werden nicht vollkommen sein, wenn man sie nicht teilen kann.

Im September finden die interkulturellen Wochen in Schwerin statt. In diesen Tagen versucht unsere Landeshauptstadt unseren Gästen und ihren Bewohnern die Vielfalt der Kulturen, die sie beheimatet, zu zeigen. Dazu gibt es die Möglichkeit für mehrere Vereine sich dem breiten Publikum zu zeigen. Dies betrifft auch die religiösen Gemeinschaften, wie z. B. unsere Gemeinde, da das religiöse Leben ein Teil des kulturellen Lebens unserer Stadt darstellt. Da die Mitglieder der religiösen Gemeinden auch bei anderen Vereinen aktiv sind, sind sie in dieses Ereignisses von verschiedenen Seiten involviert. Das ist natürlich keine Kirmes und kein Festival. Es ist eine Möglichkeit sich von der Seite zu zeigen, die wir zum Vorschein bringen wollen.

Jeder einzelne Mensch hat seine eigenen Probleme und alltägliche Sorgen, für deren Bewältigung er oder sie viel Kraft und Energie braucht. Die Gemeinschaften der Menschen sind auch von eigenen Problemen gekennzeichnet. Dort treten aber die persönlichen Sorgen und Probleme an die zweite Stelle, auf der Ersten stehen dann die neu entstandenen Gemeinschaftsprobleme. Auch hier kämpft jede Gruppe mit ihren Alltagssorgen, sucht nach Lösungen für gemeinsam gestellte Herausforderungen und das Verwirklichen ihrer Ziele. Je größer und vielfältiger die Menschengruppe ist, desto komplexer sind die Strukturen die sie ausbildet und um so schwierigere Aufgaben und Problemen stehen ihr bevor. Das ist die Grundlage, dass sich unterschiedliche Tendenzen bei einigen ihr Mitglieder entwickeln. Einige malen alles schwarz, andere sehen alles in Rosa. Diese beiden unterschiedlich gerichteten Kräfte versuchen sich gegenseitig ins Gleichgewicht zu bringen. Je stärker die Neigung zu einer Seite wird, desto stärker werden die Gegenwirkungen. Dies alles führt zum Zerspalten, zur Lücke zwischen zwei Lagern. Weil jede Seite ihre eigene Rechthaberei betreibt, erscheint die Welt in schwarz - weiße Tönen. Hier herrschen gegenseitige Taubheit und Blindheit für die Argumente der Anderen

Die Möglichkeit die Welt in ihren Farben und ihrer Vielfalt zu betrachten, hilft uns nicht nur den Anderen von seiner besten Seite wahrzunehmen, sondern auch bei der Überprüfung einer Einstellung. Man lernt Stärken und Schwächen kennen. Dadurch bereichern wir unsere eigene Weltbetrachtung und Weltanschauung. Treffen mit anderen Kulturen erleben wir wie eine Art von kulturellem Schock, steigen außerhalb unseres eigenen Alltags heraus. Dabei müssen wir den anderen Lebensstill nicht bejahen und nicht übernehmen. Aber wir können die Welt so betrachten, wie sie sein könnte, würden wir unserer besten Seite folgen.

In der Regel zählt man den Monat Juni als Anfang des Sommers. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was das Wort Sommer bedeutet. Natürlich meine ich damit nicht die Bedeutung, die mir der Duden bzw. das berüchtigte Wikipedia aufzwingen will. Die Letztere zeigt genau, dass die Bedeutung dieses Wortes sozusagen unbekannt bzw. unklar ist. Hier findet man es als die Jahreszeit, die zwischen Frühling und Herbst liegt. Hier gibt es den astronomischen Sommer, die nach der Sonnenwende anfängt. Außerdem gibt es den meteorologischen Sommer mit den heißesten Tagen des Jahres und natürlich sollten man auch den Kalendersommer nicht vergessen. Im Schluss leitet keiner der Begriffe zur Klärung der Bedeutung dieser bestimmten Zeitperiode hin. Sie bringen eher noch mehr Ungewissheit und zeigen, dass einige Wissenschaftler den Versuch unternehmen, ihnen den selbst unbekannten Begriff zu definieren und mit ihren Weltbildern zu vereinbaren. Damit das Bild runder aussieht, fügen sie verschiedene Adjektive hinzu und bilden Komposita, die als roter Faden diese Weltbilder zusammenhalten. Aber es sollte ursprünglich ein Nomen gewesen sein, welches man unzweideutig von jeder in der Konversation beteiligten Seite wiedergeben oder empfangen konnte. Wir überlassen die offen gebliebene Frage mit der Klärung des Ursprungsbegriffes des Wortes Sommer lieber den Linguisten.

Wie sieht es in unserer Tradition aus? Natürlich gibt es im modernen Iwrit, Hebräisch vier Jahreszeiten. Aber es ist die gleiche Schablone wie in den modernen europäischen Sprachen. Das Wort ist Kaitz, קיץ, das wahrscheinlich von der Wurzel Ketz, קץ, abstammt, welches die Bedeutung Ende hat. Aber Ende von was, was soll dies bedeuteten? Es ist ein Sammelbegriff in der Abkürzung von: das Ende der Reifeprozesse bei Früchten. In dieser Periode reifen die Mehrheit der Früchte. Aber es wird in der Tora(Berejschit 8:22), wo man über Noach berichtet, sechs Perioden erwähnt: „ וחרף וקיץ וחם וקר וקציר זרע„ (Sera - Saat, Kazir - Ernte, Kor - Kälte, Chom - Hitze, Kauz - „Sommer“, wann die meisten Früchte reifen, Choref - Winter, wenn die Natur sich in der „Starre“ befindet). Dem entsprechend haben unsere Weisen im Talmud Traktate Baba Mezia 106 b gesagt:“ חצי וכו׳ קור ניסן וחצי אדר שבט חצי חורף שבט וחצי טבת כסליו חצי זרע כסליו וחצי מרחשון תשרי, die Hälfte (des Monats) Tischri, (Monat) Marcheschwan, und die Hälfte (des Monats) Keslew (ist die Periode) Sera; die Hälfte (des Monats) Keslew, (Monat) Tewet, und die Hälfte (des Monats) Schewat (ist die Periode) Chorew; die Hälfte (des   Monats) Schewat, (Monat) Adar, und die Hälfte (des Monats) Nissan (ist die Periode) Kor usw. Bemerkenswert ist, dass eine neue Periode laut dieser Meinung nicht während des Neumondes anfängt,sondern während des Vollmonds, wenn unsere Feiertage stattfinden. Wir sehen, dass diese Perioden in erster Linie mit dem Ackerbau verbunden sind und natürlich mit der Klima und Wetterbedingungen.

Der oben genannten Vers aus der Tora hält aber noch ein Paar bereit: ולילה יום, Jom wa Lajla, Tag und Nacht. Dies sind schon astronomische Einheiten, und viele verbinden Sie mit der Eigenschaft eines Tages. Es gibt aber eine Meinung unserer Weisen, die diese auch mit den Zeitperioden verbindet. Genauer gesagt deuten sie auf die Zeitpunkte wann die Tage bzw. die Nächte länger werden. Natürlich können die letzte zwei Jahreszeiten nicht sehr lang sein. Aber diese astronomischen Daten erlauben dem Kalender entsprechend Frühjahrs- und Herbsttagundnachtgleiche zu „korrigieren“.

Der Aufbau eines Kalenders, der auf der Beziehung mit seiner Umwelt basiert, beinhaltet die Arbeit mit mehreren Variablen und verlangt größere Aufmerksamkeit. Dabei benutzt man kein versteiftes System des abstrakten Kalenders, sondern ein System der Gleichheit mit einem Datenband zum Abgleichen. Man stellt Ähnlichkeiten oder Differenzen fest. Deswegen braucht man die Logik mit ihren Algorithmen. Aber die Prozesse der Urbanisierung der Gesellschaft, die all erfassende Industrialisierung und die Massenmigrationen innerhalb einer oder zwei Generationen einer Familie, gepaart mit der erhöhten Mobilität, zerreißen unsere Verbindung mit unserer Umgebung als Quelle der individuellen Informationen. Anstatt dessen findet man den Ersatz in „Wahrsagerei“ der Meteorologen und in der Entwicklung künstlicher, permanenter Kalender, die vom verlaufenden immer verändernden Prozessen losgelöst sind. Daraufhin wachsen unsere Erwartungen bezüglich dieses oder jenes Ereignisses und proportional entsprechend unsere Enttäuschung, wenn diese Erwartungen mit der Realität nicht übereinstimmen.

Unter dem Einfluss welches Sternzeichens befindet sich der Monat Mai in diesem Jahr? Nein, dies ist kein Stier, wie es Vielen dünkt, sondern die Wahl. Genauer gesagt, ist es die Stimmabgabe, die die Stimmung in der Gesellschaft widerspiegelt, und deswegen die Wahl der Bevölkerung symbolisiert. Natürlich betrifft es nicht die ganze Bevölkerung, nur die „Erwachsenen“, die das Stimmrecht haben. Dies ist auch die Sternstunde der Protestwähler, die dadurch ihre Haltung zu aktuellen politischen Ereignissen zeigen.

Im April gab es Wahlen in Israel, in der Ukraine und kurz davor in der Türkei. Die Israelis waren im Grunde genommen zwiegespalten, aber auf Grund einer Koalition wird das Land in den fast gleichen Fahrwassern bleiben. Der Präsident der Türkei ist über die Entscheidung der Bewohner Istanbuls verwundert und möchte, laut der Presseberichte, das Ergebnis anfechten. Die Ukrainer brachten aber mehrheitlich den Willen zur Veränderung zum Ausdruck. Sie haben ihrem alten Präsidenten eine Drift hinterlassen, ungeachtet der Manipulation seiner Teams in den Konsulaten, wo er mehr als 54 Prozent Stimmen gesammelt hatte.

Früher hat die Menschenmenge ihren ungeliebten Souverän auf dem Marktplatz mit faulem Gemüse und Obst beworfen. Nachdem faule Produkte aus den Theken der Märkte und Läden verschwunden sind, gehen die Menschen entweder zu Demonstrationen, wo sie liebevoll bemalte Plakate hoch halten, oder sie bleiben bewusst zuhause. Einige stimmen sogar dagegen und verpassen einen so genannten Denkzettel. Während die Ersten noch irgendwie auf emphatische Politiker einwirken können, führen die beiden anderen Optionen zu unerwarteten, oft nicht gewünschten, Resultaten.

Die politischen Thriller im nahe gelegenen Ausland beeinflussen aber unser alltägliches Leben in Deutschland nie direkt. Etwas anderes sind die Wahlen im Mai. Wann man die Representative im Europa Parlament wählt und auch die Schweriner Stadtvertretung sowie den Rostocker Oberbürgermeister. Die haben für uns die erstrangige Bedeutung. Genau diese, seien sie klug oder dumm, engagiert oder gleichgültig, liebevoll oder hasserfüllt werden die Entscheidungen treffen und unsere Schicksale für die kommenden Jahre oder sogar Jahrzehnte, entsprechend ihrer Gesetzentwürfe und Entscheidungen, bestimmen. Von den entstehenden Machtverhältnissen ausgehend, ist es entscheidend, wohin unsere Dampfer mit dem Namen Europa driftet. Er kann nach rechts oder links abbiegen, er kann Knoten erhöhen bzw. umdrehen oder sogar einfach versinken. Es ist uns als den Bürgern der ehemaligen UdSSR und DDR sehr gut bekannt, dass es nicht für jeden einzelnen eine Schwimmweste gibt und nicht alle auf der Wasseroberfläche bleiben. Aber was ist mit Sternen? Sie schweigen und warten wann Sie sie mit Ihrer Stimme leuchten lassen und nur danach werden sie uns den Weg zeigen. Aber zum Glück Ein Mazal le-Israel.

In diesem April feiern wir, außerhalb des Pessach Festes, noch die Einweihung des neuen Gemeindezentrums in Schwerin und das fünfundzwanzigste Bestehen unseres Landesverbandes. Vor einem Vierteljahrhundert wurden die Jüdische Gemeinde in Rostock und Schwerin wiederbelebt. Die ersten Jüdischen Einwanderer kamen als so genannte Kontingentflüchtlinge nach Mecklenburg - Vorpommern. Zu dieser Zeit „übte“ man die Demokratie in den neuen Bundesländern seit fünf Jahren. Die beide Seiten waren damals mit der Situation überfordert, aber sie haben ihre Bereitschaft gezeigt in eine Art Beziehung einzusteigen. Es ist ähnlich einer traditionellen Jüdischen Hochzeit, wenn das Brautpaar sich nur einige Male vor der Zeremonie gesehen hat, und trotzdem ein Jüdisches Haus bauen will. Leider waren die beiden Seiten damals durch das sowjetische Erbe verwöhnt und jeder hat seine eigene Vorstellung davon, wie diese Beziehung aussehen sollte und welche Rechte und Pflichten beiderseits bestehen würden. Nicht alles lief in dieser Beziehung glatt, aber man wuchs mit den Aufgaben und mit der Zeit überwand man die Herausforderungen. Vieles bleibt noch offen und bedarf der Verbesserung. Obwohl es aktive Bürger in beiden Städten gibt, die das jüdische Leben in ihren jeweiligen Ortschaften unterstützen und Fördervereine ins Leben gerufen haben, konnten die Rostocker zum ersten runden Datum in ihr „eigenes“ Gemeindezentrum mit Gebetsraum einziehen, und die Schweriner weihten ihre Synagoge fast nach 15 ein und die renovierten das eigene Gemeindezentrum sogar erst nach 25 Jahren. Man kann nicht sagen, dass wir die Schlusslichter, was das Jüdische Leben in der Bundesrepublik betrifft, sind, es gib noch einzelne Städte, wo man gerade erst die eigene Gebäude „baut“. Trotzdem fragen sich einige Gemeindemitglieder, sind wir hier erwünscht oder nur geduldet? Wenn man sich über den Bau der Trauerhalle auf dem neuen Friedhofsgrundstück in Rostock oder die fast 20 Jahre dauernde Gerichtsverhandlung über das eigene Friedhofsfeld in Schwerin vergewissert, tendiert man zum Zweiten. Unterhält man sich mit den engagieren Bürgern und Politikern und betrachtet die langsam sich entwickelnden und zu verwirklichenden Projekte hofft man auf das Erste.

Der Monat März ist markant dadurch, das wir einen von unseren fröhlichen Feiertagen, Purim, feiern. Da der Monat Adar bzw. Adar Scheni, im Schaltjahr 2. Adar, mit dem März des gregorianischen Kalenders zusammen fällt. Der Adar ist nach seiner Natur ein schicksalshafter Monat. Entweder passierte währenddessen eine Erlösung, wie z. B. beim Feiertag Purim, oder es spross der Kern der Erlösung, wie die Geburt von Mosche Rabbejnu, die laut unserer Tradition auf den 7. Adar fällt. Natürlich sind nicht alle Helden im Monat Adar geboren. Aber die Schicksale der Bösewichte oder ihrer hinterlistigen Pläne wurden im Monat Adar beendet. Ein Ereignis kam zu uns aus der Tiefe der Jahrtausende, zur Zeit der Persischen Herrschaft in dieser Welt, nach der Zerstörung des

1. Tempels in Jerusalem. Das andere Ereignis ist vielen unter uns bekannt. Es ist das Ereignis aus dem Jahr 1953, als der Tod des Genossen Stalins die über uns hängende Bedrohung der Deportation und das Vernichten der in der Sowjetunion lebenden Juden stoppte. Das entstandene Machtvakuum und der daraus folgende Kampf, um die Sessel, lies die Ärzte-Prozesse in die Vergessenheit geraten und die jüdische Frage aus der Tagesordnung verschieben. Man sollte auch die Offensive gegen Saddam Hussein nicht vergessen, die an Purim begonnen hatte. Er hat auch versucht Israel mit Raketen zu beschießen.

Dies sind zweifellos die bekanntesten Fälle aus der Geschichte, die innerhalb der letzten zweieinhalb Jahrtausende stattfanden. Gewiss gab es mehrere davon und auch in kleinerem Maßstab. Aber sie alle verbindet eins: Den eigenen Status benutzend, schmieden Bösewichte ihre Pläne, damit sie mit Hilfe der List, Raub und Mord ihren eigenen Wohlstand und Status sichern können. Wie wir aus dem Beispiel von Haman gesehen haben, waren solche Pläne skrupulös durchgedacht und wurden sogar teilweise umgesetzt. Aber das Einmischen des unsichtbaren Gottes zerstört ihren Ablauf. Der Feiertag Purim lehrt uns dennoch nicht, weinend über das wahrscheinlich kommende Unheil mit verschränkten Armen zu warten. Purim fordert uns heraus und verlangt aktives Handeln gegenüber dem Bösen, wie es Ester und Mordechaitaten. Gleichfalls deutet uns das Verhallten des Königs Achaschweroschdarauf hin, dass es sehr schwer ist, von der näheren Distanz zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und zu urteilen, wer auf welcher Seite steht. Jede Krise ist aber einerseits ein Prüfung, anderseits ein Ruf zum Handeln. Falls wir nicht untätig bleiben, wird das Schicksal der Bösewicht besiegelt und ihre Pläne werden scheitern.

Der Monat Januar ist mit einem besonderem Datum, dem 27. in europäischen Kalendern gekennzeichnet. Es ist der so genannte „Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“. Anscheinend ist es ein signifikantes Datum, das von der UNO im Jahre 2005 in den Kalender eingetragen wurde. Auf den ersten Blick ist alles würdig und großartig, wenn da nicht ein „Aber“ wäre, es ist nicht unser Datum. In Deutschland wird es als der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ bereits seit 1996 begangen, dies schließt verschiedene Gruppen, der von Nazis verfolgten Menschen, ein. Außerdem wird dieser Tag in Verbindung mit der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz - Birkenau, durch die „Rote Arme“, gebracht. Dadurch betont man in erster Linie den Opferstatus der Betroffenen. Auch der Name selbst, Holocaust, spricht, abgeleitet vom Altgriechischen, über Brandopfer, den man für die jeweilige Gottheit vollständig verbrannt hat.

Einerseits sehen wir uns nicht als Kultusopfer im Namen von oder für etwas. Anderseits verlangt unser Gott keine Menschenopfer. Zweifellos haben sich die Nationalsozialisten die Vernichtung der Juden als eines ihrer Ziele gesetzt, aber die Verantwortung für die Millionen der Ermordeten und hunderte Millionen der verstümmelten Schicksale ruhen auch auf den anderen Regierungen und Völkern jener Zeit. Einige waren aktiv beteiligt, andere haben tatenlos zugeschaut, dritte haben die Rettung verweigert. Dies ist der historische Koffer ohne Henkel, den unser Volk trägt. In der BRD brauchte man 50 Jahre und in der Volksgemeinschaft sogar 60 damit ein entsprechendes Datum im Kalender eingetragen wurde.

Wir erinnern aber an unsere Verwandten und Freude während Jom haSchoa we- haGewura, Tag der Katastrophe und des Heldentums. Er fällt auf den 27. Nissan, in Erinnerung an den Aufstand im Warschauer Ghetto am 19. April 1943. Da der Aufstand an ErevPessach, am Pessachabend anfing, entschied sich die junge Regierung des Staates Israel im Jahre 1951 für ein Datum, das zwischen Pessach und Jom haAzmaut, Tag der Unabhängigkeit, lag. Schon am Namen des Gedenktags sieht man, dass wir uns nicht nur an die Gefallenen durch die Hände der Henker erinnern, sondern auch an die Helden, die gegen das Böse gekämpft haben, als man uns das Existenzrecht weggenommen hat.

Natürlich lebend in Europa können wir die Gedenktage, die hiesige Leben bestimmen, nicht ignorieren. Aber wir sollten nicht die unterschiedlichen Akzente, die das eine oder andere Ereignis bestimmen bzw. in ihrem Grund liegen, außer Acht lassen.

Das erste Mal sah ich einen Adventskalender im November 2003, nachdem ich hier bereits einige Monate gelebt habe. dDiese bunten mit verschiedenen Zahlen verzierten Pralinenschachteln sehend, dachte ich zuerst, was sich die Konzerne alles ausdenken, um tiefer in die Taschen der Konsumenten greifen zu können. Aber eine Weile später erfuhr ich den Namen und den Zweck. Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Hameln berichtete mir über ihren „Widerstandskampf“ gegenüber der Massenkultur und über selbst gebastelte Chanukka - Kalender.

Für die Kenner in Latein ist das Wort Advent kein Zauberwort, sondern bedeutet - Ankunft. Diese stand in der Regel im Kontext „Ankunft des Herrscher“. D. h. es war verbunden mit der Vorfreude auf das ins „Amt treten“ des neuen Imperators und dem damit erwartenden Vorgeschmack der Lebensverbesserung oder mindestens der dazugehörigen Feierlichkeiten. So war es z. B. mit der Imperatoren: Nero, Vitellius und Vespasian. Zur Mitte des 4 Jh. n. Z. hat man, entsprechend der Römischen Bräuche bezüglich der Herrscher, über den Geburtstags Jesus im Christentum debattiert, da dies die Hauptreligion des Römischen Reiches zu diesem Zeitpunkt geworden war. Im Westen einigte man sich auf den 24. Dezember, da es bereits ein heidnischer Feiertag, der unbesiegten Sonne, gewesen war und man ihn prächtig beging. Denn nach den drei kürzesten  Tagen  im  Jahr  konnte  die  Sonne  im  Sternbild  des  Kreuzes  im  Süden „auferstehen“. In der Amtszeit von Papst Georg der Große, am Ende des 6. Jh., begrenzte man die Erwartung der Ankunft auf 4. Wochenenden. Nur in der Mitte des 19. Jh. dachte man sich verschiedene Methoden für das Zählen der Ankunft des christlichen Feiertages aus. Die Adventskalender kamen erst über die Ladentheken  zu Anfang des 20. Jh.

Bei uns ist das Ankommen des 9. Monats, Kislev, mit der Vorfreude auf Chanukka am 25. des Monats verbunden. Man soll nach dem Vollmond noch zirka 10 Tage zählen und sich innerhalb der 8 kommenden Tage freuen. Wenn man jeden Tag die Lichter leuchten lässt, singt und mit den Familienangehörigen zusammen spielt, den Kindern Chanukka Geld gibt  und  leckere  Chanukka  Speisen  kostet,  bleibt  solche  Feierlichkeit  lange  im Gedächtnis. Außerdem erwartet man ungeduldig solche Feierlichkeiten im nächsten Jahr. Falls  man  aber  dies  noch  mit  Chinuch,  Erziehung,  verbindet,  dass  das  Leben entsprechend  der  jüdischen  Weltanschauung  keine  konstante  und  unveränderte Gegebenheit sei, und man für die eigenen Rechte kämpfen muss, dann würden die Feierlichkeiten nicht zu einem Ladenmarathon, nach fälligen Geschenke, degradieren. Sondern die Herzen würden sich mit dem Licht des Chanukkaleuchters füllen, welches im Bedarfsfall zu einem Inferno werden könnte.

IIm November gedenken wir, 80 Jahre nach dem Pogrom am 09. -10. November 2018, wann ein dicker Punkt auf das jüdische Leben gesetzt wurde. Dieses Ereignis hat nicht nur die vorherige Geschichte der deutschen Juden durchgestrichen, sondern war auch ein Vorspiel für die zukünftige totale Vernichtung des europäischen Judentums. Ab Ende der 50-er Jahre hat man vorsichtige Schritte aufeinander zu, seitens einiger aktiven Mitglieder der damaligen Jüdischen Gemeinden und ihres deutschen Nachbarn, gemacht. Der Dialog schlug in zwei Richtungen, einerseits waren es die religiösen Begegnungen zwischen Christen und Juden, andererseits die Entscheidung der Gesellschaften für die Deutsch - Israelitische Freundschaft. In den beiden Kreisen waren nur wenige Menschen beteiligt. In den Neunzigerjahren hat die gewachsene Jüdische Gemeinschaft mehr Aktivitäten in der deutschen Gesellschaft gezeigt. In unserem Bundesland gab es diese Gelegenheit zuerst, als die Landesgemeinde ein geschlossenes Leben wegen ihrer kleinen Größe, zu Zeiten der DDR führte. Deswegen klingt die Jüdische Stimme seither lauter bei diesen oder jenen gesellschaftspolitischen Diskussionen.
80 Jahre entspricht der Lebenszeit einer Person, bzw. zweier Generationen im Gesellschaftsleben.

Jetzt kommt eine neue Generation an die Reihe, die leider oft in der eigenen Geschichte nicht kundig ist, und sich geistig von alten Mythen ernährt, welche in der virtuellen Realität des Weltnetzes üppig gedeihen. Der Antisemitismus findet dort Humus und basierend auf dem allgemein sinkenden Bildungsniveau kehrt er in die deutsche Gesellschaft durch den Haupteingang, verstärkt, zurück. Zum großen Bedauern finden diese Gedanken immer mehr Zustimmung in der Mitte der Gesellschaft. Auch einige Beamte auf verschiedenen Positionen sind davon nicht befreit. Natürlich sind wir, Gott sei Dank, weit weg von der Gesellschaftslage des letzten Jahrhunderts. Die Gesetze des Staates, sein Apparat und die Judikative beschützen unsere Rechte entsprechend dem Grundgesetz unseres Landes, wo wir wohnen. Es gilt noch, dass man diese oder jene Entscheidung eines Beamten entsprechend bestimmten Regeln bzw. Gesetzen anfechten kann. Wir sollten aber nicht vergessen, dass die National-Sozialisten die Gesetze in nur innerhalb von fünf Jahren so zu verändern haben, dass die deutschen Juden außerhalb derer standen. Zudem hat man ihren Beitrag zur deutschen Kultur und dem Gesellschaftsleben keine Aufmerksamkeit geschenkt. Auch die so genannte Arbeitspartei hat ihren großen Zuspruch bei den breiten Massen der Bevölkerung innerhalb von vier Jahren gewonnen.

In der modernen Demokratie entscheidet die Mehrheit über die Schicksale der Minderheiten. Deswegen sollte man die Zerstörung der Mythen als die erste Aufgabe sehen. Nur wenn man sie mit der Realität konfrontiert, verlieren sie ihren bezaubernden Schall. Hier können wir unseren Beitrag leisten, wenn wir persönliche Kontakte mit der nicht jüdischen Umgebung pflegen.

In den ersten Tagen des Oktobers feiern wir unsere fröhlichen Feiertage Schemini Azeret und Ssimchat Tora. Das Erste ist ein biblisches Fest, das die Reihe der Herbstfeiertage beendet. Der Zweite wurde aber durch unsere Weisen im Mittelalter eingeführt, um einerseits den zweiten, verdoppelten, Tag des Schemini Azeret mit extra Inhalt zu füllen, und anderseits die Bedeutung des Lernens der Tora zu unterstreichen. Ssimchat Tora bedeutet in der Übersetzung Freude der Tora. An diesen Tag feiern wir mit Freude die Tatsache, dass wir den Chumasch, Fünf Bücher Moses, endlich zu lesen beendet haben. Aber wir werden sofort mit noch größerer Freude und Enthusiasmus anfangen, ihn wieder von Anfang an zu lesen. Wir müssen ihn aber nicht nur lesen, sondern tief und grundsätzlich studieren. Falls jemand Lieblingsbücher hat, werden sie immer wieder nachgeschlagen und durchgelesen. Dabei findet man neue Horizonte in bereits bekanntem Sujet. Aber in unseren Fall ähnelt mehr dem Vergleich, dass man sich nach dem Abitur sofort wieder bei der Grundschule anmeldet, um jetzt mit den bereits erworbenen Kenntnissen das Schulprogramm besser zu verstehen.

Die Tradition, die Torainnerhalb eines Jahres zu lesen, haben uns die Schüller der Babylonischen Jeschiwot, wo solche Tradition schon bereits mehrere Jahre existierte, mit- bzw. beigebracht. In Eretz Jisrael, im Land Israel, dauerte der Zyklus des Toralesung drei Jahre lang, wie uns aus dem Jerusalemer Talmud bekannt ist. Die Expansion des Islams trug in der erster Linie zur Verbreitung der arabischen Sprache im Nahen Osten und im Norden Afrikas bei. Die darauf folgende Kodifizierung des Korans, durch Geheiß des dritten Kalifen ‘Uthmān ibn ‘Affān, verstärkte sein Studium in der Islamischen Welt. Eine der Kritik des Korans an den Völkern der Bücher, d. h. an Juden und Christen, war, dass sie ihre heiligen Texte, sei es die Tora für die Juden, sei es das Evangelium für die Christen, schlecht d. h. mangelhaft kennen. Dies könnte als ein zusätzliches Argument fungiert haben, dass man die Hingabe der Juden für das Toralernen öffentlich zeigen sollte. Dabei passen der Anfang des neuen Jahres und das Ende der Herbstfeiertage für dieses Zyklus am besten. Außerdem sollte man nicht verschweigen, dass die Synagogen am Ende der Herbstfeiertage etwas leerer aussehen und man einen neunen Schwung der Begeisterung braucht. Deswegen hat der neunte Tag, wenn man vom Anfang des Ssukkot rechnet, eine neue Bedeutung in den Gemeinden der Diaspora bekommen. Die Freude der Torahat dabei mehr öffentlichen Charakter erhalten, anstatt nur einen Teil des Gottesdienstes zu bleiben, der oft vor fremden Augen verborgen bleibt.

Wir sollten uns aber nicht in erster Linie über die Tora freuen, sondern über die Möglichkeit sie und unser Erbe zu studieren. Unser Erbe umfasst nicht nur Torasche- biktaw, die schriftliche Tora, sondern auch Tora sche-be-al-pe, die mündliche Tora, den Nachlass unsere Weisen. Die Erste kodifiziert die göttliche Botschaft in komprimierter Form. Die Zweite hilft dagegen das verborgene göttliche Licht der Tora in unserem scheinbar veränderbaren Universum zu entdecken.

Jedes Jahr innerhalb der Urlaubszeit versuche ich diese oder jene Ecke unseres Bundeslandes zu besuchen. Während dieser kleinen Reisen schafft man nicht nur die Schönheit der Natur bzw. Architektur der Städte und Dörfer genießend zu betrachten, sondern es gibt auch die Gelegenheit sich mit den verschiedenen Menschen zu treffen. Alles dies gibt den Anlass für die Unterhaltung und die Möglichkeit allerlei Fragen zu stellen, die man schon länger auf den Lippen hatte. Unter anderen Umständen sind solche Treffen schwer zu organisieren. Aber wenn man sich unterwegs befindet, fallen viele Formalitäten bei Seite, was sich wiederum auf die Intensivierung des Gesprächs auswirkt. Wegfallen von Formalitäten sind in der amerikanischen Kultur mit dem gemeinsamen Golfspielen verbunden. Im russischen Kulturkreis sind es die gemeinsamen Sauna—Besuche. In unserer Tradition spielt dabei der Besuch der gleichen Synagoge, Haus der Begegnung, eine Rolle. Einerseits begegnen wir hier einander, andererseits streben wir hier danach unsere Beziehung zum Ewigen aufzubauen.

Der Monat Elul, in dem Jüdischen Kalender, passt dazu am besten. Wie unsere Weisen sagen, ist der König in diesem Monat unterwegs. Entsprechend haben wir eine bessere Gelegenheit auf mehr persönliche Treffen mit dem Schöpfer, als nach seiner „Krönung“ an Rosch ha-Schana. Seiend uns mehr Näher, in unserer Umgebung und Alltagsleben, zeigt der König mehr Mitgefühl für unsere Sorgen und Bedürfnisse. Vorbereitend zum Tag des Gerichts und der Hohen Feiertage haben wir die Möglichkeit ihm unsere Argumente zu erörtern, zu unseren Verfehlungen zu stehen. Dies sollte man noch vor dem himmlischen Gerichtsprozess und dem Fallen des Urteils machen. Deswegen haben unsere Weisen Sselichot,  die Buß- und Rauegebete, in dieser Zeitperiode festgelegt. Wir fangen sie am 25. des Monats Elul, d. h. am 5. September zu lesen an. Mögen unsere Worte gehört werden, wie beim privaten Gespräch unterwegs.

Die letzte Monate waren voll mit den verschiedensten Ereignissen in Politik und Sport. Während des Schreibens dieser Sätze hat die Fußball WM noch nicht angefangen und die Fußballfans antizipieren, wie sich die Ergebnisse der Schlachten, im Voraus, auf dem Fußballfeld entwickeln. Die zugrunde dieser Wettkämpfe liegende Idee, ist die Übertragung der Konfrontationen in mehr friedliche Bahnen zu lenken, dadurch würde man das offenkundige Blutvergießen vermeiden. Bedauerlicherweise wurden die sportlichen Ereignisse mehr und mehr in der letzten Zeit politisiert. Alle Seiten versuchen sie für die eigenen Zwecke zu missbrauchen. Als Resultat verstärken solche sportlichen Ereignisse oft nur die bestehenden Konfrontation.

Eine der Ursachen dieses Phänomens ist die Verwurzelung in der hellenischen Weltanschauung, die mit der Zeit zur Betrachtung der „seelenlosen“ Welt transformiert wurde. Es ist der so genannte moderne Atheismus. Verbindend mit dem progredienten Ego erlaubt es vielen ein bequemes Leben zu führen. Die Betonung liegt dabei auf den eigenen Prioritäten im Lichte des gegenwärtiges Moments. Alles dies führt den Menschen nach eine Weile und verschiedenen Wegen zur Verzweiflung. Unsere Weisen haben verschiedene Heilmittel dagegen angeboten...

Das 3. Kapitel von Pirkej Awot, Sprüche der Väter, eröffnet Akawia ben Mahalalel mit folgenden Worten: „Betrachte drei Dinge, und du kommst nicht in die Hände der Sünde: Erkenne, woher du kommst und wohin du gehst und vor wem du einst Rechenschaft ablegen wirst; woher du kommst? Von einem Tippah serucha, stinkenden Tropfen; und wohin du gehst? zu einem Orte, wo Staub, Made und Wurm sich befinden; und vor wem du einst Rechenschaft ablegen mußt? vor dem Könige aller Könige, dem Heiligen, gelobt sei er!“

Hier verweigert er keine Konzeption der materiellen Welt. Er spitzt sie sogar zu. Die Meilensteine des Lebens, ihr Anfang und Ende, sind bei jedem Individuum gleich und keine Person hat irgendwelche Vorzüge und Vorteile vor der Anderen. Nur die mentale Wahrnehmung der Existenz des Absoluten außerhalb der sinnlichen Rahmen der Welt gibt die Grundlage für den Aufbau der Gesellschaft, der die Bestrebungen des Egos ins Gleichgewicht bringt. Dadurch werden die Tendenzen zur zerstörerischen Wettkämpfe außer Kraft gesetzt.

Der Auszug aus dem Land Ägypten und das Ankommen im Land Kenaan sollte mit einem kleinen zeitlichen Zwischenstopp am Berg Sinaj unterbrochen werden, um dort ein Bündnis mit dem Ewigen zu schließen, der schon bereits den ersten Teil Seines Versprechens an unseren Vorfahren erfüllt hatte. Dort sollte der Anfang der Übergabe der Lehre, Tora, für Israeliten durch Mosche stattfinden.

Torat Mosche, Moses Lehre, enthält nicht nur  die Gesetzte, die zur praktischen Anwendung bestimmt sind, sondern auch die moralisch - ethnischen Werte, die basierend auf das Erfüllen der Gesetzte für das reale Leben im gelobten Land, wohin sich die, Mizrajim - Ägypten, verlassenden Kinder Israels bewegten, integriert werden sollten. Da diese Lehre und die mit ihr verbundene Weltanschauung allumfassend ist, durchdringen die entsprechenden Gesetzte der schriftlichen und mündlichen Tora alle Bereiche und Aktivitäten der Gesellschaft. Mit der Umsetzung in der Letzteren sollte man geistigen und moralischen Wachstum erreichen. Bewegend in das Land, welches die den Götzendienst, das Recht des Stärken und die Wertlosigkeit des fremden Lebens praktizierende Völker bewohnten, bekam das entstehende jüdische Volk sein eigenes neues Rechtsfeld. In der Verwirklichung dessen lag die Hauptaufgabe des Jüdischen Volkes gegenüber den Schöpfer darin, dass sie Jisrael Goj Kaddosch, Israels heiliges Volk, werden konnten, oder wie Jesaja, Jeschajahu (42,6) sagte: „leOr Gojim, zum Lichte von Nationen“.

Aber die früheren Generationen konnten dem entsprechenden geistigen Niveau nicht standhalten. Zeitweise hörten sie den Stimmen der Propheten zu und kehrten auf die Wege der Gerechtigkeit und der Wahrheit, Zedek we-Emet, zurück. Manchmal wichen ihre Herzen und Augen vom Wege ab und dabei verzerrten sie die Realität und Wege der Tora. Als Folgen dessen traten soziale Katastrophen über den Köpfen der Generationen herein, die unsere Weisen und Propheten als die Strafe von oben bezeichneten. Die Weisen rufen zur Rückkehr auf die Wege des Friedens, Darkej Schalom.

Im Laufe der Zeit verbreitete sich die Idee der auf den Gerechtigkeitsgesetzen basierten Gesellschaft unter den vielen anderen Völkern ebenso. Aber das gestellte Ziel bleibt auch heute für die Menschheit unerreichbar. Ein Grund dafür ist, die Tatsache, dass die Zügel der Regierung häufig in den Händen der Menschen sind, die mit den, die Lektionen der Vergangenheit vergessenden Beratern umzingelt sind, die zudem nur eigene momentane Ziele verfolgen. Als Ergebnis gilt, dass die durch die vielen Generationen hart gewonnene Gesetzlichkeit ihre Macht verliert und neue Katastrophen auf künftige Generationen lauern. Nur die Rückkehr auf die Wege der Gesetzlichkeit durch jeden von uns, bewahrt künftige Generationen von den furchtbaren sozialen Aufrufen.

„ha Lachma Anija, dies ist das Armutsbrot...“, mit diesen Worten beginnen wir unseren Sedderabnend jedes Jahr. Dabei zeigen wir ein Stück, ein Blatt der Maza. „So einen“, führen wir fort, „haben unsere Vorfahren im Lande Mizrajim, Ägypten, gegessen. Jeder, der hungrig ist, komme und esse. Jeder, der Bedürftig sei, komme und nimm am Pessach teil...“. So weit, so gut.

Dieser Text wirft mehr Fragen auf, als er Antworten parat hat. Seine Sprache ist Aramäisch, obwohl die ganze Hagada auf Hebräisch geschrieben ist. Er kommt nur zur Zeit der Geonim, d.h. zum 10. Jh. n. z. R. vor, in früheren Texten fehlt er. Das Pessachlahm konnte man dagegen nur in der Zeit des Tempels essen, wenn dies dort ordnungsgemäß geschlachtet wurde. Außerdem sollte man sich am Kauf des Lahmes beteiligen, wie wir in Paraschat haChodesch lesen, und nicht einfach vorbeikommen und sich sättigen. Mit der Platzierung dieses Textes innerhalb der Hagada haben unsere Weisen auch ein Problem gehabt. Wir müssen auch nicht vergessen, dass die Maza, als Armutsbrot heutzutage zum reich gedeckten Tisch im gewissen Widerspruch steht. Was will uns dieser Text mitteilen, was wir nicht aus dem Urtext heraus lesen könnten?

Dieser einleitende Text sollte uns eine Art Brücke zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft schaffen. Er wendet sich an seine Zuhörer bzw. Leser in ihrer damaligen Alltagssprache, die nicht nur den Nachkommen der Israeliten, sondern auch ihren Nachbarn bekannt sein sollte. Es erinnert uns an die Zeiten, als unsere Vorfahren arm und versklavt waren und nur noch das Nötigste zum Leben, in der Fremde, hatten. Dazu fordert er uns heraus, mit jemand Anderem, sogar Unbekannten, unsere Gaben zu teilen. Man kann den Hunger des Anderen nicht einschätzen, man handelt entsprechend der Bedürfnisse Anderer.

Teilnahme am Pessachlahm, klingt für uns perspektivisch. Würde der Tempel stehen,
hätte man die Andern miteinbezogen. Natürlich sollte man hier auch die Halacha, das jüdisches Recht, nicht vergessen. Bedürftige könnten nur dann teilnehmen, wenn sie auch ihren Beitrag dazu leisten und die entsprechenden Regeln akzeptieren. Das ist ein Model der Gesellschaft, die wohlhabend ist und auf gemeinsamen Werten basiert, aber die Nöte der Vergangenheit nicht vergisst. Sie unterstützt Andere und ist bereit mit ihnen ihre Gaben zu teilen.

Irgendwann, zum Ende der 90-er Jahre des letzten Jahrhunderts, noch lebend auf dem Trümmerfeld der ehemaligen Sowjetunion, wo die Energieressourcen und das Wasser für die Bevölkerung zum Grundkostenpreis angeboten wurden, hat man gelegentlich die Geschichten erzählt gehört, dass man im entfernten Deutschland - und noch mehr im Land Israel- beim Duschen die Wasserzufuhr während des Einseifens unterbricht. In Israel gibt es bekanntermaßen ein Wasserproblem. Aber die Frage, warum die Bürger Wasser sparten, blieb für den Erzähler ein Rätsel. Der Geiz ist Schuld daran, meinte der eine Zuhörer und der Dritte fand das die Lösung in nichtbegründeten höheren Tarifen für die Bevölkerung lag. Worüber man sich keine Gedanken gemacht hat, waren die Durchführbarkeit und die Effizienz des Verbrauchs der Energieressourcen und Bodenschätze. Besonders galt dies, wenn man unter dem Motto aufgewachsen war, und das eigene Land groß, reich und mächtig wäre.

Kurz nach der Einreise in die Bundesrepublik, es waren nicht mehr als zwei drei Monate vergangen, konnte ich dies schon persönlich erleben, als die Wasserhähne in den Duschkabinen des Wohnheims auf Automatik gewechselt wurden und sich bereits nach ein paar Minuten ausschalteten. Natürlich spielte der finanzielle Aspekt hier auch eine Rolle, aber der Grundgedanke war der Umweltschutz.

Dabei ist dieser Gedanke dem Judentum nicht fremd. In diesem Jahr fällt der 15. Schewat, Tu bi-Schwat, das Neujahr der Bäume auf den 31. Januar. Das ehemalige Finanzjahr für den Ertrag der Bäume wurde ab den 16. Jh. neuer Zeitrechnung zum Tag der geistigen Verbundenheit mit dem Land Israel. Nach der Entstehung des Zionismus verwandelte sich dieser Tag in den Tag der Baumpflanzung im gelobten Land.

Wir, samt unseren Kindern, Enkelkindern und sogar unsere vor Jahrtausenden lebenden Vorfahren sowie die gesamten Nachkommen, die in den nächsten Jahrhunderten leben werden, sind nur Mieter auf diesem Planet. Der Schöpfer siedelte hier Menschenkinder an, um diesen Garten zu pflegen. Jede neue Generation leiht alle Ressourcen bei den kommenden Generationen aus, und als Gegenleistung hinterlässt diese die Produkte ihrer Lebensaktivität.

Es sind nicht nur die Ideen, Technologien, Kultur und Architektur, sondern auch der allgemeine Zustand des Planeten: Qualität und Quantität der Energieressourcen und der Bodenschätze; Vielfalt oder Mangel an Flora und Fauna. Da die materielle Welt ihrer Natur nach begrenzt ist, gilt folgende Regel, je mehr eine Generation für eigene Zwecke verbraucht, desto weniger bleibt für die Kommende. Falls wir unsere Kinder nur als Verbraucher erziehen, bestehlen wir unsere Enkelkinder. Die Jüdische Tradition sieht alle Geschlechter: von unseren Erzvätern bis zum Messianischen Zeitalter als eine Gesamtheit, Klal Jisrael, Gemeinde des Israels. Wir müssen nicht nur die uns von den Ahnen anvertrauten Ressourcen rational benutzen, sondern auch für die Kommenden vermehren. Mit der Einpflanzung eines Baumes  machen wir nur eine erste Anlage für unsere zukünftigen Generationen.

Was vielen Menschen in unserem Land noch nicht bekannt ist, dies erlebe ich hin und wieder, ist die Tatsache, das Juden kein Weihnachten feiern. Sie suchen sich keinen Tannenbaum aus, machen keinen Adventskranz und zählen nicht mal die Tage bis zum
24. Dezember. Nichts davon. Es ist schwer für uns zu ergründen, warum man so einen Aufwand zum Geburtstag eines Juden leistet, die Geburtstage Anderer aber - vergessen werden.
Wenn wir den Humor bei Seite lassen, können wir sagen, dass Jesus keine Rolle für das Judentum speilt.
Dagegen sind wir verdutzt, warum man mit uns kein Chanukka Fest begeht. Denn im
Jahre 167 vor der neuen Zeitrechnung brach ein Aufstand in Judea aus, weil der Tempel in Jerusalem damals von Hellenisten verunreinigt wurde, den Juden verboten war Torah zu lernen, einen eigenen Kalender zu führen und sich beschneiden zu lassen. Hätten die Juden nach drei Jahren keinen Erfolg im Kampf für ihre Weltanschauung gehabt, hätte man heute, eine andere Welt - ohne Kirchen, Moscheen und Synagogen. Manche glauben, es wäre eine bessere Welt gewesen, mit griechischen Tempeln oder einer Welt a la Rom. Wo wären dann solche Werte wie Gerechtigkeit, Nächstenliebe, und Barmherzigkeit  geblieben?

Und wieder erscheint vor uns die Freude der Chanukka. Wir nähern uns mühelos diesem Feiertag. Nach langer Pause, die fast zwei Monate dauerte, da Ssimchat Tora der letzte Feiertag war, der stets auf den 23 Tischri fällt, werden wir mit Freude die Chanukka Kerzen anzünden. In diesem Jahr wird die erste Kerze am Abend des 12. Dezember leuchten. So spricht es jedenfalls unser Kalender. Dabei schweigt er, vielleicht laut der Annahme, dass es jedem bekannt sein sollte, jedu-a be-zibbur, das dies der Meinung der Schüler aus dem Lehrhaus des Hillels entspricht, Beit Hillel. Darüber sprach ich vor zwei Jahren. In den Mehrheitsfällen agieren wir der Realität entsprechend, der mehr „liberalen“ Version der Halacha dieses Lehrhauses. Nur in wenigen Ausnahmen entspricht das moderne jüdische „Recht“, Halacha, der Meinung der mehr „konservativen“ Schule des Schamais, Beit Schamai. Die Anführungsstriche in den oben geschriebenen Wörtern dienen dazu, um Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass diese Wörter nicht hundertprozentig ihrer modernen Bedeutung entsprechen, sondern sie heutzutage auf unseren Lippen hängen. Halacha ähnelt in seinem Wesen dem arabischen Wort Scharia, und nicht dem europäischen Wort Recht. Der Wortstamm entspringt dem Verb halach, Infinitiv le-holech, Gehen. Es ist näher an der Bedeutung des Wortes - der Weg, als in dem europäischen Verständnis - Recht- zu verstehen.

Der Mensch ist in diesem Koordinatensystem kein auf der permanenten Basis sitzendes/ stehendes Subjekt, sondern ein sich Bewegender - von einem Punk zum festgesetzten Ziel. Mit anderen Worten ist er ein sich zur Veränderung fähiges Subjekt. Er kann seine physischen und geistigen Positionen und Zustände im Bezug auf dieses Ziel verändern. Natürlich gilt als das ideale Absolute, der Ewige, und die mit Ihm in Verbindung stehende Messianische Zeit, limot ha-Maschiach, als oben genanntes Ziel. Nach der Beschreibung unserer Propheten sind es die Zeiten, wenn Gottes Ruhm und Ehre in allem zum Vorschein kommen, und die Welt mit der Kenntnis über Ihn voll sein, wird.

Zurzeit sind wir noch auf dem Weg zu dieser Weltordnung. Wissend über unser Ziel müssen wir den Weg dorthin wählen. Diejenigen, die ein Navigationsgerät besitzen, wissen, dass man verschiedene Wege wählen kann: Einer ist kürzer, der Anderer ist schneller, der Dritte ist sparsamer, aber der Vierte kann in einer Sackgasse landen, falls man kein Update gemacht hat... Unsere Weisen haben immer einen optimalen Weg gewählt, der uns, diejenigen die sich dafür anstrengen, zum vorangestellten Ziel führt. Aber dieser Weg ist nicht die einzige Möglichkeit, er ist unser, der jüdische Weg. Und auf ihm gehend werden wir nicht mehr Recht haben, sondern mehr jüdisches in unserem Leben. Dabei nähren wir uns mit Hilfe der Halacha dem von unserem Schöpfer gegründeten Ideal und entsprechend Seiner Forderungen zum Jüdischen Volk.

Es gibt ein gemeinsames Bild, das man in allen jüdischen Gemeinden Deutschlands beobachten kann. Das ist die Suche des eigenen Weges. Dafür gibt es zwei Ursachen. Die erste Ursache ist die Tatsache der Vernichtung fast aller jüdischen Gemeinden im Dritten Reich. Die Zweite ist die Neugründung der jüdischen Gemeinden in deutschen Städten. Bis zu den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts waren es die Krümel des deutschen Judentums und ihre Familienangehörigen, plus die Reste der europäischen Juden, die nicht in ihre Heimatorte zurückkehren wollten und deswegen hier, in Deutschland, geblieben sind. Nach den 90er Jahren stieß ein riesiger Teil, im Vergleich zu den bereits Angekommenen und Eingelebten, an sowjetischen Juden aus den ehemaligen Bruder — Republiken dazu. Diese Versammlungen und später Gemeinden bestanden großteils aus der Menschen, deren Kenntnisse des Judentums auf eigenen persönlichen Erfahrungen und den Grad der Neugier basierten. Diese sind im Regelfall von einem Individuum zum Anderen sehr unterschiedlich. Einige Gemeinden haben den Mut gefasst und die Kraft gefunden diese Spezialisten einzuladen, die den Gemeinden helfen sollten in Rahmen des Judentums zu bleiben. Diese heißen Rabbiner. Vor der großen jüdischen Zuwanderung konnte man die Zahl der Rabbiner in der BRD an den Fingern zweier Händen abzählen. Und heute gibt es etwas mehr als fünfzig Rabbiner. Sie stehen gegenüber zweihunderttausend Gemeindemitgliedern und ihre Familienangehörigen, dazu kommen auch noch mehrere Millionen, am Judentum interessierte Menschen, aus der Gesellschaft. Aber alle diese Rabbiner kommen auch aus verschiedenen Kreisen: liberale , orthodoxe und chassidische; aschkenasische und ssefardische; Vertreter der polnischen, deutschen, bucharischen, kaukasischen oder sogar der ChaBaD Tradition; die ihre Ssemecha, ihr Recht auf den Titel zu tragen, in einer Institution oder im Rahmen des Programms des Staates Israel bzw. privat von drei anderen Rabbiner erworben haben; die in Deutschland, in Israel, in der ehemaligen Sowjetunion oder in den USA aufgewachsen sind. Wir alle befinden uns in einem Schmelztiegel. Die jüdischen Gemeinden in Deutschland befinden sich in dem Prozess der Wiedergeburt und der Neugründung. Dies führt oftmals zu Konflikten, denn verschiedene Minhagim, Traditionen, treffen auf einander und ab und zu sind sie sogar widersprüchlich.
Schauen wir z. B. die Zeremonie des Anzündens der Kerzen am Schabbat an. Für viele ist
die Sache klar: man nimmt das Streichholz und zündet die Kerze an. Dabei murmelt man, sagt oder singt die Bracha auf Hebräisch und alles ist erledigt. Von der rabbinischen Perspektive ist es nicht so einfach und diesem Thema wurden mehrere Paragrafen in den Büchern gewidmet. Aschkenasische Juden zünden die Kerzen und dann sagen sie den

Segensspruch. Chassiden fügen am Ende das Wort Kodesch, Heilig hinzu. Mehrere Ssefarden sind gegen beide Varianten. Sie sagen zuerst den Segensspruch ohne was hinzu zufügen und erst danach zünden sie die Kerzen an. Aber der jüdische Weg, Halacha, fordert alle auf, die Schabbatkerzen am Freitagabend anzuzünden. Und alle stimmen damit überein.

Während ich diese Sätze schreibe, bereiten wir uns auf die kommenden furchtbaren Tage, Jamim Norajim, vor. In dieser Zeit zittern wir innerlich vor unserer Zukunft, nicht wissend welches Urteil uns im Himmlischen Gericht erwartet. In diesen Tagen lassen wir unser Erlebtes des vergangenen Jahres Review passieren. Wir bereuen alles, was wir falsch gemacht haben, wir bitten um Verzeihung bei unseren Nächsten und bei dem Ewigen für bewusste und unbewusste zugefügte Mängel und Beleidigungen. Wir bewegen uns auf dem Weg der Teschuwa, Reue, genauer gesagt Rückkehr. Diese Tage beendet man mit Jom Kippur, dem Versöhnungstag. Fastend hoffen wir auf den Freispruch, darauf, dass wir jetzt unsere Beziehung mit dem Ewigen und unserer näheren und fernen Umgebung wieder aufbauen können.
Der Monat Oktober beginnt am 11. Tischri in diesem Jahr. In seinen ersten vier Tagen bereiten wir uns zu den kommenden Feiertagen Ssukkot, Laubhüttenfest, vor. Wir bauen eine Ssukka, Laubhütte, unser vorübergehender Wohnsitz. Wir sammeln vier Arten der Pflanzen, Arbaa Minim. Unsere Weisen beschreiben den Feiertag Ssukkot als die Zeit unserer Freude, Seman Ssimchatejnu. Dieser Feiertag beendet die Trauerzeit, und jeder muss ihm mit Freude begegnen. Denn die Freude ist eine der Mizwot, eines der Gebote dieses Feiertags. Viele fragen sich, wie kann man sich freuen, wenn es so viele Probleme, Kummer und Leid in der Welt gibt. Es gibt Krankheiten, die mit jedem Jahr schwerer und schwerer zu ertragen sind, Streitigkeiten zwischen Nachbarn, Freunden und Familienmitgliedern. Nicht zu vergessen dabei, sind auch die leeren Taschen, die das Leben schwieriger machen.
Natürlich werden unsere Probleme mit dem Anfang des Feiertags nicht kleiner und sie werden nicht von alleine verschwinden. Einiger Zurreskann auch noch dazu kommen. Aber das wichtigste für einen Mensch ist die Hoffnung und Emuna, Vertrauen - dem Schöpfer dieser Welt, Boreschel Olamim. Die Fähigkeit ein Funken des Lichts, ungeachtet aller Schwierigkeiten und Kratzer dieser Welt, zu finden, lernt uns sich zu freuen. Die Freude lässt bei uns nicht nur die Hoffnung wachsen, sondern eröffnet uns die Existenz des Barmherzigen, harachaman, in dieser Welt. Nur dort, wo die Freude existiert, kann man die Anwesenheit des Ewigen zwischen den Menschen erleben. Danach können wir mit größerer Empathie auf unsere Umgebung schauen, sehen bei unseren Nächsten nicht nur noch den Bösewicht und Verursacher unserer Probleme, sondern Menschen die uns ähneln, und dass es in jedem von ihnen einen Funken des Schöpfers gibt.

Der Herbstanfang ist bei uns, in der Regel, eine sehr angespannte Zeit. In diese Periode fallen die so genannten „Hohen Feiertage“, die auch als JamimNoraim,die furchterregenden Tage bekannt sind. An Rosch ha-Schana wird das Urteil des himmlischen Gerichts für das kommende Jahr im Bezug auf die ganze Menschheit gefällt. Zehn Tage später, an Jom Kippur, wird dieses Urteil bekannt gegeben und besiegelt. So, entsprechend unserer Tradition, sollten wir diese Tage in Ehrfurcht vor dem Ewigen verbringen. Dabei denkt man über seine Taten in dem vergangenen Jahr nach und versucht den durch seine Taten bzw. das Nichthandeln entstandenen Schaden zu minimieren. Das betrifft nicht nur die Beziehungen zum Ewigen, sondern in der erster Linie Zwischenmenschliches mit dem Nächsten.

Den Jahresanfang, dabei sind wir nicht originell, verbindet man mit positiven Wünschen und Versprechen für das kommende Jahr und mit dem Versuch sich von der Last des vergangenen Jahres zu befreien. Das erinnert an das Glas Champagner am 1. Januar während der sowjetischen Periode, oder an das bekannte Versprechen ab dem kommenden Montag anders zu leben.Unsere Gebete und Gottesdienste während dieser Tage sind voll mit den Gedanken über Teschuwa, Reue und Rückkehr. Es gibt aber einen Brauch, der Taschlich heißt. An Rosch ha-Schana, in den Nachmittagsstunden gehen wir zu einem See, Fluß oder Bach, wo Fische leben, und entleeren symbolisch unsere Hosen- oder Sakkotaschen. Einige füllen Sie mit Brotkrumen um den Reinigungsprozess auf der physikalischen Ebene zu erleben. Denn Chamez, Gesäuertes, symbolisiert unter Anderem aufgeblasene Selbsteinschätzung. Dementsprechend basierend auf dem Vers des Propheten Micha (7;19) werfen wir unsere Sünden in die Tiefe des Meeres, dorthin, woher sie nicht zurück kehren können.

Bei dieser Episode ist die Anwesenheit der Fische im Wasser eines der wichtigsten Kriterien. Fische, im Unterschied zu anderen Tieren, haben den gleichen Segen vom Ewigen erhalten wie das erste Menschenpaar. Aber das ist nicht die einzige Ähnlichkeit zwischen uns. Fischen gleich - rennt der Mensch auf dem Lebenswege von einer Seite zur Anderen umher. Wenn der Mensch dabei nicht vorsichtig ist, wird er stolpern und so ruht die Sünde vor der Türe, wie die Gefahr auf einen unachtsamen Fisch lauert. Verlassen sie ihr natürliches Umfeld, das Wasser, trocknet der Fisch aus und stirbt. So geht es auch unserem Volk, verlässt es das Umfeld der Tora, unser Wasser des Lebens, stirbt es geistig aus. Erinnernd an das Schicksal der Fische lernen wir so leben, dass wir nicht von einen Raubtier gefressen werden, nicht in das Netz der Fänger geraten , auf dem Trockenen oder in einem Aquarium landen.

So eben, am Ende des Mais, haben wir Schawout gefeiert. Diesen Feiertag nannten unsere Weise "Seman matan Toratejnu", "Zeit des Geschenks unsrer Tora". Ab diesem Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte haben wir eine Orientierungshilfe bekommen, die beim Aufbau der Gesellschaft helfen sollte. Mosche stieg demnach auf den Berg Sinaj, um dort die mündliche Lehre, Tora sche-be-al-pe, zu empfangen. Den Konspekt, den wir als schriftliche Tora kennen, notierte er dann innerhalb der vierzigjährigen Wanderung in der Wüste. Und obwohl die Lehre göttlichen Ursprungs ist, nennen wir sie Torat Mosche, Moses Lehre. Die beiden sind wie Siamesische Zwillinge, die man nicht trennen kann, und falls man dies macht, "sterben" die beiden Teile schnell "ab". Die schriftliche Tora erinnert uns an die mündliche Tora, die Letzte erklärt und deutet die Erste. Jeder, der beim "Unterricht" anwesend war, kann mit Hilfe des "Konspekts" das Gehörte in die Erinnerung zurück rufen. Aber es ist sehr mühsam ein fremdes Konspekt zu entschlüsseln, falls man die Stunde verpasst hat. Diese Erfahrung hat jeder von uns, ab den höheren Klassenstufen in der Schule, gemacht.

Was ist dann mit Mosche, der allein vierzig Tage auf dem Berg weilte, wie können wir alle an seiner "Privatstunde" teilnehmen? Hier erklärt uns Pirkej Awot, Sprüche der Väter, im ersten Vers: Mosche empfing die Lehre vom Sinaj und überlieferte sie dem Joschua, Joschua den Ältesten, die Ältesten den Propheten und die Propheten überlieferten sie den Männern der großen Versammlung...

Wir sehen, dass unsere Tradition zwei Perioden der Überlieferung beinhaltet: eine mit Hilfe der Propheten, die andere mit Hilfe der Weisen. Hier muss man erwähnen, dass die gängigste Bezeichnung für Mosche, Mosche Rabbejnu ist - Moses unserer Lehrer. So, obwohl er offiziell die Kette der Propheten anfing, gilt er auch als Erster in der Linie der Weisen. Die Rolle der heteronomen Offenbarung wird mit der Zeit vermindert und an ihre Stelle tritt die autonome Entschlüsselung mit Hilfe der überlieferten Methoden. Dieser Weg geht von kleinen Details heraus bis zum Begreifen des Allgemeinen. Göttliche Inspiration greift in menschliches Denken über.

Unsere Weisen und mit ihnen die ganze Rabbinische Lehre verstehen sich einerseits als Nachfolger der Mosaitischen Lehre, Torat Mosche, andererseits suchen sie nach neuen Wegen die komplexe Göttliche Realität zu begreifen. Dabei gab ihnen die überlieferte Tradition Rahmenbedingungen und Mittel dazu. In ihrem Sinne entstand das Gebilde des Judentums im Laufe der Jahrtausende. Die Fragen, die sie alle zu beantworten pflegten, lauten: was bedeutet es eine Jüdin bzw. ein Jude zu sein? und, wie kann man es heute am besten realisieren ?

Diese Fragen bleiben auch für uns aktuell und wir sollen im Lichte unserer Tradition  die Antworten suchen.

Neulich haben wir unseren Feiertag Pessach beendet, der auch unter anderem den Namen "Zeman Cherutejnu", "Zeit unserer Freiheit" bekannt ist. Der Weg zur Freiheit der von unseren Vorfahren an jenen Tagen vorbereitet wurde, angefangen von der Befreiung aus der Leibeigenschaft war verbunden mit dem Ziel die Freiheit des Geistes zu bekommen. Nur nach den Ereignissen am Schilfmeer, als der Pharao und seine Elitetruppen vernichtet wurden, begriffen die Kinder Israel endlich, dass sie weder Sklaven des Pharaos noch Ägypter sind. So ernannten sie durch den Jubel des Meeresliedes, Schirat ha-Jam, den Ewigen zu ihrem König. So erklärt es uns mindestens unsere Liturgie... Dieser Akt des Vertrauens an den Ewigen und Mosche als seinen Gesandten, begleitete sie weitere Tage, bis sie nach sechs Wochen am Berg Ssinaj standen, um dort mit dem Ewigen in den Bund zu treten. Das Letzte sollte ihnen und ihren Nachkommen, sprich uns, die Geistige Freiheit geben. Diesen Tag haben unsere Weisen als "Seman matan Toratejnu", "Zeit des Geschenks unsrer Tora" genannt.

Tora, die Lehre, die dabei offenbart wurde, leitet die Menschen nicht zur Erfüllung der Wünsche des eigenen Egos, was wiederum die innere Abhängigkeit von eigenen Trieben bedeutet, sondern zur freiwilligen Anerkennung von "Ol Malchut Schamajim", "Joch des Himmels" und dessen bewusstes auferlegen . Nicht das Ego unsrer Mitmenschen, nicht so mehr unser eigenes Ego sollten uns durch das Leben leiten, sondernd der Wille des Allerhöchsten, des Ewigen. Oder wie es der am Anfang des 3. Jahrhunderts lebende Rabban Gamliel, Sohn des Rabbi's Jehuda ha Nassi, im Pirkej Awot, Sprüche der Väter (2; 4) sagte: "Erfülle Seinen Willen, wie deinen Willen, dann wird er deinen Willen wie Seinen Willen erfüllen. Versage dir deinen Willen wegen Seines Willen, dann wird Er den Willen anderer Versagen wegen deines Willens."

Jeder von uns hat einen Kompass und eine Orientierungshilfe nach diesen Erkenntnissen am Berg Ssinaj bekommen. Mit ihrer Hilfe kann man sich aus der Sklaverei befreien und zur Freiheit des Geistes gelangen. Vielleicht ist es schon an der Zeit das Geschenk auszupacken?

Im April werden wir Pessach feiern. Dem Beginn des Festes begegnen wir mit großen Feierlichkeiten. Man macht Ssedder, freut sich, schmeckt Mazza. Das Ende der Festwoche geht irgendwie liturgisch verloren. Deswegen haben unsere Weisen Jiskor, die Erinnerung an unsere Verstorbenen, schon vor Jahrtausenden am Ende der Woche platziert, damit dies auch einen Inhalt hat. Besonders an Jiskor ist, dass wir uns nicht bloß an jemanden uns nahe stehenden erinnern, sondern auch eine Zeddaka für wohltätige Zwecke in seinem Namen geben. Es ist einfacher jemandem zu gedenken als in seinem Namen gute Taten auszuüben. Diese Wohltaten werden laut des Judentums der gestorbenen Person zu gewiesen, als ob sie oder er es selbst getan hätte. Das Gute, das wir mit ihnen in Verbindung bringen, wirkt so über ihre Existenzzeit hinaus. So bleibt der Name für uns und unsere Mitmenschen erhalten.
Wir haben auch andere Mitzwot gegenüber unseren Dahineingeschiedenen. Nach der Beerdigung pflegen wir ihre Gräber, Plätze ihrer letzten Ruhe. Vor den Feiertagen missten wir alles aus, und bringen ein Stein mit, Zeichen des Besuchs und unserer Verbundenheit. Nicht der frisch geschnittene Strauß zeichnet das jüdische Grab aus, denn die Gestorbenen können nicht riechen, noch sehen, sondern der Haufen Steine, der von einem zu anderen Besuch wächst. Jeder mitgebrachte Strauß freut den Blumenhändler und ist eine Ohrfeige für die dort Liegenden. Es wird keine Person geehrt, sondern das eigene Ego befriedigt.
Jeder, der auf unseren Friedhöfen ruht, hat das Recht auf sein letztes Haus bis in die Ewigkeit. Diejenigen, die aber irgendwo draußen begraben wurden, verlieren ihr Recht nach eine Weile. Je nach Friedhofsordnung passiert dies nach 20, 25 oder 30 Jahren, falls man es nicht verlängert. An einigen Stellen kann man gar nicht verlängern. Deswegen ist es eine große Mitzwa, bei solchen Fällen das Grab auf einen jüdischen Friedhof umzubetten, damit der Name nicht in Vergessenheit gerät, besonders, wenn keiner von den Verwandten mehr dort lebt.
Laut unserer Weltanschauung können die guten Taten einer Person nach ihrem Tod weiter stattfinden, so weit ihre Nachkommen die Erinnerung an sie bewahren und gute Taten in ihrem Namen ausüben.

Der Monat März ist unter anderem dadurch gut, da er im Kalender als erster Frühlingsmonat verzeichnet ist. Obwohl wenn man das Wetter dieses und der vorherigen Monate beobachtet, fällt es einem mit der Zeit schwer, solchen Behauptung zu äußern. Denn in beiden Monaten gibt es kalte und warme Tage. Möglicherweise liegt die Ursache für diese Feststellung in der Tatsache, dass der Tag der Tag-und Nachtgleiche in den März fällt, und zum Ende des Monats ist die helle Zeit des Tages länger als die Dämmerung und Nacht zusammen. Das ist wiederum aktuell nur für uns, die Bewohner der nördlichen Hemisphäre so. Südlich vom Äquator ist es genau umgekehrt.

Für das Jüdische Volk fängt der letzte, der zwölfte Monat des Jahres, Adar, in dieser Zeit an, falls es kein Schaltjahr ist. Das heißt, wir bereiten uns vor, Purim zu feiern. Im Laufe des letzten Jahrhunderts verschiebt sich seine Auffassung in Richtung "Spaß", genauer gesagt, zur Leichtsinnigkeit. Von einem ernsten, mehrsinningen und problematischen Feiertag wird er zu einem Kinderfest umgedeutet. Etwas Ähnliches hat das christliche Weihnachten erlebt, wo ein Geschenk von Santa Claus wichtiger ist als die christliche Bedeutung.

Was ist es denn mit unserem Jüdischen Feiertag? Schon Königin Ester und Wesir Mordechaj haben befohlen, dass das Volk diesen Tag in allen Generationen durch feierliche Mahlzeit, Freude, Mischloach Manot - gegenseitiges Senden von verschiedenen Speisen und durch Beschenken der Armen zelebrieren sollte. Unsere Weisen der folgenden Generationen fügten das Lesen der Megilat Ester, Esterrolle, hinzu. Außerdem ist es verboten an diesem Tagen zu fasten und auch öffentlich zu trauern. So, wie wir sehen, sollten wir uns einerseits während des Feiertags freuen, andererseits soll jeder von uns, jedes Jahr, erneut über die zu dem Feiertag geführten historischen Ereignisse nachdenken.

In erste Linie war es der erste dokumentierte Versuch der Ausrottung des Jüdischen Volkes, der auf der Autorität eines Staates - Königs basierte. Zweitens wurde uns die Sammlung der grundlosen antijüdischen Vorurteile und der Wünsch, sich auf Kosten der Ersparnisse der Anderen zu bereichern, gezeigt. Aber das Wichtigste ist, dass in einer Geschichte, wo kein Mal der Name des Allmächtigen erwähnt ist, Seine unsichtbare Führung durchsickert. Das Wort Ester bedeutet in Hebräisch "Ich verhülle mich". Auch der Allmächtige verhüllt seine Existenz vor uns, in unserer Realität. Nur durch die Überprüfung der Kasuistik des Lebens kann man seine Präsenz entdecken, die uns mit seinem "unsichtbaren Arm" leitet.

Schon vor Jahren spazierend durch Magdeburg entdeckte ich ein Denkmal, das an die Hundertjahrfeier bezüglich der Befreiung Magdeburgs von Napoleon erinnert, und von dankbaren Bürgern der Stadt errichtet worden war. Betrachtet man die Lebenserwartung jener Zeiten, kann man ahnen, dass keiner dieser Bürger die Napoleon - Kriege erlebt hatte. Höchstens wüsste man davon aus den Erzählungen der Eltern oder sogar Großeltern, die zu jener Zeit auch nur Kinder gewesen wären, als Erwachsene aber die Gründung des Deutschen Kaiserreichs erlebt hätten. Die bürgerliche Begeisterung rund um den "ersten Weltkrieg" war die wahre Ursache für solche Projekte.

In diesem Februar wird man sich an die hundert Jahre seit der bürgerlichen Februarrevolution im Russischen Reich erinnern. Wir haben in unseren Gemeinden sogar ein paar Menschen, die dies durch Kinderaugen und -ohren erlebt haben. Dadurch war eins der Kriegsziele erreicht, die die großen Veränderungen in der Menschheitsgeschichte eingeleitet hat. In erster Linie betraf es das Schicksal des größten Teils unseres Volkes, zumindest unsere Achkenasen. Ein Teil nahm es mit großer Begeisterung an, denn es war kein großes Geheimnis, dass die allgemeine Lage der Juden im Russischen Reich miserabel war, und die Erinnerung an Pogrome war noch sehr präsent. Andererseits haben die dortigen Gemeinden noch innere Autonomie, was zum Blühen verschiedener hassidischen Gruppierungen und Mitnagdim beitrug. Die neue Regierung beseitigte Diskriminierungen und gab unseren Vorfahren Bürgerrechte, was wiederum die Beteiligung der Juden an neuen revolutionären Prozessen stärkte. Der Preis dafür war, wie wir heute wissen, nicht die hoffnungsvoll erwartete Gleichstellung und -berechtigung, sondern fortschreitende Assimilation mit anschließendem Vernichten der jüdischen Kultur und ihr Träger in kongenial Europa. Bis heute sind die Debatten noch nicht beendet, was uns mehr geschadet hat, geistige oder körperliche Blutung. Aber für die enormen Schäden, die unser Volk innerhalb des zwanzigsten Jahrhunderts erlitten hatte, bleibt nur eine Beschreibung - Katastrophe des europäischen Judentums. Das Judentum hat viele Gesichter und viele davon wurden brutal ausradiert. Für die nationalen Bestrebungen europäischer Völker mussten die Juden nicht nur mit Münze sondern auch mit eigener Identität, Kultur und sogar mit dem Leben bezahlen.

Heute streben viele jung entstandene Staaten, Volksbewegungen oder Parteien in Europa nach nationaler Identität und "Unabhängigkeit". Der Geist aus der Flasche plädiert für die Selbstbestimmung und eigene Interessen. Die kontinental europäischen Juden nehmen in diesen gefährlichen Spielen auf dieser oder jener Seite teil. Dabei sehen sie die eigene Position in Rosarot, denn sie sind für die Gerechtigkeit, gegen Andere - das Böse. Dabei vergessen wir, dass wir an Jom Kippur für Barmherzigkeit beten und nicht für Gerechtigkeit. Nur das eigene Handeln sollten wir durch Prismen der Gerechtigkeit ansehen. Die Entscheidungen der Anderen können wir nur Postskriptum beurteilen, ist es schlimmer oder besser geworden, wer hat profitiert und wer hat verloren. Man lernt aus der Vergangenheit und heutige Entscheidungen bilden die Zukunft. Das hinterlassen wir unseren Kindern.

Mit dem Januar fängt für uns nicht nur das neue Steuerjahr, sondern auch ein Jahr der Entscheidungen, die unser Zusammenleben für das nächste Jahrzehnt prägen werden, an. Sei es die Außenpolitik des neu gewählten Präsidenten der USA, sei es die Zusammensetzung des neuen Bundestages und der Bundesregierung.

Traditionell sah das Judentum die Rolle eines Familienvaters, als "Außenminister" in der kleinsten Einheit der Gesellschaft. Ursprünglich saßen angesehne freie Männer in verschiedenen Räten, um das Leben eines Dorfes oder Stetls zu bestimmen. Heute sitzt die Mehrheit von ihnen öfter vor dem Bildschirm des eigenen PC's um in virtuellen Foren das Schicksal der Menschheit zu "bestimmen". Es geht um ernste Fragen, wie etwa: sollte Putin Allepo bombardieren?, oder was sollten die Amerikaner machen, um den Rest der Welt zu ihrer Weltanschauung zu zwingen. Im Ergebnis werden diese Streitereien in die reale Welt überlagert, wo nicht selten die langjährige Beziehung zu den Nächsten mit Schaum auf den Lippen abgebrochen wurden.

Unsren Familienfrauen wird durch das traditionelle Judentum die Rolle der "Innenministerinnen" zugeschrieben. Zu ihren "geringsten" Fragen zählen unter anderem die Fragen des Haushalts, für was das Geld ausgegeben werden soll, damit der Politiker aus der Wohnung Nummer X nicht mit leerem Magen in die neue Diskussionsrunde tritt.

Dabei müssen schon bei der Erstellung der Einkaufsliste mehrere Dinge berücksichtigt werden, etwa: welche Soße es sein soll, wie lange die Lebensmittel gegart, gekocht oder gebraten werden müssen um perfekt zu sein. Falls man im Haushalt noch Kinder hat, die auf elterliche Versorgung angewiesen sind, müssen die Frauen auch diese Fragen klären und sich zusätzlich um die Gesundheit aller sorgen. Kurz gesagt befassen sich die Mehrheiten aller Frauen mit der Realpolitik und nicht mit bloßem Gerede als eitvertreib.

Dies alles, was die Rollen beschreibt, kann man in Mischlej, Prediger, im Kapitel 31, 10-31 lesen. Diesen Text, Eschet Cheil, singt jeder Mann seiner Frau vor dem Kiddusch am Schabbat Abend. Es gibt aber einen gravierenden Unterschied im Verständnis dieser Rollenmodelle und ihrer modernen Erfüllung. Die traditionelle Frauenrolle war von vornherein definiert, man kann ihr besser oder schlechter entsprechen, sie mit Liebe oder Hass (er)füllen. Dagegen soll man zur traditionell angesehenen Männerrolle gelangen. Sie muss man sich verdienen. Durch die eigene Leistung und das Wohlergehen der eigenen Großfamilie, die mehrere Generationen umfasst, erreichte man die Anerkennung der Gesellschaft. Nur dann kann man seine Rolle und den mit ihr verbundenen Status genießen und "außenpolitisch" aktiv sein.

Soweit sich die Tage drastisch kürzen, und die Dunkelheit über der Nordhalbkugel länger als das Licht herrscht, erinnert man sich rasch an das Fest des Lichtes, Chanukka. Es hilft uns durch das Anzünden des Chanukkaleuchters, Chanukkija, einen Beitrag zum metaphorischen Kampf zwischen Licht und Finsternis beizutragen. Da wir überall im Weltall oder mindestens auf unserem Planeten von Paaren, dualen Systemen oder Gegensätzen umzingelt sind, fügen wir diesen einen gegenseitigen Kampf gern hinzu. Den größte Beitrag in den letzten Jahrtausenden hat dazu unsere Schwesterreligion, das Christentum beigetragen. Dort spricht man über den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, deswegen betont man sehr gern den Satz: "entweder, oder", bzw. "schwarz oder weiß".

Angeblich, nach der Aufklärung, hätte man zum Weltbild gelangen müssen , wo alles komplexer ist, Farben und Grautöne existieren. Mit der französischen Revolution und allen weiteren bürgerlichen Revolten sollte man sich von der tausendjährigen Dominanz der Kirchen trennen und mehr Freiheit und Chancengleichheit für das Individuum schaffen. Es lief unter dem Motto, dass jede bzw. jeder ein Recht auf einen Platz unter der Sonne hat. Sehr schnell kippte es um und bald hieß es "Kampf ums Dasein". Plötzlich gab es wieder richtige und falsche Farben und Töne. Eine Seite verkörpert "das Richtige und Wahre", die Andere ist "Böse und Falsch". Da man nicht selber für die "Wahrheit" sterben will, sondern von ihr profitieren, sucht man überall nach Freiwilligen, die in diesem Kampf ihren Beitrag leisten, im extremen Fall sogar mit dem Preis des eigenen Lebens. Wie man in diesem Fall sagt: "Für die Idee zu sterben ist es wert." Imaginäre Nachkommen sollten dann im "Reichs des Lichtes" leben, im Zweifelsfall Kommunismus.

Einmal fuhr ein Jude mit dem Auto zum Gottesdienst. Parkend um die Ecke zur Synagoge, bezahlte er Parkgebühren für zwei Stunden und ging los. Jeder der in die Synagoge kam, sah sein Auto, was ihm die Möglichkeit bot über sein gelungenes Geschäft zu prahlen. Da er nicht in der Tradition war, wusste er nicht, dass der Gottesdienst an dem Tag länger als üblich war. Der Kantor sang die festlichen Pijutim, Gedichte. Der Rebbe belehrte die Gemeinde in seiner Rede. Nur ein Gemeindemitglied schaute immer wieder auf seine Uhr und schimpfte leise dabei. Sein Parkticket ist abgelaufen und er dachte die ganze Zeit an die mögliche Kontrolle und den Strafzettel. Er verließ den Gottesdienst früher und sah, dass sein Auto abgeschleppt wurde.

Bei uns ist das Weltbild einerseits einfacher, andererseits komplexer. Monotheismus bedeutet halt Mono, d.h. Eins. Es gibt nur einen Schöpfer und außer Ihm gibt es nichts. Es gibt keinen Gegner oder Widersacher, es läuft kein Kampf. Alle wahrnehmbaren Gegenseiten sind die verschiedenen Seiten gleicher Münze. Manchmal ist es Kopf, manchmal die andere Seite. Alles ist abhängig von dem Blickpunkt des Betrachters. Es existiert keine Finsternis, das ist nur die Leere und der Mangel an Licht. Soweit man ein Licht zündet, je nach seiner Stärke, wird die Umgebung erleuchtet und die scheinbare Finsternis verschwindet. Die gute Taten, Mizwot, ähneln dem Licht. Je mehr man sie übt und vermehrt, desto mehr gibt es Güte in dieser Welt und das Übel verschwindet. Wir zünden jeden Tag ein Licht mehr, zuerst das Neue und dann die Alten. Auch bei guten Taten muss man immer etwas dazu fügen um die Welt zu verbessern.

Nach zahlreichen Feiertagen am Anfang des jüdischen Jahres, die den ganzen Monat Oktober gefüllt haben, schein der Monat November leerer zu sein. Wenn man dazu noch die Wetterlage mit einbezieht , dann wird er oft als trüb angesehen. In diesem Jahr fällt er mit dem Monat Cheschwan oder wie man ihm noch nennt Mar Cheschwan, bitterer Cheschwan, zusammen. Laut einer anderen Meinung soll man das Präfix Mar, nicht vom Hebräischn-bitter ableiten, sondern vom Aramäischen - Herr. Diese ehrende Präfix wurde zugefügt um den Monat zu würdigen, der keine Feiertage enthält. Aber, wie wir in der Toralesung zum Feiertag Ssukot, Laubhüttenfest, gehört haben, ist der Erste und der Wichtigste jüdische Feiertag, der Schabbat, obwohl er am meistens im Jahr vorkommt.

Eine der wichtigsten Komponenten des Feiertags ist Mikra Kodsch, heilige Versammlung. Wir versammeln uns im Hause der Versammlung, Beit Knesset, oder Synagoge auf Griechisch, damit wir nicht frieren und nass werden, draußen. Dabei unterhalten wir uns, besprechen Neuigkeiten und Nachrichten und nicht selten sündigen wir mit Gerüchten. Wir freuen uns alte Bekannte und Freunde wiederzusehen. Aber das Wichtigste ist, wenn wir uns zusammenscharren, werden wir zu Kahal, Versammlung, und wir sind bereit zu dem nächsten Schritt, Adat Jisrael, Gemeinschaft zu werden, die mit Gott einen direkten Draht hat, Jischar El. Denn da die Buchstaben Schin und Ssin, die gleiche Schreibweise haben und es keine Vokale gibt, kann man anstatt Jisrael, Jischar El lesen. Nur wenn wir alle gemeinsam handeln, können wir diesen Zustand erreichen. Deswegen wird ein Teil unserer Gebete nur bei der Anwesenheit eines bestimmten Quantum gelesen. In die Synagoge kommend, streben wir einen Zustand an, zu versuchen die Wahrnehmung des Göttlichen in dieser Welt bei uns zu ermöglichen. Dabei vereinen wir unsere Kräfte um den Effekt zu verstärken und zu verbessern. Jude sein kann man nur in der Mitte der Gleichgesinnten. Wenn man sich weit entfernt von der Gemeinde befindet und dabei meistens Gebote befolgt, verliert man trotzdem mit der Zeit ein Teil seiner Jüdischkeit. Auch wenn man sich in der Gemeinde aufhält, aber dabei nur seine eigenen Ambitionen befriedigt, erwirbt man keine Jüdischkeit, sondern man befriedigt seinen Hunger nach Aufmerksamkeit. Jetzt eine Majsse:

Einmal fuhr ein Jude mit dem Auto zum Gottesdienst. Parkend um die Ecke zur Synagoge, bezahlte er Parkgebühren für zwei Stunden und ging los. Jeder der in die Synagoge kam, sah sein Auto, was ihm die Möglichkeit bot über sein gelungenes Geschäft zu prahlen. Da er nicht in der Tradition war, wusste er nicht, dass der Gottesdienst an dem Tag länger als üblich war. Der Kantor sang die festlichen Pijutim, Gedichte. Der Rebbe belehrte die Gemeinde in seiner Rede. Nur ein Gemeindemitglied schaute immer wieder auf seine Uhr und schimpfte leise dabei. Sein Parkticket ist abgelaufen und er dachte die ganze Zeit an die mögliche Kontrolle und den Strafzettel. Er verließ den Gottesdienst früher und sah, dass sein Auto abgeschleppt wurde.Kurz darauf wurde er abberufen und stand vor dem himmlischen Gericht. Ribbono ha- Olam, Herr der Welt, klagte er, ich fuhr so weit weg zum Gottesdienst, und meine Belohnung war ein Strafzettel und das Auslösen des Autos! Wo ist die Gerechtigkeit? Der Allmächtige antwortete: "Du bekamst die Möglichkeit Geld für ein Auto bei Seite zu legen, damit du meinetwegen, Le-Schem Schamaijim, in die Synagoge führest. Du aber fuhrst dort im Namen deines Ego! Dein Ego hast du größer gemacht und nicht meinen Namen!"

In diesem Jahren fallen alle Herbstfeiertage auf den Monat Oktober, der voll von unseren Aktivitäten in den Gemeinden sein wird. Auch das Septemberwetter hat uns noch mal gezeigt, dass der Anfang des Herbstes mit dem jüdischen Kalender übereinkommt. Der 1. Tischrei fällt auf den 3. Oktober, deswegen werden wir am Vorabend einen feierlichen Gottesdienst gestalten, um Rosch ha-Schana, Kopf oder besser Haupt des Jahres freudig zu empfangen. Eine Besonderheit dieses Tages sei, dass er 48 Stunden dauert, Joma Aricha, ein langer Tag. Der erste und der zweite von Tischrei sind laut unserer Weisen noch von der Zeit der ersten Propheten als ein Tag zu betrachten. Deswegen feiern ihn die Juden zwei Tage lang, sei es Zuhause oder in der Gemeinde, sei es in Diaspora oder im Land Jisrael. Das ist der einzige unserer Feiertage, an dem sich kein Mond an dem nächtlichen Himmelsgewölbe beobachten lässt. Er ist versteckt, so wie auch unser Schicksal für das kommende Jahr vor uns verdeckt bleibt. Aber verfestigt wird es gerade in diesen Stunden.
Dieser Tag hat schon von Anbeginn der Menschheit eine schicksalstragende Bedeutung. Am ersten Tischrei des ersten Jahres waren Adam und Chawa (Eva) erschaffen. Am selben Tag sündigten sie, waren als Strafe aus dem Gan Eden, Paradiese, vertrieben und später begnadigt. So hat die Menschheitsgeschichte angefangen. Laut Rabbi Eli'ezer wurden an diesem Datum Abraham und Jaakov geboren, ihre Sterbetage fielen auch auf den ersten Tischrei. Sarah, Rachel und Chana wurden an diesem Tag wieder fruchtbar. Dies waren die Anfänge der neuen Etappen in der Geschichte unseres Volkes und später der Menschheit. An diesem Tag, Jahrzehnte später, wurde Josef aus seinem Kerker befreit, wo er lange zwölf Jahre gegessen hat, und ab diesem Datum leuchtete sein Stern auf dem politischen Himmel des Mizrajims, Ägypten, dem das Land zu einem der Mächtigsten seiner Zeit verhilft.
Jom ha-Din, Tag des Gerichts nennen unsere Weisen diesen Tag. Die Entscheidungen des Himmlischen Gerichts widerspiegeln und prägen unsere Schicksale für das ganze Jahr 5777. Dabei werden nicht nur neue Markzeichen in unsrem privaten Leben gesetzt, sondern in die Schicksale der Völker und Staaten. Damit wir nicht nur darüber sprechen, sondern das auch spüren können, schmücken wir unsere Tafeln mit runden Chalot und Fischköpfen. Wir tunken Apfel in Honig und wünschen einander nur Besseres im kommenden Jahr. Da wir vom Leben gelernt haben, dass nicht nur eine helle, sondern auch eine dunkle Periode im Leben auftaucht, wollen wir diese minimieren. Wie schafft man den Einfluss der "schlechten" Zeiten zu minimieren? Unsere Weisen sagten: "... u-Tefila u-Zedoka u-Teschuwa, ma-awirin er ro-a ha-gezera", ... Gebet, Wohltätigkeit und Rückkehr (zur Quelle), verändern (mildern) harte Strafe (Urteil).
Schana Tova u-Metuka, ein Süßes und Gutes Jahr

Im Monat Juli fangen die Ferien an, dabei wird das beendete Schuljahr für einige unserer Gemeindemitglieder nicht nur das letzte sein, sondern auch eine neue Etappe in ihrem Leben markieren. Auf dieser Etappe müssen sie vielleicht das bekannte und vertraute Zuhause verlassen und eine neue Bleibe, mitunter sogar einige hundert Kilometer entfernt, von dem Elternhaus finden. Im Unterschied zur Natur, wo Jungvögel jedes Jahr als Erwachsene ihre Nester verlassen, brauchen unsere Kinder mehr Zuwendung, Unterstützung und Betreuung. Die Zeitspanne fängt bei neun Monaten der Schwangerschaft an und dehnt sich bis zum erstere Berufserfolg.
Im Westen streckt man das Erwachsenwerden auf Jahrzehnte. Als Ergebnis werden einige Mitglieder der Gesellschaft nicht erwachsen, obwohl sie schon mehrere Jahrzehnte hinter sich haben. Es mangelt bei ihnen an Verantwortung für ihr eigenes Leben und für die Umgebung. Wahrscheinlich werden die sie betreffenden Entscheidungen, wie in der Kindheit, in ihrem Umfeld getroffen und nicht von sich ihnen selbst getragen. Dabei klingen ihre eigenen Wünsche wie Launen eines kleinen Kindes. Infantil zu sein ist ein untrennbarer Teil solcher Gesellschaften, was sich wiederum in deren politischen Strukturen widerspiegelt.
Durch Passivität geprägt legen solche Menschen die Entscheidungen für ihre Schicksale in die Hände der so genannten Eliten, die ihrerseits, in eigenem Interesse handelnd, die groben Bedürfnisse des Volkes befriedigen. Bereits im antiken Rom sagte man, das Volk bedürfe Brot und Spiele. Falls Brot fehlt, kann man hören: " Hunger", falls es an Spielen mangelt, hört man: "Langweilig". Das ist das Verhaltensmuster, das schon in früher Kindheit ausgeprägt wird. Man nennt dieses Verhalten teilweise "egoistisch", teilweise "egozentrisch", abhängig von dieser oder jener Besonderheit. In unserer Tradition hat man solches Verhalten mit dem Jezer ha-Ra, Böser Trieb in Verbindung gebracht. Laut der Meinung unserer Weisen entwickelt sich der Böse Trieb ab dem ersten Tag ihres Lebens, er wächst und gedeiht zusammen mit dem Kind.
Er gehört zu den Grundelementen unseres Daseins. Dagegen beginnt Jezer ha-Tov, der Gute Wille bei einer Persönlichkeit, im Alter des Erwachsenwerdens zu keimen. Bei Mädchen ist es um das vollendete 12. Lebensjahr, bei Jungen um das 13. In der Zeit wo Jezer ha-Tov nur erste Erfahrungen sammelt, konnte Jazer ha-Ra sich gut entwickeln und sich mit der Persönlichkeit verbinden. Annähren des Menschen zum Guten dauert länger und ist mit großen psychisch - emotionalen und physischen Aufwand verbunden. Öfter erinnert es an eine Bewegung eines Krebses zwei Schritte vor, einen zurück. Deswegen fangen verantwortungsvolle Eltern mit der Erziehung der Kinder noch vor deren Geburt an - bei sich. Damit bei den Eltern, wenn die Kinder ihr Nest verlassen werde, keine Kopf- und Herzschmerzen entstehen.

Sehr oft fällt der Monat Juni, aus dem gregorianischen Kalender, mit dem Monat Ssiwan aus dem jüdischen Kalender zusammen, und d. h. dass wir Juden, den Feiertag Schawuot, Wochen, feiern, oder, wie unsere Weisen dies nannten, Zeit unserer Toragebung, Zeman Matan Toratejnu. Für die Menschen, die fern unserer Tradition stehen, sind diese Geschehnisse als Gottes Offenbarung bekannt. Ihrerseits ist es vielleicht richtig so, denn für sie kamen, die sich rasant entwickelnden Ereignisse am Berg Ssinaj unerwartet. Aber für das jüdische Volk galt es als Ziel des Auszugs aus Ägypten. Das Wort Tora bedeutet die Lehre. Deswegen sollte das frisch befreite Volk neue Orientierung im sich neu eröffnenden Horizont des Leben bekommen. Fünfzig Tage trennten unsere Vorfahren von jener Nacht, als sie das gegrillte Lamm mit bitterem Kraut und Mazot gegessen hatten. Die Generationen der in der Sklaverei aufgewachsenen Menschen, die fließen auf ägyptisch sprachen, konnten gewiss keine Veränderung in der Weltanschauung innerhalb eineinhalb Monate durchführen. Die Ereignisse haben sich so rasant entwickelt, dass die Mehrheit auch keine Fragen bezüglich der bevorstehenden Zukunft hatte. Ermüdet durch die Flucht haben sie nicht aufgehört sich über die schlechten Bedingungen zu beklagen. Überall sahen sie nur Mangel: an Wasser, Fleisch, oder Brot. Außerdem trafen sie Amalek in der Ssinaj Wüste, kurz vor dem Berg Ssinaj. Gegen diesen Stamm sollten sie kämpfen. Aber am schwierigsten war es für sie den Schabbat zu halten, den Tag, an dem sie nichts machen durften, außer die Ruhe zu genießen.
Mosche, der sie zum Berg führte, beschäftigte sich wahrscheinlich auch nicht mit Fragen über die Zukunft. Möglicherweise stützte er sich auf die damals schon seit Abraham bekannte Redewendung: "Behar Adonaj Jerae, Auf den Berg des Ewigen erscheint es". Anderes ausgedrückt vertraute er dem Ewigen. Das Schließen des Bundes am Berg Ssinaj war das notwendige Zwischenglied vor dem Einmarsch in das gelobten Land. Nur durch die Akzeptanz der Ol Malchut Schamajim, des Jochs des Himmels, konnte das jüdische Volk, genauer gesagt die Kinder Jisraels, eine gleichberechtigte Seite des Bundes zwischen dem Ewigen und Abraham werden, und das Land als Erbteil empfangen. In ihrer Einheit antworten sie Na'ase we-Nischma, wir werden machen und hören, dabei haben sie vergessen das Kleingedruckte zu lesen. Wir, ihre Nachkommen, haben erfahren, was für unser Volk in Jahrtausenden der Geschichte vorausgesehen war. Auserwählt zu sein für das jüdische Volk bedeutet, nicht nur die eigene schwerer Last zu tragen, sondern auch die Verantwortung gegenüber unserer Umwelt.

Am Abend des 25. Mai fängt Lag ba-Omer an, der 33. Tag des Omerzählens, d. h. der 33. Tag nachdem die Garbe der Gerste im Jerusalemer Tempel gebracht worden war. Diese Zahlung brachten Juden der Antike, in der Zeit als es noch keinen festen Kalender gab, um zu wissen, wann der Feiertag Schawuot anfangen sollte. In jenen Zeiten wurde für das Fest kein festes Datum genommen. Mal fiel es auf den 05., mal auf den 06., ab und zu auf den 07. Ssivan. Hauptsache es ist der 50. Tag in der Zählung nach dem Pessach. Laut unserer Überlieferung endete am 33. Tag des Omerzählens im zweiten Jahrhundert dieser Zeitrechnung eine Pest, die das Leben von zwölftausenden paar Schülern von Rabbi Akiwa beendet hat. Wahrscheinlicher ist es, dass es keine Pest war, sondern die Verfolgung gegen die Aufständischen, deren Anliegen Rabbi Akiwa unterstützt hat.
Wie auch immer, es wurde in dieser Zeit ein großer Teil der Jüdischen Elite in Erez Jisrael, im Lande Israel, ausgerottet. Deswegen werden die ersten 32. Tage der Omerzeit als Trauertage angesehen.
Der 33. Tag aber ist ein Tag der Freude. An ihm wird viel gefeiert mit Lagerfeuer und Bogenschießen, Tora lernen und Hochzeit feiern. Beim Tora lernen wendet man sich dem Kabbalistischen Werk Sohar, was Lichtschein heißt, zu. Dieser Tag symbolisiert einen neuen Anfang. Wenn alle anderen Tage in einem Schatten der Trauer stehen, leuchtet der eine Hoffnungsstrahl. Solcher Tag bringt das Verborgene zum Vorschein. Wie der angebliche Autor des Buches Sohar - Rabbi Schimon Bar Jochai, dessen Todestag auf Lag ba-Omer fällt, weswegen dieser Tag auch den Status Hillula - Erinnerungsfeier hat. An seinem Grab werden an diesem Tage, auf dem Berg Meron nahe Zefat, Lichter gezündet. Rabbi Schimon Bar Jochai erleuchtete den Tag mit der Hoffnung auf die künftige Erlösung, durch die Beschäftigung mit der verborgenen Lehre.

Im Monat April werden wir uns an die Geschichte des Auszugs aus Mizrajim, Ägypten erinnern. Sedder Pessach ist nicht nur eine bloße Erinnerung, es ist das Erlebnis der Auszugsnacht. Aber, bevor wir mit dem Sedder beginnen können, sollen wir unsere Häuser von Chamez, gesäuerten Teig und Brot reinigen. Die Tora ist in dieser Frage kompromisslos. Alles, was unter den Begriff Chamez, Gesäuertes fällt, sollte nicht gesehen und nicht im Besitz von Bnej Jisrael, den Kindern Jisraels sein. Deswegen kauft man mit Beginn des Monats Nissan weniger Lebensmittel die Chamez enthalten, damit man bis zu Pessach seine Vorräte verbrauchen kann. Den Rest kann man nichtjüdischen Nachbarn oder Bedürftigen geben, was wiederum die Nachbarschaftsbeziehungen aufbessern und die gegenseitige Verständigung stärken kann. Dazu kommt kurz vor Pessach der Frühlingsputz. Jede Ecke des Hauses bzw. der Wohnung wird untersucht und von möglichen Chamez befreit. Biur Chamez, Wegschaffen von Chamez heißt dieses Prozedere. Der Herd und der Kühlschrank werden gründlich gereinigt, das Geschirr und Besteck ausgetauscht. In Israel bringt dieses Fest mehr Stress als Freude. Mehrere Lebensmittel werden für eine Woche aus unseren Menüs vertrieben und Mazzemehl wird auf den Hauptplatz gestellt. Wo liegt der Unterschied zwischen Chamez und Mazza? Auf der physikalischen Ebene unterscheidet sich Mazza durch einfache Komponenten, es gibt nur Mehl und Wasser. Ab der ersten Berührung der beiden Komponenten bis zum fertigen Produkt sollen nicht mehr als 18 Minuten vergehen. Laut unserer Weisen kann in dieser Zeitspanne kein Gärprozess anfangen, so bleibt das Brot ungesäuert. Der Unterscheid zwischen beiden liegt in Menschenhand. Wenn man handelt, und den Teig bäckt, entsteht Mazza. Für den Fall , dass man den Teig ruhen lässt, gärt er, verändert seinen Geschmack und seine Form, er füllt sich mit Luft. Dies entspricht unseren Charaktereigenschaften. Chamez ist laut unserer Weisen eine Anspielung auf Stolz und Überheblichkeit. Wenn man an seinem Charakter nicht arbeitet und von Zeit zu Zeit keine Reinigung vornimmt, verdirbt der Charakter, wird gären, sauer sein und man wirkt/ist "aufgeblasen". Deswegen ist es notwendig für uns, ab und zu, immer wieder eine innere Reinigung vorzunehmen, um uns von Chamez in unserem Charakter zu reinigen.

Wenn ich etwas über den Monat März höre, kommen mir, als erstes Frauen ins Gedächtnis. Das liegt nicht nur daran, dass meine Ehefrau in diesem Monat ihren Geburtstag hat, sondern auch an dem, für uns alle im sowjetischen System aufgewachsenen Personen, bekannten Frauentag am achten des Monats und an unserem jüdischen Feiertag Purim, wo die Königin Ester eine wichtige Rolle spielt. An dieser Stelle möchte ich allen unseren Frauen zum 8. des Monats beglückwünschen und auf einen kleinen Zusammenhang zwischen zwei Feiertagen hinweisen. Erinnern wir uns zuerst an die Geschichte des älteren Feiertags. Purim ist ohne Ester nicht denkbar, selbst die Rolle hat ihren Namen nach der Königin bekommen. Die Königin leitet die Entwicklung der Geschichte zur Errettung des Volkes Jisrael und sichert seine Existenz im persischen Reichs des Altertums. Die Historiker sind sich nicht einig während welcher Herrschaft eines Arthaxerxes / Achaschwerosch, diese Geschichte stattgefunden hat. Der Raschi, Rabbi Schlomo Jitzchaki aus dem 11. Jh., meint, dass dies kurz nach der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil stattgefunden hat, d.h. im 6. Jh. vor der neuen Zeitrechnung. Damals ordnete Ester zusammen mit Mordechaj an, diese Tage, den 14. und 15. Adar als Feiertage für alle kommenden Generationen zu gestalten. Am Anfang des 20. Jh. kamen viele jüdische Einwanderer ins Goldene Medine, Amerika, wo laut Erzählungen sogar die Straßen mit Gold gepflastert wären. In der Realität mussten viele Familien in den Metropolen bleiben, und um die Familie zu ernähren gingen die Frauen als Leiharbeiter in der Beschäftigung. Der Tagelohn war niedrig, die Arbeitsbedingungen dramatisch. 1908 brannte ein Hochhaus aus, in dem viele Frauen umkamen, da sich dort die Fabrik befand, wo sie als Näherinnen arbeiteten. Am Sonntag, den 05. Adar II 5668, entsprechend dem 08. März 1908, kamen ca. 15 000 Frauen auf die Straßen von New York, um ihre Rechte durchzusetzen, Arbeitszeit zu verringern und die Löhne zu erhöhen. Von diesen Ereignissen angeregt brachte Clara Zetkin 1910 in Kopenhagen den Vorschlag ein, einen internationalen Frauentag zu etablieren. Am Anfang feierte man ihn an unterschiedlichen Daten. Erstmals im Jahre 1914 wurde wieder der 08. März in mehreren Länder als Frauentag gewürdigt. Als Feiertag setzte er sich zuerst in den sozialistischen Staaten durch. Seit 1975 gilt er laut UNO als Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden. Wir sehen, dass Frieden in dieser Welt nur dann kommen kann, wenn wir die Rolle der Frauen in unserer Gesellschaft richtig wahrnehmen.

Der Monat Februar ist der Kleinste im Gregorianischen Kalender. Es hat normalerweise 28 Tage. Es gibt auch noch eine weitere Besonderheit, er bekommt alle die vier Jahren einen extra Tag, um das Datum mit der Rotation der Erde auszugleichen. Dies ist das sogenannte Schaltjahr, welches 366 Tage hat, wie jetzt 2016. In einigen Kulturkreisen gibt es viele Aberglauben diesbezüglich. In einem solchen Jahr sollte viel Unglück passieren und nicht nur das, sondern das ganze Jahr wurde unter schlechten Omen gesehen.
Es hat mich immer gewundert, warum 24 Stunden mehr nichts gutes sondern viel Unglück bringen sollten. Wenn es bei uns, mit unserem Kalender in Zusammenhang stünde, könnte ich es irgendwie nachvollziehen. Auch unser Jahr 5776 ist ein Schaltjahr, Schana Meuberet, wörtlich ein schwangeres Jahr. Im jüdischen Kalender wird dagegen nicht nur ein Tag zugefügt, sondern ein ganzer Monat.
Da der erste Monat immer Nissan sein soll, wie wir neulich im Buch Schemot, Exodus, gelesen haben, heißt der zwölfte Monat dann Adar I, und der dreizehnte trägt den Namen Adar II . Der hat übrigens auch zwei Tage Rosch Chodesch. Dieser Extramonat kommt nicht jedes vierte Jahr, sondern sieben Mal innerhalb des neunzehnjährigen Zyklus.
In einem Monat, der aus 29 Tage besteht und der Vorgänger einen Tag extra bekommt, kann viel mehr gutes oder Gott behüte, etwas schlimmes passieren. Die Menschen werden doch geboren und sterben nicht nach dem Datum, sondern wenn ihre Zeit gekommen ist. Abergläubische Menschen könnten meinen, dass die Zahl 13 Unglück bringen soll. Für uns dagegen steht diese Zahl laut der Gematria, mit den Tetragrammaton, den aus vier Buchstaben bestehenden Namen Gottes, in Verbindung. Für die Liebhaber der Mathematik ist zu erwähnen, dass hier, im jüdischen Kalenderzyklus, zwei magische Zahlen: sieben und zwölf, und der Gottes Name vorkommen.
Wir haben auch mehr Gründe uns zu freuen, im Adar I, begeht man die Purimtage mit besonderer Freude. Hier sollte man die Wörter eines bekannten Kinderliedes nicht vergessen: "Mi-sche-nichnas Adar, marbim be-ssimcha, ab dem Anfang des Adars vermehrt man die Freude". Die beiden Monate sind in den Feierlichkeiten gleich, die Feste fallen dann in den Adar II.
Nur eine Sache bringt noch Kummer, das Rechnen auf welchen gregorianischen Tag die jeweiligen Geburtstage oder Bar / Bat Mizwe bzw. Jorzeit fällt. Der erste Tag der Rosch Chodesch Adar I fängt im Jahr 2016 am 08. Februar am Abend an, es ist auch der Letzte des Monat Schewat.

chanukka"Maji Chanukka?", "was ist Channukka", fragen unsere Gelehrten im Talmud, nachdem sie fast alle Gesetze bezüglich dieses Feiertages ausdiskutiert haben. Zuerst haben sie sich lange und bis in die kleinsten Kleinigkeiten mit der Frage beschäftigt, wann und wie man die Chanukkaleuchter anzünden soll, und wie lange dies brennen sollten, um die Pflichten zu erfüllen.
Sie haben verschiedene Meinungen beigebracht, die oft im Gegensatz stehen. Z. B. waren die Schüler aus dem Hause Schamajs der Meinung, das mehadrin min ha-mehadrin, diejenigen, die das Gebot am Besten erfüllen wollten, am ersten Tag acht Lichter anzünden sollen. Jeden weiteren Tag zünde man eine Lampe weniger, entsprechend der verbliebenen Tagen des Festes.
Beit Hillel dagegen, war der Meinung, das am ersten Tag eine Lichtquelle brennen soll und an jedem weiteren eine mehr, entsprechend der Tagen, die bereits angefangen haben. Obwohl es genügend ist, wenn man nur eine Lampe jeden Tag anzünden würde, um seine Pflicht zu erfüllen. Nu danach, als alle praktischen Fragen gelöst waren, fragten unsere Weisen nach den ideologischen Grundlagen des Festes. Dies ist ein Beispiel für die praktische Anwendung der Regel aus der Tora Na'ase we- Nischma, wir werden machen und danach "hören" - verstehen, ins Detail gehen.
Chanukkaleuchter haben keinen praktischen Zweck, sid beleuchtet nicht, sondern sie erhellen. Die Channukkasabende haben einen besonderen, gehobenen Status. Sie heilen im Grunde genommen die Geschichte, in dem sie unsere Blicke um 22 Jahrhunderte zurück wenden, zur den Geschehnissen über die wir nur Krümel des Wissens haben. Im Talmud ist nur die Geschichte mit einem Krug Öl überliefert , dessen Brennen alle bekannten Naturgesetze brach. 20 Jahrhunderte später, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wuchs langsam ein Bild der möglichen historischen Ereignisse im Selbstbewusstsein des Jüdischen Volkes heran. Dies bekommt mit dem entstehenden Zionismus mehr und mehr Platz in den Gedanken.
Die Ereignisse, die im kleinen Dorf Modi'in angefangen haben, weil ein Kohen, Priester, mit dem Namen Matitjahu sich entschieden hat, seiner jüdischen Tradition und Weltanschauung treu zu bleiben, schlugen in allumfassende Befreiungskriege für das Recht ein jüdisches Volk zu sein um. Damals wusste noch keiner, dass sich in weniger als 200 Jahren aus dem jüdischen Milieu eine christliche Gruppierung herauskristallisiert würde, und nach noch weiteren 600 Jahren die Idee des Islam entstehen sollte. Dies ist so genannte Schmetterlings - Effekt.

In den letzten acht Monaten habe ich einige unserer Gemeindemitglieder auf ihrem letzten Weg begleitet. Bei diesen Anlässen konnte ich unseren Friedhof, Beit Olamim, Ewiges Haus, besichtigen. Obwohl wir eine entsprechende Friedhofsordnung haben, merkte ich, dass einige Fragen immer wieder für viele unserer Mitglieder unklar sind. Es ist aber kein Wunder, denn eine normale Person beschäftigt sich nur dann mit diesen Fragen, wenn, chas we-chalila, Gott behüte, jemand aus der Familie oder aus dem Bekanntenkreis gestorben ist. In der Regel ist man dann nicht in der Lage alles zu beachten bzw. adäquat zu denken. Hier kommt dann jemand zu Hilfe, der irgendwann, irgendwo, irgendwas gesehen oder gehört hat. Oft liegen solche Hilfsangebote weit weg von der Jüdischen Tradition. Die Letzte ist in der Regel ein Produkt der tausendjährigen Entwicklung und einer bestimmten Weltanschauung.Zuerst wird die Person als Ebenbild des Ewigen angesehen, deswegen bereiten Chewra Kadischa, den Körper zu Beerdigung vor, er wird gereinigt und in Tachrichim, Totenkleidung eingewickelt. Laut des Judentums werden die Gestorbenen in ihrer Kleidung nach der Auferstehung angezogen sein. Da man in Deutschland zurzeit verpflichtet ist in einem Sarg zu beerdigen, wird eine schlichte Kiste vorbereitet, die während Lewaja, der Begleitung, d.h. Beerdigung geschossen bleibt und oft mit einem schwarzen Tuch bedeckt ist.
Zweitens kann die Person keine Gebote mehr erfüllen, deswegen übt man keine Gebote auf dem Friedhof aus, sonst sehe es so aus, als ob man gegenüber dem Gestorbenen hochmütig sei. Dazu sind alle diesseitigen Genüsse für die Abberufenen unerreichbar, da die Seele von ihrem Körper abgetrennt ist.
Falls jemand angesichts der Toten das Leben genießen würde, sei es Leckereien zu essen, sei es etwas Angenehmes zu riechen, sei es etwas Schönes anzuschauen, würde es gegenüber dem Gestorbenen respektlos und arrogant, laut der jüdischen Tradition, sein. Es wirkt so, als ob der bzw. die Lebende den Toten zeigte, ich kann das Leben noch genießen, ihr aber seid dem Zerfall verbannt. Auf diesem Grund bringen Juden keine Blumen zur Beerdigung.
Die Blumen sind ein Symbol des Lebens, sie erfreuen uns durch ihr Aussehen und ihren Geruch. Anstatt dessen bringen wir Steine zum Grab und mit jedem Besuch wird die Zahl der Steine größer. Beim legen des Steines sagt man: "Lech be-schalom we-tanuach be-schalom, we-taa'mod le-goralcha le-kez ha-jemim.
Gehe in Frieden und ruhe in Frieden und stehe zu deinem Schicksal bis zum allerletzten Tag." Die Steine als Material sind dem am Nächsten, was das Ewige Leben symbolisieren könnte. Nicht die frisch geschnittenen Blumen sollten unsere Erinnerungen an die Person ausdrücken, sondern unsere Taten und unter anderem die Zedaka, Wohltat, die wir für Iluj Neschama, die Erhebung der Seele des Verstorbenen spenden.
Wir hoffen, dass die Seele ihre Ruhe im Himmel findet und der Körper im Ewigen Haus.

Dienstag, 19 März 2024

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